Kölner Urologe über Sex-Probleme„Aus Scham werden dann illegal Medikamente bestellt”

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Köln – Der Kölner Urologe Volker Wittkamp berät in seiner Praxis unter anderem viele Patienten, die Probleme beim Sex oder keine Lust auf Geschlechtsverkehr haben. Er komplettiert das neue Ratgeber-Team „In Sachen Liebe” als medizinischer Experte. Neben ihm beantworten Schauspielerin Annette Frier und zwei Psychologen wöchentlich Leserfragen zum Thema Liebe, Sex und Erziehung. Zum Auftakt haben wir mit Wittkamp über seine Arbeit, Scham bei den Patienten und Frust im Bett gesprochen. 

Herr Wittkamp, ist ein Urologe immer auch ein Psychologe?

Klar! Das ist bei jedem Arzt so, weil eine Krankheit immer psychisch belastend für den Patienten ist. Wenn ich eine schwere Diagnose wie eine Krebserkrankung übermittele, muss ich vorsichtig und emphatisch vorgehen. Ich höre immer wieder von Patienten, dass manche Kollegen da überhaupt keine Feinfühligkeit aufbringen. Das liegt sicher auch daran, dass ein Arzt in seiner Ausbildung nicht genügend darin geschult wird und es mit der Berufserfahrung dann auch nicht alle zwangsläufig lernen. Bei Urologen ist der psychologische Anteil aber noch deutlich größer beziehungsweise heikler. Für einen Schnupfen würde sich ja kein Patient schämen, für Probleme im Intimbereich fast immer. Verstärkend kommt dann oft noch eine große Unwissenheit dazu.

Lesen Sie hier Volker Wittkamps erste „In Sachen Liebe”-Kolumne.

Was hilft in solchen Fällen?

Aufklärung! Denn viele denken, sie seien die Einzigen mit einem bestimmten Problem. Sie sind dann sehr erleichtert, wenn sie hören, dass das Gegenteil der Fall ist.

Müsste es den Menschen nicht zunehmend leichter fallen, über Probleme in der Sexualität zu sprechen angesichts der vielen verfügbaren Informationen, zum Beispiel im Internet?

Ich habe eher den gegenteiligen Eindruck. Im Moment erlebe ich eine krasse Schere zwischen der allgegenwärtigen medialen Darstellung von Sexualität, sei es in der Werbung oder im krassesten Fall den überall online verfügbaren Pornos, und dem Wissen sowie der Bereitschaft, über Dinge zu reden.

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Haben Sie deshalb auch das Buch „Fit im Schritt“ geschrieben?

Ich hatte zunächst festgestellt, dass die meisten meiner Freunde und Bekannten völlig ahnungslos waren, was das Thema Urologie angeht. Niemand wusste, was ein Urologe macht und dass der auch Frauen behandelt. Und ich habe sowohl privat als auch in der Praxis festgestellt, wie tabubehaftet viele Themen sind. Andererseits bin ich immer ein beliebter Gesprächsgast auf Partys, weil ich, natürlich anonymisiert, von skurrilen Fällen aus dem Krankenhaus erzählen kann, die viele interessant finden. Manche Geschichten oder Missverständnisse sind ja auch witzig. Diese Mischung aus Unterhaltung und Information ist für ein Buch natürlich ideal.

Beeinflusst ein nicht funktionierendes Sexual-Leben die Partnerschaft?

Das ist ein ganz großes Thema. Als Urologe bekomme ich automatisch Einblicke in die Beziehungen meiner Patienten. Allein das weite Feld der Impotenz, das man so differenziert betrachten muss: Es gibt Menschen, die unfruchtbar sind. Es gibt Erektionsprobleme, die bei älteren Männern häufiger körperliche, bei jüngeren häufiger psychische Gründe haben. Daneben gibt es das Thema Libido-Verlust bei Männern und Frauen, die keine Lust auf Sex haben. Auch das hat nicht so selten körperliche Ursachen, die man auf Wunsch behandeln kann. Gerade Männer haben wegen ihrer Lustlosigkeit oft große Probleme, weil sie ja vermeintlich immer können sollen. Manchmal helfen Hormonpräparate, manchmal Viagra, gut verträgliche Medikamente, die sehr gut wirken und Eheleben kitten können. Und trotzdem denken viele Patienten: Ich brauch das nicht. Weil die Mittel aus mir unerklärlichen Gründen einen schlechten Ruf haben und man sich damit vielleicht nicht männlich fühlt. Obwohl man andererseits keine Probleme hat, gegen Kopfschmerzen eine Tablette zu nehmen. Natürlich kommt es leider aus Scham noch dazu, dass manchmal illegal Medikamente im Internet bestellt, wo man nie genau weiß, was genau drin ist.

Wann müssen Sie als Urologe passen?

Wenn das Problem über meinen Fachbereich hinausgeht. Wenn ich bei einem jungen Mann alle körperlichen Ursachen für ein Erektionsproblem ausgeschlossen habe, würde ich ihm empfehlen, zum Psychologen zu gehen – auch wenn der das möglicherweise nicht gerne hört.

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Von wem erwarten Sie mehr Fragen – von unseren Leserinnen oder unseren Leser?

Die Fragen selbst werden vermutlich häufiger von Frauen kommen (lacht). Der Grund ihrer Frage wird dann aber möglicherweise häufiger einen Mann betreffen. Frauen sind oft die treibende Kraft hinter den Patienten, die ich behandle. Die sind dann von ihren Frauen „gezwungen“ worden – zum Glück. Mir geht das übrigens nicht anders: Meine Freundin muss mich auch ermahnen, dass ich meine Leberflecken kontrollieren lasse.

Haben Sie einen konkreten Wunsch, was die potenziellen Fragen angeht?

Ich freue mich über jede Frage, vor allem die vermeintlich peinlichen. Aus Erfahrung weiß ich nämlich, dass es fast nichts gibt, was es nicht gibt und man mit vielen Problemen nicht alleine ist. Da muss es gar nicht immer nur ums Sexualleben gehen. Auch Prostata-Beschwerden oder Inkontinenz verursachen einen enormen Leidensdruck.

Das Gespräch führte Sarah Brasack

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