Gehyped und kritisiertFragen und Antworten zum Harry-Potter-Spiel „Hogwarts Legacy“

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Perfektes Fortbewegungsmittel: Fliegende Hippogreife mit einem Zauberlehrling in «Hogwarts Legacy».

Perfektes Fortbewegungsmittel: Fliegende Hippogreife mit einem Zauberlehrling in «Hogwarts Legacy».

Das neue Videospiel aus dem Harry-Potter-Universum ist extrem gefragt, wird aber auch kontrovers diskutiert.

Genaue Verkaufszahlen sind nicht bekannt, doch seit seinem Erscheinen vor rund zwei Wochen dominiert „Hogwarts Legacy“ die Videospielcharts und die Berichterstattung. Die „Welt“ mutmaßt bereits, das Harry-Potter-Spiel ohne Harry Potter könnte zum erfolgreichsten Videospiel aller Zeiten avancieren. In Internetforen wird unterdessen dagegen mobil gemacht. Was steckt dahinter?

Um was geht es im Spiel?

Obwohl „Hogwarts Legacy“ auf den Harry-Potter-Büchern und -Spielen basiert, kommt der weltberühmte Zauberlehrling im Spiel nicht vor. Die Handlung wurde ans Ende des 19. Jahrhunderts verlegt. Zu Beginn erstellt man seine eigene Figur – entweder einen jungen Magier oder eine angehende Hexe. Danach erkundet man eine offene Spielwelt, die aus der Zauberschule Hogwarts und anderen Schauplätzen wie dem Dörfchen Hogsmeade oder dem Verbotenen Wald besteht. Zudem gibt es Nebenmissionen sowie die Möglichkeit, sich mit anderen Schülern anzufreunden und Teile von Hogwarts selbst zu gestalten.

Wie viel Harry Potter steckt darin?

Die aus Büchern und Filmen bekannte Welt wurde mit unglaublichem Detailreichtum nachgebaut. Man kann sich überall in der Schule und drumherum frei bewegen und Ausflüge auf dem Besen oder Flugtieren wie einem Hippogreif unternehmen. „Hogwarts Legacy“ besitzt aber eine eigenständige Handlung, die keine inhaltlichen Vorkenntnisse voraussetzt. Es geht um einen Koboldaufstand und den Versuch des Helden, die Ursprünge jener magischen Energie aufzuspüren, auf der Hogwarts Zauberkraft beruht.

Ohne Zweifel ein Vestibül: Die Eingangshalle von Hogwarts gibt sich repräsentativ.

Ohne Zweifel ein Vestibül: Die Eingangshalle von Hogwarts gibt sich repräsentativ.

Was macht die Faszination aus?

Dem US-Studio Avalanche Software ist mit „Hogwarts Legacy“ die Visualisierung einer literarischen Märchenwelt geglückt, wie man sie bislang noch nicht gesehen hat. Nicht nur das Schloss Hogwarts mit all seinen Türmen, Fluren und Geheimnissen wurde zum Leben erweckt, sondern auch die Umgebung samt Bewohnern, Tieren und Fabelwesen. Im Unterschied zu Literatur und Kino bieten Videospiele die Möglichkeit, in das Geschehen einzugreifen und mit Figuren in Kontakt zu treten. Man entdeckt immer wieder Neues in dieser Welt, sammelt Zutaten, pflanzt Kräuter und braut Tränke. Nach und nach lernt man immer mehr Zauber, die einem mehr Möglichkeiten eröffnen. Anspielungen auf Bücher und Filme sind zur Freude der Fans überall zu finden.

Wie spielt es sich?

Einen großen Teil des Spiels nimmt das Erkunden der offenen Spielwelt und ihrer Möglichkeiten ein. Das Ausprobieren neuer Zaubersprüche, Sammelaufgaben oder Rundflüge sind eher entspannend als fordernd. In den Missionen geht es darum, den handelnden Figuren zuzuhören, Orte oder Dinge zu suchen und Rätsel zu lösen. Natürlich wird auch viel gekämpft. Extrem gewalttätig ist das Spiel aber nicht. Das Kampfsystem ist nicht schwer zu lernen, man muss nur schnell reagieren und wissen, wann man welchen Zauber einsetzen kann. Direkten Auseinandersetzungen kann man meist aus dem Weg gehen, etwa indem man sich per Zauber unsichtbar macht. Zwischendurch lässt man sich neue magische Kniffe beibringen, baut die Beziehungen zu Kommilitonen aus oder versucht, sich nützlich zu machen, mit Erledigungen oder Reparaturarbeiten.

