RetourenWarum Deutsche so viele Pakete zurückschicken und was damit passiert

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Ein Paketwagen steht voll mit Paketen in einem Zustellpunkt.

Es wird immer mehr online bestellt und auch zurückgeschickt.

Es scheint so einfach zu sein: Im Internet etwas bestellen, nach Hause liefern lassen und wenn es nicht gefällt, einfach zurückschicken. Doch was passiert eigentlich mit den Retouren?

Für die Kunden mag es einfach sein, doch Pakete hin und her zu schicken ist ein enormer logistischer Aufwand für die Unternehmen und hat durch die Transportwege zudem negative Auswirkungen auf die Umwelt. Immer wieder gibt es außerdem Vermutungen, dass zurückgeschickte Ware vernichtet wird. Was ist dran an diesem Vorwurf und was passiert wirklich mit den Retouren?

Fast jedes vierte Paket wird zurückgeschickt, der Großteil davon Mode

In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Retouren deutlich zugenommen. Händler wissen oft nicht, wie sie mit den zurückgeschickten Paketen am besten verfahren sollen. Seit 2012 gibt es an der Universität Bamberg am Lehrstuhl Produktion und Logistik eine Forschungsgruppe zum Thema Retourenmanagement, die sich mit diesen Herausforderungen beschäftigt. Im Jahr 2022 haben die Forscher 411 europäische Händler zu ihrem Umgang mit Retouren befragt und Daten der Verbände für E-Commerce, Versandhandel, Paketdienste und Expresslogistik ausgewertet. Laut dieser Untersuchung geht fast jedes vierte Paket (24,2 Prozent) ganz oder teilweise an die Händler zurück. Im Jahr 2021 wurden insgesamt 530 Millionen Retourensendungen transportiert, in denen etwa 1,3 Milliarden Artikel erhalten waren. Pro Sendung belaufen sich die Transport- und Bearbeitungskosten durchschnittlich auf 6,95 Euro. Am häufigsten werden Kleidung und Schuhe zurückgeschickt. Aber auch Waren aus den Bereichen Unterhaltung, Freizeit und Einrichtung sind dabei.

Auch das Kölner EHI Retail Institut hat Anfang des Jahres 2022 eine Studie zu Versand- und Retourenmanagement im E-Commerce veröffentlicht. Für diese Untersuchung wurden von Mai bis Juli 2021 72 Online-Händler aus Deutschland, Österreich und der Schweiz befragt. Demnach liegt die Retourenquote ebenfalls bei durchschnittlich 25 Prozent. Einige Händler gaben sogar an, bis zu 75 Prozent Retouren zu erhalten. Das belastet das Klima. Laut Forschungsgruppe gehen auf die Retouren 2021 in Deutschland geschätzt 795.000 Tonnen CO2 zurück, was etwa 5,3 Milliarden mit dem Auto gefahrenen Kilometern entspricht.

In Deutschland gibt es besonders viele Retouren – woran das liegt

Die Erhebung der Bamberger Forschungsgruppe hat auch ergeben, dass in Deutschland besonders viele Bestellungen zurückgeschickt werden. Ein Grund dafür könnte sein, dass Rücksendungen hier meist kostenlos sind. Seit 2014 können Betreiber von Online-Shops selbst entscheiden, ob sie die Kosten für die Rücksendungen übernehmen oder an die Kunden weitergeben. Gebühren für Retouren erhebt laut Forschungsgruppe aber nur jeder zehnte Händler. Zudem sind die Rückgabefristen in Deutschland mit bis zu 100 Tagen großzügiger als in anderen Ländern. Und schließlich bestellen die Deutschen mehr auf Rechnung als in anderen Ländern, bezahlen also erst nach Erhalt der Ware. Das macht eine Rücksendung einfacher als bei einer Zustellung per Nachnahme, Abbuchung oder Vorauszahlung.

Was passiert mit den zurück geschickten Artikeln?

