Essen erlaubtScheinfasten statt Fasten – Wie gut funktioniert die mildere Methode?

Lesezeit 8 Minuten
Ein Teller Suppe

Beim Scheinfasten muss man nicht aufs Essen verzichten, viel gibt es aber nicht.

Beim Scheinfasten muss man nicht komplett auf Essen verzichten, soll aber von den Vorteilen des Fastens profitieren. 

Nach der Karnevalszeit wollen viele Menschen wieder kürzertreten und verzichten. Eine gute Möglichkeit ist das Fasten. Der vorübergehende Verzicht auf feste Nahrung kann sehr wohltuend für Körper und Geist sein. Jetzt gibt es eine neue Methode, bei der man essen darf, aber trotzdem von den Vorteilen des Verzichts profitieren soll: Scheinfasten. 

Barbara Becker hat dazu mit einer Ernährungswissenschaftlerin ein Buch mit Tipps und Rezepten geschrieben. Was ist dran an der neuen Methode? Kann das funktionieren? Eine Einschätzung dazu gibt Leonard Wilhelmi, Leiter der Buchinger-Wilhelmi-Fastenklinik in Überlingen am Bodensee, die sich seit vielen Jahren ganz dem „richtigen“ Heilfasten widmet. 

Viele haben es schon ausprobiert und schwärmen von den positiven Effekten des Heilfastens, andere trauen sich nicht zu, mehrere Tage komplett auf Essen zu verzichten. So erging es auch Barbara Becker, die zwar gesundheitsbewusst und fitnessorientiert ist, aber auch gerne gutes Essen und guten Wein genießt. Weil sie sich für beide Seiten interessiert, schien das Scheinfasten, bei dem quasi gleichzeitig gefastet und gegessen wird, die optimale Methode für sie zu sein.

Im Vorwort zu ihrem Buch berichtet sie von ihrer Mutter, die durch eine Fastenkur ihre Arthrose besiegt habe. Sie schreibt: „Von der Wirksamkeit des Fastens bin ich schon lange überzeugt. Allerdings kam Heil- oder Wasserfasten für mich persönlich nie infrage, zu groß war und ist mein Respekt davor, tagelang ohne Essen zu sein. Eine Fastenkur aber, bei der Mahlzeiten erlaubt sind, die traue ich mir zu.“ Mit der Ernährungswissenschaftlerin Franca Mangiameli entwickelte sie passende nährwertoptimierte Rezepte für ihre „Five Days Only“-Methode.

Barbara Becker

Barbara Becker hat die Five-Days-Only-Methode entwickelt.

So funktioniert die Five-Days-Only-Methode

An fünf Tagen hintereinander wird gefastet, aber eben nicht komplett. Pro Tag sind bis zu drei Mahlzeiten erlaubt, die eine bestimmte Kalorienmenge nicht überschreiten dürfen. Die Gesamtmenge wird nach dem ersten Tag mit maximal 1000 Kalorien auf jeweils maximal 800 Kalorien an den Folgetagen reduziert. Außerdem ist eine spezielle Nährstoffkombination wichtig: Eiweiß und Kohlenhydrate werden gedrosselt, Fett dafür hochgefahren. Diese Zusammensetzung der Gerichte gaukle dem Körper einen Nahrungsmangel vor, woraufhin die Zellen ihr Reinigungs- und Regenerationsprogramm starteten. Als Folge sänken Blutzucker- und Insulinspiegel und der Verwertungsprozess in den Zellen (Autophagie) werde stimuliert.

Mit ProLon gab es schon eine ähnliche Diät

Diese Methode ist nicht ganz neu. Einer der Vorreiter ist der Zellbiologe und Altersforscher Valter Longo, der vor ein paar Jahren eine ähnliche Diät unter dem Namen „ProLon“ entwickelt hat – allerdings mit abgepackter Fertignahrung in Paketen. Bei Barbara Becker und Franca Mangiameli wird frisch und vegan gekocht. Damit man von den Mini-Mahlzeiten trotzdem so satt wie möglich wird, wird viel Wert auf sättigende Ballaststoffe in Form von Gemüse, Pilzen und Salaten gelegt.

Die fünf Scheinfastentage gestalten sich folgendermaßen: Einen Tag sollte man vorab für die Vorbereitung und den Einkauf reservieren. In den ersten zwölf bis 14 Stunden des ersten Fastentages wird dann der Zuckerspeicher aufgebraucht und der Körper auf den Übergang in den Fastenzustand vorbereitet. Am zweiten Tag sinken Insulin- und Blutzuckerspiegel und die Energiegewinnung aus Fett steigt. Am dritten Tag ist die Fettverbrennung auf höchstem Niveau, defekte und unbrauchbare Zellbestandteile werden zerlegt und recycelt (Autophargie). An Tag vier läuft dieser Prozess weiter, defekte Zellbestandteile werden durch neue ersetzt. An Tag fünf werden die Stammzellen regeneriert und aktiviert. Am sechsten Tag beginnt schließlich die Aufbauphase und die stammzellenbasierte Regeneration von Zellen, Geweben und Organen startet.

