Reformplan der AmpelWas es für Eheleute bedeutet, wenn die Steuerklassen 3 und 5 wegfallen

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Nahaufnahme eines Steuerbescheides, im Zentrum steht das Wort „Bruttoentgelt“.

Lohnt sich das Ehegattensplitting? Nicht für alle, sagen Steuerfachleute.

Die Steuerklassen III und V sollen abgeschafft werden. Was bedeutet das für das Ehegattensplitting? Und wie funktioniert es eigentlich?

Das Ehegattensplitting begegnet verheirateten Paaren in der jährlichen Steuererklärung. Und auch allen anderen, in den wiederkehrenden Debatten über dessen Abschaffung. Kontrovers diskutiert wird das Steuermodell schon seit seiner Einführung im Jahr 1958. Nun plant die Bundesregierung eine Änderung: Die Steuerklassen III und V sollen abgeschafft werden, das Ehegattensplitting dafür vollständig über das Faktorverfahren der Steuerklasse IV laufen.

Aktuell liefen „abschließende Gespräche und Abstimmungen“ für die Umsetzung des Auftrags aus dem Koalitionsvertrag in einem der nächsten Gesetzgebungsverfahren, teilte das Bundesfinanzministerium mit. Was das für Ehepaare konkret bedeutet und was überhaupt hinter dem Verfahren steckt, erklären wir hier.

Wie funktioniert das Ehegattensplitting bisher?

„Der Ansatz ist zunächst, dass für beide Ehegatten die Einkünfte getrennt ermittelt werden, und zwar unabhängig davon, um welche Einkünfte es sich handelt“, erklärt Thomas Zacher, Fachanwalt für Steuerrecht aus Köln. „Und diese Einkünfte werden in einem zweiten Schritt zusammengezogen, durch zwei geteilt und auf diesen hälftigen Betrag wird dann die zweifache Steuer berechnet.“

Warum hat das steuerliche Vorteile gebracht?

Wenn ein Ehepaar zum Beispiel 80.000 Euro und 20.000 Euro verdient, dann liegt das gesamte Haushaltseinkommen bei 100.000 Euro. Durch das Splittingverfahren wird dieser Gesamtbetrag nun für Steuerzwecke jeweils zur Hälfte auf die jeweiligen Partner übertragen. Der eine versteuert also anteilig deutlich weniger, der andere deutlich mehr, als er oder sie wirklich verdient hat. Auch wenn sich dadurch an dem Gesamtbetrag von 100.000 Euro nichts ändert, kann die Steuerlast für beide zusammen dennoch geringer ausfallen. Das liege an der sogenannten steuerlichen Progression, sagt Zacher. „Wir haben in Deutschland einen Steuertarif, der mit dem Einkommen wächst. Je höher das Einkommen ist, desto höher ist auch der prozentuale Steuersatz.“

Wofür genau steht die Steuerprogression?

Die Steuerprogression steht für genau diese ansteigende Steuerbelastung je nach Einkommenshöhe. Einkünfte bis 10.908 Euro sind für Ledige steuerfrei, unabhängig von ihrem Gesamtverdienst. Für Paare liegt dieser Grundfreibetrag im Jahr 2023 bei 21.816 Euro. Alles, was darüber hinaus verdient wird, wird dann nach kontinuierlich wachsenden Sätzen versteuert. Das bedeutet derzeit: Für das Einkommen einer Person bis zu 15.999 Euro liegt der Steuersatz bei 14 bis 24 Prozent. Bis 62.810 Euro bei 24 bis 42 Prozent. Ab dann gilt der sogenannte Spitzensteuersatz von 43 Prozent. Und ab 277.826 Euro greift die sogenannte „Reichensteuer“ von 45 Prozent.

Es wird also nicht das gesamte Einkommen nach einem festen Satz versteuert. Sondern das Finanzamt berechnet aus diesen anteiligen Segmenten des Einkommens den durchschnittlichen Steuersatz, den jede und jeder am Ende der Steuererklärung nachlesen kann.

