In Studien überschätzten die Teilnehmenden ihre Empathie. Dr. Magnus Heier erklärt, warum das so ist.
Studien aus den USAEmpathie macht glücklich, Egoismus ist ungesund

Empathie macht glücklich: Das ist eines der Ergebnisse von Studien aus den USA.
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Es gibt Modeworte, die so abgedroschen sind, dass man sie kaum ertragen kann. Empathie ist eines davon. Was bedeutet der Begriff eigentlich? Die Definition klingt kompliziert: Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, die Empfindungen, Emotionen, Gedanken, Motive und Persönlichkeitsmerkmale eines anderen Lebewesens zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden. Einfacher formuliert: Man kann sich in sein Gegenüber hineinfühlen – und man will es auch! Der zweite Teil ist nicht unwichtig: Viele Menschen könnten sich einfühlen, sind aber an anderen überhaupt nicht interessiert.
Das sollten sie aber, aus ganz egoistischen Gründen, wie drei Studien aus der Wissenschaftszeitschrift „Nature Human Behavior“ zeigen. Und die vom Kölner „Science Media Center“ aktuell zitiert werden. Die Studien hängen inhaltlich zusammen: Studentinnen und Studenten waren befragt worden. Immer wieder. Es gab Workshops, Textnachrichten und Info-Poster für eine direktere Ansprache. Schon an der ersten Studie waren etwa 5000 Studentinnen und Studenten US-amerikanischer Universitäten beteiligt.
Das lustige Ergebnis vorneweg: Die Befragten hielten sich zum großen Teil selbst für deutlich empathischer (sprich: einfühlsamer) als ihre Mitstudenten. Ein Wissenschaftler spricht von einer Empathie-Wahrnehmungs-Lücke. Dieser Effekt findet sich quasi überall in uns: Wir halten uns für einfühlsamer, klüger, charmanter als wir wirklich sind (die anderen aber ausdrücklich nicht!). Dieser Selbstbetrug unseres Gehirns hat Vorteile: Ein selbstbewusstes „Ich“ hat es leichter als ein von Selbstzweifeln zerfressener Mensch. Sich selbst gut zu finden, ist gesund – zumindest in Maßen.
Vorgespielte Empathie führte zu mehr Kontakten
Ein zweiter Effekt der drei Studien ist ebenfalls bemerkenswert: Die Einschätzung, die die befragten Studenten von anderen hatten, wurde gezielt manipuliert. Ihnen wurde vorgespielt, dass die anderen Studenten deutlich einfühlsamer seien als gedacht – beziehungsweise, dass die sich selbst auch für sehr einfühlsam hielten. Mit dem Glauben, dass die anderen doch empathischer seien als selbst vorher gedacht, ließen sich die befragten Studenten dann deutlich mehr auf andere ein, nahmen Kontakt auf, öffneten sich den vorher Fremden gegenüber. Kurz: Der Glaube, dass die anderen nicht so schlimm sind, wie zunächst gedacht, führte zu mehr Miteinander. Und das führte schließlich dazu, dass sich die befragten Studentinnen und Studenten auch besser fühlten – nach eigener Einschätzung.
Kritisch bemerkt werden muss aber, dass die Veränderungen jeweils sehr klein waren und auch nicht von langer Dauer. Und dass sie nur auf der Selbsteinschätzung der Probanden beruhten. Und es ist natürlich fraglich, ob ein Effekt unter jungen, selbstbewussten amerikanischen Studenten an der Universität vorbehaltlos übertragbar ist auf Durchschnittsmenschen im „normalen“ Leben. Trotzdem bleibt die Erkenntnis: Einfühlsam zu sein und andere als einfühlsam zu erleben macht zufriedener. Egoismus ist ungesund.

