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Kurios, aber nicht unerklärlichWarum Kinder schlafwandeln und Erwachsene kaum

3 min
Ein Junge im Schlafanzug geht mit einem Kopfkissen und einem Kuscheltier in der Hand durch einen Flur zur Wohnungstür.

Schlafwandeln betrifft vor allem Kinder.

Schlafwandeln betrifft viele Kinder und endet fast immer mit dem Erwachsenwerden. Dr. Magnus Heier erklärt, woher es kommt.

Es sind vor allem Kinder, die nachts schlafwandelnd durch die Wohnung laufen. Und es sind oft Kinder von Eltern, die in ihrer Kindheit ebenfalls betroffen waren. Schlafwandeln liegt zumindest teilweise auf den Genen. Mit der Pubertät wächst sich diese Eigenart meist aus – sehr wenige setzten das Schlafwandeln im Erwachsenenalter fort. Fängt es aber im Erwachsenenalter an – was überaus selten ist –, sollte man nach Auslösern suchen.

Das können vor allem neu verordnete Medikamente sein, Psychopharmaka etwa. Oder andere Substanzen wie Drogen oder viel Alkohol. Oder ein neu aufgetretener regelmäßiger Schlafmangel – etwa durch Schichtarbeit, Stress, Anspannung, Konflikte. Alles, was den Schlaf stört, kann Schlafwandeln zumindest begünstigen.

Magnus Heier

Magnus Heier

ist Autor und Neurologe und schreibt die wöchentliche Medizinkolumne „Aus der Praxis“. ...

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Es ist ein Gerücht, dass Schlafwandler mit geschlossenen Augen „wandeln“. Sie können sehen und sich sehr sicher, mit „traumwandlerischer Sicherheit“ bewegen. Wobei der Begriff „traumwandlerisch“ falsch ist: Schlafwandler gehen nicht in der Traumphase auf Wanderschaft, sie leben eben nicht ihre Träume aus. Sie wandeln ausdrücklich in traumfreien Tiefschlafphasen. Und sie können sich hinterher auch an keine ausgelebten Träume erinnern.

Die gängige Erklärung für dieses nächtliche Verhalten ist eine Art Aufwachstörung: Teile des Gehirns sind schon wach und können sehen und herumgehen. Andere Teile, vor allem das Frontalhirn hinter der Stirn, „schläft noch“. Die Schlafwandler sind ausdrücklich nicht verantwortlich für ihr Tun. Und sie haben hinterher keinerlei Erinnerung. Sie sind auch fast nie aggressiv.

Schlafwandler: Die Wohnung „narrensicher“ machen

Leider kommt es beim Schlafwandeln immer wieder zu Verletzungen, nicht häufig, aber eben auch nicht nie. Um das zu verhindern, sollte man Schlafwandler eher nicht wecken (und damit erschrecken), sondern sie in ihr Bett zurückführen. Und wenn die Betroffenen häufiger nachts unterwegs sind, sollte man die Umgebung des Schlafenden entsprechend sichern und entschärfen: Fenster und Türen abschließen, die Treppe absichern, gefährliche Gegenstände wegräumen, den Autoschlüssel verstecken: Es gibt tatsächlich anekdotische Berichte, dass Menschen schlafwandelnd Auto fuhren. Die Wohnung sollte „narrensicher“ gemacht werden.

Eine wirklich wirksame direkte medikamentöse Behandlung des nächtlichen Schlafwandelns gibt es nicht. Aber da Schlafstörungen ein Auslöser sein können, ist alles, was den Schlaf fördert, zu versuchen: von der Stressreduktion bis zum Ende einer Schichtarbeit (wenn möglich).

Wichtig ist: Schlafwandeln ist keine Krankheit, kein Hinweis auf irgendeine psychische Störung. Diese Feststellung ist vor allem für Kinder und Jugendliche wichtig. Sie sind sehr viel häufiger betroffen als Erwachsene – und sollten wissen, dass auch viele andere Kinder schlafwandeln. Sie sind kein Einzelfall! Das „Phänomen“ wächst sich in fast allen Fällen aus – und ist bei Erwachsenen entsprechend selten: Ein oder zwei von 100 sind betroffen, Frauen und Männer ähnlich häufig.