Praxistest bei Konzerten„Hunde erkennen positive Coronafälle zu 100 Prozent“

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Corona-Spürhündin Bea schnüffelt an einer Corona-Probe.  

Köln – Stellen Sie sich folgendes Szenario vor: Schülerinnen und Schüler müssen sich nicht mehr zwei mal pro Woche ein wahnsinnig langes Wattestäbchen in die Nase stecken, um einen Corona-Test zu machen – sondern reiben einfach mit einem Wattepad ein bisschen Schweiß aus ihrer Armbeuge. Fertig. Hört sich ziemlich angenehm und unkompliziert an, oder? Ist es auch! Die eigentliche Arbeit übernimmt an dieser Stelle nämlich ein tierischer Gehilfe: ein Spürhund, der auf Corona trainiert ist. An der Tierärztlichen Hochschule in Hannover läuft mit finanzieller Unterstützung des Landes Niedersachsen gerade eine Machbarkeitsstudie zum Thema Corona-Spürhunde – und die ersten Resultate sind sehr erfolgsversprechend, sagt Sonja von Brethorst, Pressesprecherin der Tierärztlichen Hochschule.

Wie läuft die Studie ab?

Die Machbarkeitsstudie findet – nicht wie in unserem Szenario – in einer Schule statt, sondern während vier Konzerten in zwei Hannoveraner Locations. Und so funktioniert’s: Alle Besucher müssen vor dem Konzert einen Antigen-Schnelltest und einen PCR-Test machen. Um Verzerrungen auszuschließen, besuchen alle Gäste dasselbe Testzentrum. In der Konzerthallte selbst streichen sie mit Hilfe eines Wattepads eine Schweißprobe aus der Armbeuge. Das Wattepad wird in einen Becher gelegt, die Becher in einer Reihe aufgehängt, die Gäste stellen sich entsprechend auf.

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Ein Corona-Spürhund bei der Arbeit.  

Nun kommt der Spürhund hinzu: In kürzester Zeit läuft er an den Bechern entlang. Nur eine Sekunde pro Probe benötige der Hund, sagt Sonja von Brethorst. „Wir wollen untersuchen, ob die Hunde coronapositive Menschen auch in einer alltäglichen Situation mit Ablenkungen, vielen Menschen, Geräuschen und Gerüchen erkennen und nicht nur in einer standardisierten Umgebung im Labor“, so die Pressesprecherin.

Wie sind die Ergebnisse?

Sehr gut. „Die Hunde haben die positiven Fälle zu 100 Prozent erkannt“, sagt von Brethorst. Tatsächlich hatten die Wissenschaftler positive Proben hineingeschmuggelt, um ihre These zu überprüfen. Die Konzertbesucher waren mit einem Antigen-Schnelltest alle negativ getestet worden. Bei einem positiven Ergebnis ließ der Hund seine Schnauze besonders lang im Becher stecken und setzte sich dann hin. Würde ein Hund eine nicht eingeschmuggelte Probe positiv anzeigen, würde der Durchlauf auch noch mit einem zweiten Spürhund absolviert und die positive Probe durch einen Schnell-PCR-Test bestätigt.

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Endlich wieder richtige Konzertatmosphäre - dank der Corona-Spürhunde.

Beim ersten Konzert am 19. September mit der Band „Fury in the Slaughterhouse“ waren 500 Besucher zugelassen. Sechs Spürhunde kamen zum Einsatz. Für die Tiere, die zwischendurch auch immer wieder Pausen brauchen, sei es sehr entspannt gewesen, sagt Sonja von Brethorst. Für die Hunde selbst ist die Suche übrigens nicht gefährlich, denn sie kommen gar nicht mit dem Virus in Kontakt.

Wie lange müssen die Hunde trainiert werden?

