Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Ab sofort in DeutschlandNeues Alzheimer-Medikament endlich erhältlich – aber mit Haken

3 min
Nahaufnahme mehrerer Fläschchen von Leqembi, einem neuen Alzheimer-Medikament.

Leqembi, dem ersten von der FDA zugelassenen Medikament gegen Alzheimer, das Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn abbaut.

Leqembi ist jetzt in Deutschland gegen Alzheimer verfügbar, als erstes Mittel seiner Art. Doch es gibt einen Haken.

Patienten können ein halbes Jahr gesundes Leben dazugewinnen. Ein neues Alzheimer-Medikament weckt große Hoffnungen. Für das Gesundheitssystem bedeutet Leqembi mit dem Wirkstoff Lecanemab aber einen großen Aufwand.

Erstmals kommt am Montag (01. 09) ein Medikament auf den deutschen Markt, das die schädlichen Eiweißablagerungen im Gehirn bekämpft und damit an den Ursachen der Krankheit ansetzt. Bislang konnten bei Alzheimer lediglich Symptome und Begleiterscheinungen behandelt werden.

Wirkstoff wirkt nur bei bestimmten körperlichen Voraussetzungen

Doch Mediziner und Kassen warnen zugleich vor überzogenen Erwartungen: Der neue Wirkstoff Lecanemab, der unter dem Handelsnamen Leqembi vertrieben wird, sei keine Wunderwaffe. Er wirke nur im Anfangsstadium der Erkrankung und nur bei bestimmten körperlichen Voraussetzungen.

Ab dem 1. September ist das Medikament Leqembi mit dem Wirkstoff Lecanemab in Deutschland für die Therapie von Alzheimer verfügbar.

Ab dem 1. September ist das Medikament Leqembi mit dem Wirkstoff Lecanemab in Deutschland für die Therapie von Alzheimer verfügbar.

Außerdem gebe es Risiken und Nebenwirkungen. Und die Behandlung sei sehr aufwendig und teuer - von rund 24.000 Euro pro Jahr allein für das Medikament ist die Rede. Es müsse zudem genügend Hausärzte und Ambulanzen in Kliniken geben, die die Patienten identifizieren und engmaschig überwachen würden.

Lecanemab: Neuer Antikörper gegen Alzheimer

Der von den internationalen Unternehmen Eisai und Biogen entwickelte Antikörper heftet sich an die Eiweißablagerungen im Gehirn, die als Auslöser für die Entstehung von Alzheimer gelten, und regt das Immunsystem dazu an, diese Ablagerungen abzubauen.

In Deutschland leben derzeit rund 1,84 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung; davon rund eine Million mit der Alzheimer-Krankheit. Pro Jahr erkranken rund 400.000 neu. Das Zentralinstitut kassenärztliche Versorgung rechnet vor, dass von den 2023 bundesweit rund 460.000 Patientinnen und Patienten, bei denen eine leichte Demenz diagnostiziert wurde, rund 73.000 für eine Therapie in Frage kämen.

Lecanemab: Nicht geeignet für bestimmtes Gen und Blutverdünner

Um sie zu identifizieren, sei aber hoher Aufwand nötig, wie die „Ärzte-Zeitung“ berichtet. Erforderlich sind etwa 250.000 Untersuchungen von Nervenwasser, rund 200.000 Gentests, 1,4 Millionen Infusionen sowie annähernd 250.000 Untersuchungen im MRT. Bei Patienten, die mehr als eine Kopie eines bestimmten Gens tragen, sei Lecanemab wegen des erhöhten Risikos einer Hirnblutung nicht geeignet. Auch Patienten, die Blutverdünner einnehmen, sind ausgeschlossen.

Senior mit Demenz sitzt mit seinem Fotoalbum und bekommt Medikamente.

Senior mit Fotoalbum bekommt Medikamente

„Spezialisierte Einrichtungen können die Therapie leisten, dennoch bleibt es eine Engstelle im deutschen Gesundheitssystem“, mahnt der Bremer Neurologe Thomas Duning. Durchgeführt werden kann die Behandlung etwa in klinischen Gedächtnisambulanzen oder neurologische Praxen. Ob auch normale Hausärzte einsteigen können, wird der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen festlegen.

Lecanemab-Therapie: Hoher Betreuungsaufwand und Kontrolle

Notwendig ist nämlich auch ein hoher Aufwand während der Behandlung: Die Therapie beinhaltet eine jeweils einstündige Infusion - alle 14 Tage und bis zu 18 Monate lang - sowie MRT-Untersuchungen, um mögliche Nebenwirkungen wie Hirnschwellungen oder Blutungen im Gehirn rechtzeitig zu erkennen. Patienten müssen bei einer Infusion mehrere Stunden unter ärztlicher Aufsicht bleiben, wie Klaus Fließbach, Neurowissenschaftler am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen in Bonn, betont.

Die Arzneimittelbehörden verlangen eine strenge medizinische und wissenschaftliche Überwachung des Medikaments. Nach der EU-Zulassung im April hat Hersteller Eisai ein Programm für einen kontrollierten Zugang eingeführt. Vor Beginn der Behandlung müssen sowohl verschreibende Ärzte als auch Patienten angemeldet und registriert sein. Parallel dazu wird eine Sicherheitsstudie durchgeführt.

Lecanemab verlangsamt Alzheimer-Fortschreiten

Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Peter Berlit, spricht von einem Schritt nach vorn. Das Medikament habe in den Studien, die 1,5 Jahre andauerten, das Fortschreiten der Erkrankung um ein halbes Jahr verlangsamt. „Die Betroffenen gewannen somit sechs Monate bei guter Lebensqualität vor Einsetzen der typischen Symptomatik.“

Der Neurologe sieht die Gedächtnisambulanzen in der Bundesrepublik gut auf den Einsatz vorbereitet. Sie könnten sowohl die Diagnostik als auch die Therapie direkt umsetzen, betonte der Neurologe gegenüber dem im Köln ansässigen Science Media Center.

Auch Frank Jessen, Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Demenzforschung von der Uniklinik Köln, betonte, für die Diagnostik und Behandlung müssten ausreichend MRT- und Infusionsplätze sowie Personal zur Verfügung stehen. „Wenn ein Zentrum allerdings gut aufgestellt ist, gibt es keine Schwierigkeiten.“ (kna)