Scheinfasten und Heilfasten im Vergleich

Leonard Wilhelmi leitet die Buchinger-Wilhelmi-Fastenklinik in Überlingen.

Leonard Wilhelmi leitet die Buchinger-Wilhelmi-Fastenklinik in Überlingen.

Doch kann es wirklich gelingen, mit einer reduzierten Kalorienzufuhr und dem richtigen Nährstoffmix die gleichen Effekte wie durch kompletten Nahrungsverzicht zu erzielen? Leonard Wilhelmi ist Leiter der Fastenklinik Buchinger Wilhelmi in Überlingen am Bodensee, in der jedes Jahr viele Menschen eine Auszeit vom Essen nehmen. Gegründet wurde die Klinik 1953 von Dr. Otto Buchinger, seiner Tochter Maria und deren Mann Helmut Wilhelmi. Fasten dient hier dazu, nicht nur den Körper, sondern auch den Geist weiterzuentwickeln. Durch den kompletten Verzicht kehre der Körper in seinen natürlichen biologischen Rhythmus zurück, schließlich habe es früher auch nicht durchgängig Essen gegeben.

„Die Pause von externer Nahrung entspricht unserem Naturell viel eher als das ständige Essen“, sagt Leonard Wilhelmi. Durch Fasten verbessere sich nicht nur das Gewicht, sondern auch die Stimmung und das allgemeine Wohlbefinden. Das hat zumindest eine Studie mit 1422 Teilnehmern aus der Buchinger-Wilhelmi-Fastenklinik in Kooperation mit der Berliner Charité ergeben. Fasten wirkte sich demzufolge vor allem auf den Stoffwechsel der Probanden aus, auch Blutdruck, Zucker- und Blutfettwerte verbesserten sich. 93 Prozent fühlten sich außerdem stabiler und ausgeglichener als zu Beginn der Studie.

„Scheinfasten ist kein richtiges Fasten“

Für den Fasten-Experten ist das Scheinfasten kein richtiges Fasten, sondern eine Kalorien-, Zucker- und Eiweiß-reduzierte Diät im Alltag. Einen ähnlichen Effekt gebe es dennoch: „Diese hypokalorische ketogene Diät induziert die Ketose, also die Fettverbrennung, die wiederum die zellulären Signalwege aktiviert – zum Teil wie beim Fasten.“ Die Folgen – Gewichtsverlust, Entzündungshemmung, niedrigerer Blutdruck und sinkendes Risiko für Diabetes und Herz-Kreislauf-Erkrankungen – seien deshalb ähnlich wie beim Fasten, nur in einem geringeren Ausmaß.

Langzeitfasten sei nicht nur eine Pause von der Nahrungsaufnahme, sondern eine Umstellung des Stoffwechsels, bei dem die Zellen statt Nahrungsglukose körpereigenes Fett verbrennen. „Wichtige Wirkungen entstehen manchmal erst ab der zweiten Fastenwoche“, erklärt Wilhelmi. Beim Scheinfasten komme das Verdauungssystem nicht zur Ruhe, deshalb seien die Effekte weniger ausgeprägt und nachhaltig.

„Beim Heilfasten verschwindet der Hunger besser“

Dass beim Scheinfasten gegessen werden darf, mag für die meisten ein Vorteil sein, für Wilhelmi ist es ein Nachteil: „Dass nicht komplett auf Nahrung verzichtet wird, ist nicht immer ein Vorteil, denn beim Heilfasten verschwindet der Hunger, besser als bei Reduktionsdiäten.“ Längeres Fasten ziele zudem nicht nur auf den Körper, sondern auch auf den Geist: „Beim Fasten in einer entsprechenden Einrichtung bekommt man eine echte Auszeit von Alltag und Beruf, durch die innerliche Reflexion und eventuell auch eine Neuorientierung möglich ist“, sagt er.

Dennoch kann auch das Scheinfasten in Wilhelmis Augen die Vorteile des Fastens den Menschen näher bringen – wenn auch nur in kleinen Schritten. Durch die regelmäßige Nahrungspause würden typische Muster im Essverhalten erkannt und durchbrochen, auch der Stoffwechsel werde entlastet. Die leichte Umsetzbarkeit im Alltag mache diese Möglichkeit auch für Eltern und Berufstätige attraktiv. „Wer Angst vor dem Fasten hat, wird wahrscheinlich leichter eine fünftägige Restriktionsdiät wie das Scheinfasten wagen“, ist Wilhelmi sich sicher.

Wer doch einmal das Heilfasten ausprobieren möchte, kann das zum Beispiel in der Fastenklinik Buchinger Wilhelmi in Überlingen tun. Der Aufenthalt beginnt mit einem Entlastungstag, an dem die Kalorienzufuhr reduziert wird. Am ersten richtigen Fastentag muss abgeführt werden, von da an gibt es morgens einen Tee mit Honig, mittags einen Fruchtsaft und abends eine Brühe. Nach den Fastentagen folgen drei bis vier Aufbautage, in denen die Teilnehmer ganz langsam wieder ans Essen herangeführt werden. Optimalerweise sollten dafür insgesamt zehn Tage angesetzt werden.

