SchlafmittelWelche Medikamente helfen gegen Schlafstörungen und machen nicht abhängig

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Über Schlafstörungen klagen viele Menschen, neuere Schlafmittel haben weniger Nebenwirkungen. 

Deutschland liegt wach: Rund anderthalb Millionen Bundesbürger greifen täglich oder fast täglich zu Schlaf- oder Beruhigungsmitteln. Doch was hilft wirklich, wenn es mit der Nachtruhe nicht klappt? Eine neue Studie gibt Auskunft. 

Knapp acht Millionen Menschen klagen hierzulande über Schlafstörungen, und während der Corona-Pandemie hat die Quote noch einmal zugenommen. In der Behandlung setzen viele Betroffene und Ärzte auf Medikamente. In der Hoffnung, dass es schon irgendwie gut gehen wird und sich die Nachtruhe verbessert, ohne dass es zu Nebenwirkungen wie etwa der berüchtigten Schlafmittelabhängigkeit kommt. Aber eine gewisse Sorge bleibt immer. Ein internationales Forscherteam um Andrea Cipriani von der Oxford University hat sich daher der Frage gewidmet, welches schlaffördernde Mittel man aus wissenschaftlicher Sicht wirklich empfehlen kann.

Studie führt zu einer Art Bestenliste der gängigen Schlafmittel

Dazu haben die 17 Forscher 154 kontrollierte klinische Studien ausgewertet, in denen insgesamt 30 Wirkstoffe an über 44000 schlafgestörten Patienten untersucht wurden. Das ist schon ein gewaltiger Datenpool, der am Ende auch zu einer Art Bestenliste der gängigen Schlafmittel geführt hat. Auf deren Spitzenplätze kamen die Wirkstoffe Lemborexant und Eszopiclon. „Sie erzielten in Bezug auf Wirksamkeit, Akzeptanz und Verträglichkeit die besten Ergebnisse“, erläutert Cipriani, der schon seit längerem die in der Psychiatrie eingesetzten Arzneimittel erforscht.

Orexin-Antagonisten sind die Hoffnungsträger der Schlafmedizin

Lemborexant gehört zur Gruppe der so genannten Orexin-Antagonisten, die derzeit in der Schlafmedizin als neue Hoffnungsträger gehandelt werden. Ihre Wirkung klingt ebenso simpel wie überzeugend: sie verhindern schlichtweg das Aufwachen. „Sie blockieren im Hypothalamus das Weckhormon Orexin, das als Neurotransmitter für den Wechsel vom Wach- zum Schlafzustand verantwortlich ist“, erklärt Dieter Kunz, Chefarzt der Klinik für Schlaf- und Chronomedizin am St. Hedwig Krankenhaus Berlin. Die Orexin-Antagonisten unterscheiden sich dadurch wesentlich von den meisten anderen Schlafmitteln, insofern sie nicht als pharmazeutischer Rundumschlag für Schlaf sorgen, sondern gezielt einen bestimmten Prozess im Schlafvorgang beeinflussen.

Orexin-Antagonisten machen in der Regel nicht abhängig

Ihr Nebenwirkungsrisiko ist daher entsprechend niedrig. Sie machen in der Regel nicht abhängig, es kommt zu keinen Entzugssymptomen nach dem Absetzen des Mittels. Das Problem: Ausgerechnet Top-Performer Lemborexant ist hierzulande noch nicht zugelassen. Was konkret bedeutet, dass sich der Patient dieses Mittel zwar von seinem Arzt verschreiben lassen kann, es aber selbst bezahlen muss. Oder aber er entscheidet sich für einen Orexin-Hemmer, der hierzulande bereits zugelassen ist: Daridorexant. In der Oxford-Studie hat dieses Mittel allerdings schlechter abgeschnitten als Lemborexant.

Benzodiazepine sind für ihr hohes Suchtpotential berüchtigt

Demgegenüber performte Eszopiclon in der Studie besonders gut – und es ist seit etwa einem Jahr auch hierzulande unter dem Markennamen „Lunivia“ zugelassen. Wobei es im strengeren Sinne nicht unbedingt neu ist, weil es auf die gleiche Weise wirkt wie die so genannten Z-Drugs, die ihren Namen den Hauptvertretern aus ihrer Gruppe verdanken: Zaleplon, Zolpidem und Zopiclon. Ihr Wirkprinzip: Sie docken an den GABA-Rezeptoren im Gehirn. GABA steht für den Neurotransmitter Gamma-Amino-Buttersäure, und seine Aktivierung setzt die Erregung im Gehirn herab. Das erreichen zwar auch die für ihr hohes Suchtpotential berüchtigten Benzodiazepine, doch die Z-Drugs zielen dabei auf jene Untereinheiten der Rezeptoren, über die der Schlaf reguliert wird. Sie wirken daher weniger angst- und krampflösend als die Benzodiazepine, bergen aber dafür aber auch ein deutlich geringeres Suchtrisiko.