Wie wirkt sich das Ehegattensplitting aus?

Das Ehegattensplitting ist ein Weg, durch die Aufteilung des Gesamteinkommens auf beide Partner den durchschnittlichen Steuersatz zu senken, daraus ergibt sich die steuerliche Einsparung. Denn die Steuerlast für ein Einkommen von zweimal 50.000 Euro ist deutlich niedriger als für einmal 100.000 Euro. Zudem profitieren Eheleute durch das Splittingverfahren von manchen Freibeträgen oder Abzugsmöglichkeiten, die auch dann doppelt angerechnet werden, wenn eine Person gar nichts verdient. Dazu zählt zum Beispiel der abzugsfähige Vorsorgehöchstbetrag. Außerdem können gegebenenfalls auch Negativ-Einkünfte untereinander verrechnet werden, was besonders für Selbstständige mit Verlusten in einem Jahr interessant sein kann.

Welche Rolle spielen die Steuerklassen beim Ehegattensplitting?

Verheiratete sind bislang entweder in den Steuerlassen III und V oder IV und IV veranlagt. Bei den Steuerkassen III und V geht man davon aus, dass eine Person 60 Prozent und die andere 40 Prozent zum Haushaltseinkommen beiträgt, erklärt Thomas Zacher. Entsprechend behalte der eine Arbeitgeber bei der Steuerklasse III relativ weniger und der andere Arbeitgeber bei der Steuerklasse V relativ mehr ein für das Finanzamt. „Die Wahl der Steuerklasse hat nur Auswirkungen auf das monatliche Nettoeinkommen der Ehegattengemeinschaft“, sagt auch der Steuerberater und Diplom-Kaufmann Wolfgang Mödder, Vorstandsmitglied des Steuerberater-Verbandes in Köln. Auf die letztendliche Höhe der Steuer und etwaige Nach- oder Rückzahlungen hat sie keinen Einfluss.

Seit 2009 gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, dass beide Ehepartner in Steuerklasse IV mit Faktor eingeteilt werden. Dieser Faktor zum Verdienstunterschied wird auf Antrag individuell berechnet, um den Wert genauer zu bestimmen als bei der groben Einteilung in Steuerklasse III und V. So wird der Steuervorteil des Ehegattensplittings je nach ihrem Anteil am Gesamteinkommen auf beide Partner verteilt.

Wer profitiert vom Ehegattensplitting, wer nicht?

„Von dem Ehegattensplitting profitieren vor allem Besserverdienende mit mittlerem bis hohen Gesamteinkommen und zugleich hohen Einkommensunterschieden untereinander“, sagt Thomas Zacher. „Die gemeinsame Veranlagung von Ehegatten bringt immer nur dann wirklich etwas, wenn die Einkünfte sehr unterschiedlich sind, wenn also der eine mehr und der andere weniger verdient.“

Verdienen beide Eheleute annähernd gleich, „dann fallen die steuerlichen Einsparungen vergleichsweise gering aus.“ Weil die steuerliche Progressionswirkung in diesem Fall kaum sinkt. Auch Menschen mit einem geringeren Einkommen merken deswegen weniger von dem Steuer-Modell.

Das Ehegattensplitting bringt nicht immer die Steuererstattung, die sich Eheleute erhoffen, betont Steuerberater Wolfgang Mödder. „Nehmen wir an, die eine Person bewegt sich mit ihrem Gehalt von rund 120.000 im Steuersatz für Spitzenverdiener und die zweite Person verdient 30.000 Euro dazu. Jetzt geht von dem zweiten Gehalt durch die Steuerklasse V monatlich fast die Hälfte als Steuerlast ab. Das reicht aber bei einem so hohen Gesamtverdienst natürlich nicht aus. Es kommt also zu Nachzahlungen.“

Mit dem Ergebnis, sagt Mödder, dass die Person mit dem geringeren Gehalt sich am Ende fragt, warum sie überhaupt arbeiten gehen soll, wenn die eine Hälfte des Geldes an den Fiskus geht und die andere an die Sozialversicherung.