Drei Rezepte für die Scheinfasten-Tage

Frozen Himbeer-Kokos-Creme

Frozen-Himbeer-Kokos-Creme aus dem Buch "Scheinfasten" von Barbara Becker

Frozen-Himbeer-Kokos-Creme

Zutaten für eine Portion

100 g Kokosmilch (cremig) 90 g Himbeeren (TK, ungezuckert) gemahlene Vanille 100 g frische Himbeeren 20 g Kokoschips (aus 100 Prozent Kokosnuss, ohne Zucker)

Hinweis: Diese Menge ist für den ersten Tag gedacht, ab Tag zwei sind es 80 g Kokosmilch und 5 g Kokoschips

Zubereitung

Kokosmilch, gefrorene Himbeeren und etwas gemahlene Vanille in einen Mixer geben und zu einer homogenen Masse pürieren. Das Sorbet in eine Schüssel geben. Frische Himbeeren waschen und über dem Sorbet verteilen. Kokoschips darüber streuen.

Zucchinispaghetti mit Oliven und Tomaten

Zucchini-Spaghetti mit Oliven und Tomaten aus dem Buch Scheinfasten von Barbara Becker

Zucchini-Spaghetti mit Oliven und Tomaten

Zutaten für eine Portion

300 g Zucchini 150 g aromatische Cocktailtomaten 30 g grüne Oliven (in Wasser, ohne Stein) 20 g extra natives Olivenöl 20 ml Balsamicoessig (dunkel) 1/2 TL Dijon-Senf oder mittelscharfer Senf Salz, grober schwarzer Pfeffer 15 g Macadamianüsse

Hinweis: Diese Menge ist für den ersten Tag gedacht, ab Tag zwei sind es 250 g Zucchini, 125 g Tomaten, 20 g Oliven, 15 ml Essig und keine Nüsse.

Zubereitung

1. Zucchini waschen, mit einem Spiralschneider zu Spaghetti drehen und in einen tiefen Pastateller geben. Tomaten waschen und halbieren. Oliven abtropfen lassen und je nach Größe halbieren. Oliven und Tomaten auf den Zucchinispaghetti verteilen. 2. Für das Dressing Olivenöl, Essig, Senf und etwas Salz in ein Schraubglas geben und kräftig schütteln. Zucchini mit dem Dressing anmachen. Mit Salz und Pfeffer würzen. Macadamianüsse mit einer feinen Reibe über die Zucchininudeln reiben. Für etwas mehr Biss können die Nüsse auch gehackt über das Gericht gestreut werden. 

Zucchini-Kokos-Suppe

Zucchini-Kokos-Suppe aus dem Buch "Scheinfasten" von Barbara Becker

Zucchini-Kokos-Suppe

Zutaten für eine Portion

350 g Zucchini 1 kleine Knoblauchzehe 1 Schalotte 1 TL geriebener Ingwer 10 g Olivenöl 130 ml Kokosmilch (cremig) 200-300 ml Wasser 2 TL Zitronensaft Salz und Pfeffer nach Geschmack 1 TL frisch gehackte Minze

Hinweis: Diese Menge ist für den ersten Tag gedacht, ab Tag zwei sind es 250 g Zucchini, 5 g Olivenöl, 100 ml Kokosmilch und 1 TL Zitronensaft.

Zubereitung

1. Zucchini waschen und in mundgerechte Stücke schneiden. Knoblauch und Schalotte abziehen und klein hacken. Ingwer schälen und reiben. 2. Olivenöl in einem Topf erhitzen. Knoblauch, Schalotte und Zucchini darin kurz anbraten, dann den Ingwer hinzufügen. Mit Kokosmilch und Wasser (Menge je nach gewünschter Konsistenz) ablöschen. Zucchini in 10-15 Minuten weich garen, anschließend mit einem Stabmixer pürieren. 3. Den Zitronensaft hinzufügen und die Suppe kurz aufkochen lassen. Mit Salz und Pfeffer würzen und mit Minze garnieren.

Alle Rezepte stammen aus dem Buch von Barbara Becker.

Zum Weiterlesen

Barbara Becker mit Franca Mangiameli: Five Days Only. Die Revolution des Fastens, Yes Publishing, 222 Seiten, 22 Euro Raimund Wilhelmi: Das Glück des Fastens. Was mein Großvater Otti Buchinger schon wusste oder was wir gewinnen, wenn wir verzichten, Hoffmann und Campe, 154 Seiten, 18 Euro Bernhard Hobelsberger/Prof. Bernd Kleine-Gunk: Scheinfasten. Das Rezeptbuch, GU-Verlag, 159 Seiten, 18,99 Euro

KStA abonnieren