„Geheimes“ Browser-FensterWie privat surft man eigentlich wirklich im Inkognitomodus?

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Brille und Hut vermitteln den Eindruck, im Inkognitomodus anonym unterwegs zu sein. 

Köln – Dass Google mit den Daten seiner Kunden viel Geld verdient, ist kein Geheimnis. Wenn aber schon die eigenen Mitarbeiter auf die Barrikaden gehen, scheint einiges im Argen zu liegen. So forderte die Marketing-Chefin Lorraine Twohill ihren Chef, Google-CEO Sundar Pichai, in einer E-Mail auf, den sogenannten Inkognitomodus des Chrome-Browsers zu überarbeiten. Dieser könne nur begrenzt vermarktet werden, „weil er nicht wirklich privat ist, was eine sehr schwammige, ausweichende Sprache erfordert, die fast noch schädlicher ist.“ Solche und andere peinliche Details kommen in einem US-Prozess ans Licht, bei dem es für den Konzern um mehrere Milliarden Dollar Schadenersatz geht. Bereits im Juni 2020 hatten mehrere Privatpersonen eine entsprechende Sammelklage eingereicht. Begründung: Sie fühlen sich getäuscht, weil ihr Surfverhalten auch im vermeintlich geheimen Browser-Modus aufgezeichnet und gespeichert wird. Also surft man im Inkognitomodus gar nicht unbeobachtet? Wir erklären es. 

In den Gerichtsakten, die dem Nachrichtenportal Bloomberg vorliegen, wird nun auch beißender Spott von Google-Mitarbeitern publik. So schlug einer von ihnen vor, man solle die Startseite mit der Warnung versehen: „Ihr seid nicht vor Google geschützt.“ Aktiviert wird der Inkognitomodus, indem man rechts oben im Browserfenster auf die drei Punkte und dann auf „Neues Inkognitofenster“ klickt. Auch in der mobilen Version gibt es diese Funktion. Die drei Punkte sind dort unten rechts zu finden, der Befehl lautet dort „Neuer Inkognitotab“. Tatsächlich klärt Google Nutzer folgendermaßen auf: „Deine Aktivität bleibt eventuell sichtbar für: Von dir besuchte Websites, Deinen Arbeitgeber oder deine Bildungseinrichtung, Deinen Internetanbieter.“

Inkognitomodus hält besuchte Seiten nur vor anderen Nutzern am PC geheim 

Trotzdem, das zeigen Untersuchungen, glauben viele Nutzer fälschlicherweise, sie seien unsichtbar unterwegs. Schließlich legen das der Begriff „inkognito“ sowie das Logo nahe, das einen Mann mit Sonnenbrille und Filzhut darstellt. Der Inkognitomodus sorgt aber lediglich dafür, dass andere Nutzer des gleichen PCs nicht sofort sehen können, welche Seiten man besucht hat. Auch in der Chronik tauchen die abgerufenen Inhalte nicht auf, eingetragene Formulardaten sind nach Beendigung des Inkognitomodus nicht mehr sichtbar. Das ist beispielsweise sinnvoll, wenn man am privaten PC ein Geschenk für den Ehepartner bestellt oder an einem Hotel-Rechner einen Online-Check-in für den Rückflug durchführt.

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Google kann aber weiterhin sehr wohl registrieren, was man gerne unter dem Mantel der Verschwiegenheit halten würde. Auch vor Nachstellungen durch den eigenen Arbeitgeber oder Internetanbieter ist man nicht geschützt. Wenn Sie beim Start nicht eigenhändig die dies verhindernde Option aktivieren, können Seitenbetreiber sogar verräterische Markierungen, sogenannte Cookies, auf der Festplatte hinterlassen. Das „Tracking“, also das Verfolgtwerden von Webseite zu Webseite, stufen Datenschützer als eines der größten Risiken ein, da damit sogar persönliche Profile erstellt werden können.

Auch in anderen Browsern kann man nicht wirklich privat surfen 

Das Gesagte gilt im Übrigen auch für andere Browser. Bei Firefox klickt man im Menü auf „Nur privates Fenster“. Dort heißt es „Firefox leert die eingegebenen Suchbegriffe und besuchten Webseiten, wenn alle privaten Fenster geschlossen wurden, aber das macht Sie nicht anonym.“ Immerhin gibt es dort eine „Do not Track“-Funktion, die eine Aufzeichnung des Nutzerverhaltens erschwert. Klicken Sie dazu auf die Menüschaltfläche, also die drei Striche oben rechts. Wählen Sie dann „Einstellungen“ und links den Bereich „Datenschutz & Sicherheit“. Unter „Browser-Datenschutz“ und „Verbesserter Schutz vor Aktivitätenverfolgung“ wählen Sie neben „Websites eine „Do Not Track“-Information senden, dass die eigenen Aktivitäten nicht verfolgt werden sollen“ die Option „Immer“. Sobald Sie die Einstellungen schließen, werden die Änderungen automatisch gespeichert.

Im Internet anonym ist man nur mit Tor oder VPN 

Um wirklich anonym zu surfen, gibt es aber im Grunde nur zwei Möglichkeiten. Zum einen können Sie ein „Virtuelles Privates Netzwerk“, kurz VPN verwenden. Die Kommunikation findet dabei in einer Art Tunnel statt, der alle Anfragen über andere, auf der ganzen Welt verteilte Server umleitet. Die eigene Identität und die besuchten Seiten bleiben vor neugierigen Blicken verborgen. Dazu lädt man die Software eines VPN-Anbieters herunter und loggt sich ein. Ein gewisses Vertrauen muss man aber auch hier mitbringen, denn die Kommunikationstunnel sind niemals ganz undurchsichtig. Die Betreiber sind also zumindest theoretisch in der Lage, ihre Nutzer auszuspionieren. Seriöse VPN-Dienste sind etwa CyberGhost (www.cyberghostvpn.com) oder NordVPN (https://nordvpn.com/de), die unterschiedliche Abo-Modelle ab rund drei Euro im Monat anbieten. Für den Safari-Browser stellt Apple eine Art VPN-Netzwerk bereit, das allerdings zum kostenpflichtigen iCloud+-Angebot gehört.

Die zweite Möglichkeit ist der kostenlose Tor-Browser, den man unter www.torproject.org/de/download/ herunterladen kann. Das Zwiebel-Symbol deutet das Prinzip an: Die individuelle IP-Adresse wird immer wieder geändert, sodass man vollkommen unerkannt bleibt. „Nur beim Zugang zum Netzwerk ist man identifizierbar, was genau dann aber innerhalb der Verbindung passiert, kann selbst Tor nicht nachvollziehen“, erklärt Professor Martin Steinebach vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie in Darmstadt. Viel Bedienungskomfort sollte man aber nicht erwarten. So kann das Streamen von Videos verlangsamt sein. Auf Browser-Erweiterungen, wie man sie von Chrome oder Firefox kennt, sollte man verzichten, da sie die angestrebte Anonymität unterlaufen könnten. Und selbstverständlich muss man sich auch von Annehmlichkeiten wie farblich markierten Links oder automatisch ausgefüllten Eingabefeldern verabschieden. Wie fast immer im Leben, muss man also auch beim Surfen die richtige Balance zwischen Zumutbarkeit und Sicherheit finden. 

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