Kommt immer ungelegen: Ein Troll mit Keule als Gegner in «Hogwarts Legacy».

Kommt immer ungelegen: Ein Troll mit Keule als Gegner in «Hogwarts Legacy».

Worin besteht die Kontroverse?

Der Harry-Potter-Autorin J.K. Rowling wird seit Ende 2019 vorgeworfen, transphob zu sein. Es begann mit einem Post auf Twitter, in dem sich Rowling für eine Frau einsetzte, die wegen einer angeblich transphoben Äußerung ihre Anstellung verloren hatte. Sie hatte sich gegen ein Gesetz ausgesprochen, nachdem es möglich sein soll, einen Geschlechtswechsel durch reine Absichtsbekundung durchzuführen, also ohne medizinische und psychiatrische Gutachten. Auch Rowling hat solche Bestrebungen seither immer wieder kritisiert. So befürchtet sie eine Entwertung des Frauseins und warnt davor, dass sich Männer so Zugang zu Damentoiletten oder Umkleideräumen verschaffen könnten. Seither wird Rowling stark angefeindet, ihre Werke geächtet, die Bücher verbrannt. Das Thema wird im Spiel nicht berührt, es gibt sogar einen Charakter, der eine Transperson darstellen soll. Diesen Umstand wiederum sehen Kritiker als reine PR-Masche. Außer als Ideengeberin und Nutznießerin des Verkaufserfolgs hat Rowling damit nichts zu tun. Aktivisten sind jedoch der Ansicht, dass man das Spiel dennoch boykottieren sollte. Der bekannte deutsche YouTuber Gronkh sah sich harschen Anfeindungen ausgesetzt, weil er das Spiel auf seinem Kanal vorgestellt hatte. Die „New Yorkt Times“ hatte Rowling dagegen in einem Meinungsstück verteidigt.

Was wird noch kritisiert?

In den Kobolden, die als langnasig und geldgierig dargestellt werden, sahen Kritiker schon in den Büchern und Filmen antisemitische Stereotype reproduziert, die bereits in klassischen Märchen angelegt seien. Jüdische Organisationen sprachen Rowling, die sich vielfach gegen Rassismus engagiert hat, vom Verdacht des Antisemitismus frei. Auch die Monsterspinnen im Verbotenen Wald stehen in der Kritik. Sie machten es Menschen mit Spinnenphobie unmöglich, das Spiel zu spielen.

Gibt es Alternativen?

Offene Spielwelten oder „Open Worlds“ ermöglichen es Spielern, sich weitgehend frei in der digitalen Umgebung zu bewegen. Zu den Wegbereitern des populären Genres zählen die „Assassin’s Creed“-Spiele von Ubisoft, die stets einen fachlich fundiert rekonstruierten historischen Hintergrund haben. Für „Assassin’s Creed: Origins“, einem in der Ursprungsversion eher martialischen Ausflug ins alte Ägypten, kann man einen gewaltfreien „Entdecker-Modus“ herunterladen. In von Ägyptologen und Historikern kuratierten Touren kann man dort etwa die Sphinx oder die Bibliothek von Alexandria besuchen. Für Handys gibt es seit dem Erfolg von „Hogwarts Legacy“ zahlreiche „Harry Potter“-Apps. Hier ist Vorsicht geboten. Diese Produkte haben mit „Hogwarts Legacy“ nichts zu tun, bieten meist wenig Spielwert und können aufgrund von In-App-Käufen sehr teuer werden.

Wie lautet unser Fazit?

„Hogwarts Legacy“ ist ein Meisterwerk, das direkt an die Buch- und Filmerfolge anknüpft und dem Rowling-Universum viele neue Fans bescheren dürfte. Das gilt auch für Spieler, die bislang wenig mit Harry Potter anfangen konnten. Ob man sämtliche Rowling-Werke und Nebenprodukte wegen umstrittener Äußerungen der Autorin boykottieren will, sollte jeder für sich selbst entscheiden dürfen.

Hogwarts Legacy für Playstation und Xbox

Hersteller: Warner Bros. Interactive Entertainment Entwickler: Avalanche Software (USA), Portkey Games (England) USK-Freigabe: ab 12 Jahren Plattformen: Bereits erschienen für PlayStation 5, Xbox Series X|S und PC, ab 4. April für Xbox One und PlayStation 4, ab 25. Juli für Nintendo Switch Preis: ab 60 Euro.

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