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Dies gilt insbesondere für Eszopiclon, weil es extrem treffsicher an der Schlafregulation der GABA-Rezeptoren ansetzt. Und die Patienten klagen auch seltener über Hangover-Effekte am Tag nach der Einnahme des Mittels. Wer also eine Lunivia-Nacht hinter sich hat, fühlt sich am Morgen frischer als etwa nach einem Benzodiazepin-Schlaf, aus dem man oft ziemlich verkatert aufwacht. Und das hat ja beispielsweise auch Einfluss darauf, wie man am Morgen sein Fahrzeug durch den Stadtverkehr lenkt. Ein weiterer Vorteil von Eszopiclon ist seine rasche Verfügbarkeit. Man muss seine Einnahme also nicht exakt so einplanen, dass sie ein oder zwei Stunden vor der Bettruhe geschieht, sondern kann dann das Mittel einfach kurz vor der Bettruhe schlucken.

Melatoninpräparate gelten als ausgesprochen risikoarm

Nichtsdestoweniger hat auch Eszopiclon seine Nebenwirkungen. Laut Oxford-Studie führt es immer wieder zu Schwindel und Übelkeit, was wiederum viele Patienten dazu bringt, das Mittel abzusetzen. Solche und auch andere Nebenwirkungen muss man bei Melatonin nicht befürchten. Es ist als Hormon, das normalerweise in der Zirbeldrüse unseres Zwischenhirns gebildet wird, unserem Körper bestens bekannt. Melatoninpräparate gelten daher als ausgesprochen risikoarm, und so mauserten sie sich in den letzten Jahren zu den Bestsellern unter den Schlafmitteln.

Mittlerweile gibt es im Handel nicht nur Kapseln, Tees und Sprays mit dem Hormon, sondern auch die so genannte „Nachtmilch“. Hinter ihr steckt die Beobachtung, dass Kühe besonders melatoninreiche Milch abgeben, wenn sie in der Zeit von 2 bis 4 Uhr morgens gemolken werden. Den Tieren soll das angeblich nichts ausmachen. Was aber noch weniger geklärt ist, ob der Verzehr der vergleichsweise teuren Nachtmilch dem Menschen auch wirklich bei seinen Schlafstörungen hilft.

Melatonin schaltet das Wachmacherhormon Orexin aus

So hat man zwar an der University of Missouri-Columbia in aufwändigen Laborexperimenten herausgefunden, dass Melatonin das Wachmacherhormon Orexin ausschaltet, also ähnlich wirkt wie Lemborexant. Doch das bedeutet nicht automatisch, dass Melatonin-Präparate eine ähnlich zuverlässige Wirkung bei Schlafstörungen haben. In der Kurzanwendung, beispielsweise bei Jetlag-Problemen, können sie zwar hilfreich sein. Doch für die Langzeitanwendung fehlen laut Oxford-Studie schlichtweg die Daten.

Wirkung pharmazeutischer Schlafmittel nicht überschätzen

Wie man überhaupt die Wirkung pharmazeutischer Schlafmittel nicht überschätzen sollte. Sie könnten zwar, wie der Mannheimer Psychologe und Schlafforscher Michael Schredl betont, vorübergehend durchaus sinnvoll sein: „Doch wenn dann die Menschen das Mittel absetzen und sich darüber Sorge machen, wie sie jetzt noch ohne die pharmazeutische Hilfe zur Ruhe finden können, werden sie erneut Schlafprobleme bekommen.“

Aus dem Teufelskreis - Schlaflosigkeit, sich Sorgen darüber machen, und dadurch erst recht Schlafprobleme bekommen! – führt laut Schredl letzten Endes nur eine kognitive Verhaltenstherapie, die den Patienten eine langfristige Änderung der Schlafgewohnheiten erlernen lässt. Oft reichen dazu schon sieben Gruppensitzungen, einmal pro Woche. Ihre Erfolgsquote liegt bei 85 Prozent.  

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