Die Hunde, die in der Machbarkeitsstudie mitmachen, sind ausgebildete Sprengstoff-Spürhunde. Sie kennen also das Prinzip der Arbeit bereits. Und doch überrascht von Brethorsts Antwort: „Die Hunde lernen innerhalb von einer Woche, Corona zu erschnüffeln.“ Die Hunde trainieren an einer Maschine: Hinter sieben Löchern liegt jeweils eine positive und eine negative Corona-Probe. Die Maschine entscheidet, hinter welchem Loch ein positive und eine negative Probe platziert wird. „So weiß auch der Hundeführer nicht Bescheid und kann das Tier nicht unbewusst beeinflussen.“ Haben die Tiere eine positive Probe gefunden und lassen ihre Schnauze besonders lang in der Maschine stecken, fällt unten ein Leckerli heraus. Das erklärt, warum die Hunde auch beim Praxistest anschlagen, indem sie ihre Schnauze im Becher lassen. „Die Hunde finden das super“, sagt von Brethorst. „Für sie ist das ein Spiel.“

Warum können Hunde Corona überhaupt riechen?

Dass Hunde gewisse Krankheiten riechen können, ist bekannt. Sie können bestimmte Krebsarten und Malaria, verschiedene bakterielle und virale Infektionen sowie Diabetes riechen – und sogar bei der Überwachung des Insulinspiegels helfen. Das liegt am außergewöhnlichen Geruchssinn des Hundes. So haben die Tiere allein durch ihre Anatomie eine höhere Nasenoberfläche und im Vergleich zum Menschen 40-mal mehr Riechrezeptorzellen (200 bis 300 Millionen gegenüber 5 bis 8 Millionen beim Menschen). Zur Veranschaulichung nennt die Tierärztliche Hochschule folgendes Beispiel: Ein Hund ist in der Lage den Tropfen einer Flüssigkeit in 50.000.000 Litern Wasser, das entspricht 20 Schwimmbecken olympischer Größe, zu erkennen.

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An dieser Maschine lernen die Spürhunde, den spezifischen Covid-Geruch zu erkennen.

Dass man sich die Fähigkeiten der Spürhunde auch bei Corona zunutze machen könne, auf diese Idee kamen die Wissenschaftler in Hannover schon früh. „Im vergangenen Sommer war die Arbeitsgruppe um Professor Holger Volk aus unserer Klinik für Kleintiere die erste, die dazu Studienergebnisse veröffentlicht hat“, so von Brethorst. Ergebnis damals: Auch Speichel- und Urinproben können die Tiere zuverlässig erschnüffeln. Was genau die Hunde riechen, wissen die Forschenden nicht. Sie vermuten: „Wenn das Coronavirus eine Zelle befällt, werden Stoffwechselvorgänge in der Zelle in Gang gesetzt und dabei entstehen flüchtige organische Substanzen“, erklärt Sonja von Brethorst. „Die Forscher vermuten, dass die Hunde das riechen.“ Mittlerweile arbeiten übrigens auch viele andere Hochschulen weltweit an dem Thema.

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Wie geht es jetzt weiter?

Andere Länder setzten Corona-Spürhunde bereits exemplarisch ein: So kamen ausgebildete Tiere etwa schon an den Flughäfen in Helsinki, Dubai und Miami zum Einsatz. Auch in einem Seniorenheim in Frankreich mit vielen dementen Bewohnern übernimmt mittlerweile ein Spürhund das Testen. „Wenn Spürhunde gerade in solchen neuralgischen Situationen wie Seniorenheimen, Kitas oder Schulen eingesetzt würden, fänden wir das natürlich toll“, sagt Sonja von Brethorst. Allerdings: „Diese Entscheidung müssen andere treffen.“ Von Brethorst glaubt, dass die Hunde eine sinnvolle Ergänzung zu den bestehenden Maßnahmen sein könnten. Dass die Hunde Corona-Tests in Zukunft überflüssig machen könnten, hält sie für unrealistisch. „Dafür müssten die Hunde ja auch flächendeckend eingesetzt werden können.“ Und dafür bräuchte es eine Menge Spürhunde.

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