Die Debatte um die Bezeichnung von Veggie-Produkten betrifft auch Patienten. Denn missverständliche Produktnamen können zum medizinischen Problem werden, sagt Dr. Magnus Heier.
Wissen, was man isstButter, Saft, Schnitzel – Verbraucher müssen intuitiv verstehen, was drin ist

Pflanzenbasierte Wurst darf bislang als „Vegetarische Wurst“ benannt werden – während die Namensgebung von Produkten wie Butter oder Saft geschützt ist.
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Sich gesund zu ernähren, ist wichtig. Und schwierig. Denn Lebensmittel sind komplexe Gebilde, zusammengesetzt aus Rohstoffen, die man intuitiv oft gar nicht erwartet. Etwa Gelatine in Vanillepudding oder Vitamin C in Brot.
Aber wer sich gesund ernähren will, muss wissen, was er isst. Und das nicht erst, wenn er oder sie das Kleingedruckte studiert. Der Verbraucher darf nicht getäuscht werden. Die Lebensmittelkennzeichnung in Europa soll genau das gewährleisten: Ein Saft ist ein Saft – und besteht aus Früchten. Wenn er dagegen aus wenig Saft, viel Wasser und Zucker besteht, dann darf er nicht Saft heißen, sondern etwa Nektar. Das höherwertige Produkt wird durch den Namen kenntlich und geschützt.
Beispiele gibt es viele: Butter besteht aus Milch. Margarine meist aus pflanzlichen Fetten – und darf nicht Butter heißen. Besteht das Produkt aus weniger als 80 Prozent Fett, ist es nur noch Streichfett und auch keine Margarine mehr. Marzipan darf nur aus Mandeln hergestellt werden, nicht aus (billigeren) Aprikosenkernen. Schokolade ohne Kakao oder Kakaobutter ist keine Schokolade.
Bei einigen Fleischprodukten wird es absurd: Ein Bockwürstchen muss aus mindestens 40 Prozent Muskelfleisch bestehen. Ist weniger Fleisch enthalten, ist es kein Bockwürstchen mehr. Sondern etwa ein „Bockwurst ähnliches Erzeugnis“. Ist aber überhaupt kein Fleisch enthalten, wird der Wurstersatz plötzlich wieder zur Wurst.
Für Allergiker können unerwartete Zutaten zur Falle werden
Bisher wurde stillschweigend akzeptiert, dass ein solches Produkt etwa Veggi-Wurst oder ähnlich heißen darf. Vor wenig Fleisch schützt die Kennzeichnung, bei keinem Fleisch plötzlich nicht mehr. Bei der neuen EU-Regel spielt der Begriff der „Verbrauchererwartung“ eine Rolle: Verbraucher erwarten bestimmte Produkte hinter traditionellen Bezeichnungen: Schnitzel aus Fleisch, Käse aus Milch. Saft aus Früchten. Und diese Erwartung wird geschützt.
Diese Kennzeichnungssicherheit versucht das EU-Parlament nun wieder zurechtzurücken. Denn bei Begriffen wie Steak, Burger oder Schinken werden keine vegetarischen Ersatzprodukte erwartet, die statt aus Fleisch etwa aus Erbseneiweiß und Zusatzstoffen bestehen. Ersatzprodukte sind weiterhin erlaubt – aber nicht unter falscher Bezeichnung. Auch ein vorgestelltes Wort wie „veggi“ oder „vegetarisch“ soll nicht mehr ausreichen. So wie schon immer bei Butter: Vegane Butter gibt es nicht, sie heißt dann Margarine. Ist ein Fischstäbchen aus Wasser, Mehl, Soja, Aromen und mehr ein Fischstäbchen? Zweifel sind angebracht.
Missverständliche Produktnamen können auch ein medizinisches Problem sein: Für Allergiker etwa kann ein solches Produkt durch zahllose unerwartete Zutaten zur Falle werden. Deshalb ist eine einfach verständliche Kennzeichnung wichtig: Erbse etwa als Hauptbestandteil darf man nicht in der Zutatenliste suchen müssen. Und der Begriff „Wurst“ oder „Fischstäbchen“ ist für ein solches Produkt zumindest missverständlich.