Was möchte die Bundesregierung bei Ehegattensplitting und Steuerklassen verändern?

Die konkreten Pläne der Bundesregierung: Die bisherige Steuerklassen-Kombination III und V soll abgeschafft und durch das Faktorverfahren der Steuerklasse IV ersetzt werden. Die monatliche Steuerlast würde damit also fairer verteilt werden.

Was bedeutet die Änderung der Steuerklassen konkret für Eheleute?

Im Vergleich mit der Kombination aus den Steuerklassen III und V verschiebt sich beim Faktorverfahren der Steuerklasse IV die Verteilung der Steuerbelastung. Während die geringer verdienende Person weniger Lohnsteuer zahlt als in Steuerklasse V, erhöht sie sich für die besser Verdienenden, die bislang in Steuerklasse III unterwegs waren. Die Steuerlast wird also gleichmäßiger aufgeteilt.

Um die individuellen Parameter für das Faktorverfahren zu bestimmen, müssen Ehepaare ihre jeweiligen Arbeitslöhne prognostizieren. Laut einem Bericht des Bundesrechnungshofs (BRH) aus dem Jahr 2021 führt das zu einem Problem: In vielen untersuchten Fällen weiche diese Prognose von der Realität ab, zudem würde sie bei Lohnänderungen oft nicht angepasst. „In der Summe zahlten Ehegatten und Lebenspartner überwiegend mehr Lohnsteuer, als dies bei der Steuerklassenkombination III/V der Fall gewesen wäre. Sie erhielten in 83 % der geprüften Fälle eine Einkommensteuererstattung. Diese betrug durchschnittlich knapp 1000 Euro“, heißt es in dem Bericht.

Eine weitere Zahl aus der Untersuchung: Lediglich 0,6 Prozent hätten sich seit der Einführung jährlich für die Steuerklasse IV entschieden. Laut Bundesrechnungshof sei das Faktorverfahren „ungenau, aufwendig und im Ergebnis in den meisten Fällen trotz veränderter Verteilung lohnsteuerlich unvorteilhaft ist.“

Warum sollen die Steuerklassen III und V trotz ihrer Beliebtheit abgeschafft werden?

Wird die Lohnsteuer beim Ehegattensplitting mit den Steuerklassen III und V berechnet, lohnt sich das vor allem, wenn eine Person besonders viel und die andere deutlich weniger verdient. In diesem Mechanismus begründet sich auch die Hauptkritik an dem Splitting-Verfahren: Das Steuermodell begünstige klassische Rollenverhältnisse, bei denen der Mann Hauptverdiener ist und die Frau gar nicht arbeitet oder nur geringfügig beschäftigt ist. Das mahnen Soziologinnen und Soziologen schon seit Jahren an. Für die Frauen kann das besonders im Fall einer Trennung existenzbedrohend werden.

Durch das Faktorverfahren in der Steuerklasse IV wird das abgedämpft: Die geringer verdienende Person trägt im Verhältnis weniger Steuerlast, die besser verdienende Person mehr. Das Finanzministerium nennt als Ziel der Reform, dass die steuermindernde Wirkung des Splitting-Verfahrens bereits beim monatlichen Lohnsteuerabzug berücksichtigt werde. Die höhere Besteuerung in der Steuerklasse 5 könne damit vermieden werden. Schon 2021 hatte die Bundesregierung in ihrem Koalitionsvertrag beschlossen, das Ehegattensplitting zu verändern.

Wann werden die Steuerklassen III und V abgeschafft?

Wann genau die Reform umgesetzt werden soll, steht noch nicht fest. Laut Ministerium hängt das nicht nur vom Gesetzgebungsverfahren ab. Sondern auch von den IT-Arbeiten, die es nach einem erfolgreichen Beschluss bräuchte, damit die Finanzämter das Verfahren in die Praxis umsetzen können. (mit tli/dpa)

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