Bei der Befragung der Bamberger Forschungsgruppe gaben die Unternehmen an, im Mittel 93,2 Prozent der retournierten Ware als neuwertig weiterzuverkaufen. Nur 1,3 Prozent der Retouren würden entsorgt. Die Forschungsgruppe weist auf ihrer Homepage darauf hin, dass man dieser niedrigen Zahl nicht vertrauen könne, weil die Entsorgung durch Wiedervermarkter nicht erfasst werde. Manchmal erstatten Händler die Kosten auch zurück, ohne dass Kunden die Ware zurücksenden müssen. Auch da lässt sich nicht überprüfen, was mit der Ware passiert. Recherchen von „Frontal 21“ und „Wirtschaftswoche“ belasteten 2018 Amazon mit dem Vorwurf, massenhaft Retouren und neuwertige Produkte zu entsorgen. Amazon-Mitarbeiter erzählen in einer Dokumentation anonym, dass täglich funktionstüchtige Ware wie Fernseher, Handys oder Waschmaschinen vernichtet werde. Meist handle es sich dabei um Retouren, aber auch originalverpackte Neuware sei darunter. Die ARD-Sendung Panorama berichtet in einem anderen Stück darüber, dass auch Sportschuhhersteller Nike Neuware zerstöre. 

Laut Gesetz ist die Vernichtung von Waren nicht mehr möglich. Im Frühjahr 2020 wurde in Deutschland das sogenannte Kreislaufwirtschaftsgesetz geändert und die sogenannte „Obhutspflicht“ eingeführt. Die soll verhindern, dass Neuware auf dem Müll landet. Offenbar wird sich aber nicht überall daran gehalten, wie im Oktober 2022 neue Recherchen von „Frontal 21“ zeigen. Erneut steht darin Amazon in der Kritik, trotz der Gesetzesänderung weiterhin zurück geschickte Waren zu vernichten. Der Konzern selbst gibt an, weniger als ein Prozent der Amazon-eigenen Produkte zu entsorgen. Da der Großteil der zurück gesendeten Ware aber von Partnerunternehmen stamme, habe man keinen Einfluss auf die weitere Verwendung.

Viele Retouren werden aufbereitet und weiter verkauft

Doch längst nicht alle Retouren werden vernichtet, vieles wird aufbereitet und weiter verkauft.  Retournierte Ware wird dazu zunächst in verschiedene Kategorien von „neuwertig“ bis „stark beschädigt“ eingeteilt. Ist das Produkt noch originalverpackt, kommt es meist direkt wieder in den Handel, wenn keine Gründe wie Verderblichkeit dagegensprechen. Bei Geräten wird getestet, ob sie funktionieren, dann werden alle Daten gelöscht und der Ausgangszustand wieder hergestellt. Bei Kleidung ist entscheidend, ob sie getragen wurde oder beschädigt ist. In den meisten Fällen wird die Ware vor dem Wiederverkauf gesäubert. Eine Dokumentation im Hessischen Rundfunk beleuchtet die Behandlung der Retouren von allen Seiten und begleitet sowohl Online-Shopper, Paketannahmeshops, Transportunternehmen als auch Lagermitarbeiter. Auch ein Händler ist dabei, der zurückgeschickte Ware weiter verkauft.

Retouren sind für Händler lästig, aber unvermeidbar

Insgesamt stellen die Rücksendungen für Händler einen großen logistischen Aufwand dar, der aber unvermeidbar zu sein scheint. „Die Rücknahme von Waren gehört zum Verbraucherschutz und ist Teil eingespielter Prozesse im Online- und Versandhandel“, meint Martin Groß-Albenhausen, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel. Umso wichtiger sei deshalb die Forschung zum Retourenverhalten. Warum wird ein Paket zurückgeschickt? Wie könnte man das vermeiden? Und wie wird die Ware weiter verwertet? Konstantinos Vasiadis hat sich mit seiner Firma Elvinci GmbH auf den Handel mit Retourenwaren spezialisiert und glaubt, dass Händler gerade jetzt noch viel mehr aus der rückläufigen Waren machen könnten: „An Weihnachten werden etliche Geschenke zurückgeschickt. Das birgt vor allem für Händler großes Potenzial, das sie oft nicht nutzen.“ Über einen Weiterverkauf an Outlets, Großhändler oder das eigene Personal lasse sich noch Umsatz generieren.

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