Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

AutoimmunerkrankungenMit Strom gegen Rheuma – Und wie der Vagusnerv behilflich sein kann

2 min
Eine Frau hält sich das Handgelenk

Kleine Gelenke sind geschwollen, warm, vor allem morgens steif: Beim Thema Rheuma macht eine Untersuchung aus den USA nun Hoffnung auf neue Therapieansätze.

Die Stimulation des Vagusnervs kann ein überreagierendes Immunsystem bremsen. Eine Studie aus den USA macht Hoffnung.

Hirnnerven sind die Direktverbindungen zwischen Sinnesorganen und dem Gehirn: Sie leiten Sehen oder Schmerz, Hören oder Riechen direkt in die zuständigen Teile des Hirns. Und die meisten sind Einbahnstraßen – von Auge oder Nase ins Hirn, aber nicht zurück. Andere haben Nervenbündel, die in beide Richtungen senden. Alle Hirnnerven sind „paarig“, es gibt sie doppelt, links und rechts.

Magnus Heier

Magnus Heier

ist Autor und Neurologe und schreibt die wöchentliche Medizinkolumne „Aus der Praxis“. ...

mehr

Der geheimnisvollste unter diesen Nerven ist der sogenannte Vagusnerv, die laufende Nummer zehn (man hat die zwölf Hirnnerven durchnummeriert). Der Vagus wird auch „Ruhenerv“ genannt, weil er etwa Puls und Blutdruck senkt, die Verdauung aktiviert, aber auch Signale der Eingeweide ins Gehirn leitet – ein Zwei-Richtungs-Nerv also.

Rheuma ist keine Krankheit des Alters

Spannender noch ist, dass man ihn manipulieren kann: Dass er Organaktivitäten aktivieren oder drosseln kann, lässt sich nutzen. Durch eine elektrische Stimulation. Bekannt ist, dass der Vagus auch das Immunsystem reguliert.

Und hierin liegt eine Chance gegen eine Krankheit, die vordergründig nichts damit zu tun zu haben scheint: die „rheumatoide Arthritis“, das klassische Rheuma. Die Krankheit ist tückisch, auch weil sie schleichend kommt und lange unbemerkt bleibt: Kleine Gelenke sind geschwollen, warm, vor allem morgens steif. Frauen sind sehr viel häufiger betroffen als Männer, Raucher sehr viel häufiger als Nichtraucher. Rheuma ist keine Krankheit des Alters – der Erkrankungsgipfel liegt um das 40. Lebensjahr, aber auch Kinder können Rheuma haben.

Ein fehlgeleitetes Immunsystem greift die Synovia an – eine Schleimhautschicht in den Gelenken. Unbehandelt zerstört das Immunsystem die Gelenke, sie schmerzen und werden immobil. Behandelt wird Rheuma durch Medikamente, die das Immunsystem herunterfahren. Der Preis des Erfolgs: Der Körper wird anfälliger für Infektionen. Und moderne sogenannte Biologika müssen gespritzt werden, weil sie die Magen-Darm-Passage nicht überstehen.

Stimulation des Vagusnervs soll das Immunsystem bremsen

Nun aber kommt eine revolutionäre neue Behandlung in den USA auf den Markt: die Stimulation des Vagusnervs. Die Theorie dahinter: Der Vagusnerv soll das Immunsystem bremsen, aber nicht ausschalten. Dazu wird ein kleiner Neurostimulator links am Hals implantiert, der den Vagus täglich nur eine Minute stimuliert und damit auf einen körpereigenen Regelkreis zielt.

Diese kurze Stimulation hat aber erstaunliche Folgen: Die meisten der Probanden einer Studie mit 242 Teilnehmern verspürten nach zwölf Wochen eine deutliche Besserung der Symptome. Viele konnten auf die vorher eingenommenen beziehungsweise gespritzten Immunsuppressiva verzichten. Nebenwirkungen waren gering. Damit ist noch nicht bewiesen, ob die Behandlung auch langfristig wirkt, über Jahre und Jahrzehnte. Aber die Hoffnung ist groß - auch für andere chronische Autoimmunkrankheiten, bei denen das körpereigene Immunsystem eigenes Gewebe zerstört!