Rhein-EnergieKann man sich gegen die gestiegenen Gaskosten wehren?

Lesezeit 6 Minuten
Heizung Geld

Die nächste Nachzahlung droht sehr hoch auszufallen.

Köln – Doppelt und sogar dreimal so hoch – so sehr könnten die Heizkosten bis 2023 ansteigen. Davor warnen Experten und die Bundesnetzagentur seit Wochen. Nun haben die ersten Energieversorger tatsächlich Preiserhöhungen angekündigt. Zum Beispiel der größte Kölner Versorger, die Rhein-Energie, erhöht den Preis für eine Kilowattstunde Erdgas zum 1. Oktober von derzeit 7,87 Cent auf 18,3 Cent. Das entspricht einem Anstieg von 133 Prozent. Auch bei der Belkaw in Oberberg und Rhein-Berg verdoppeln sich die Preise. Bei vielen Verbrauchern wächst angesichts der drastischen Preiserhöhungen die Angst vor der nächsten Rechnung. Viele fragen sich auch, ob der Energieversorger die Kosten überhaupt kurzfristig so stark anheben darf. Gibt es eine Möglichkeit, sich gegen die Preissteigerung zu wehren? Oder kann ich etwas tun, damit die Nachzahlung ausbleibt oder zumindest nicht so hoch ausfällt? Ist es sinnvoll, vorsorglich den Abschlag zu erhöhen – und wo liegen die Risiken? Das beantworten drei Kölner Expertinnen und Experten von der Verbraucherzentrale und dem Mieterverein.

Wie wird berechnet, wie viel ich im Monat für Strom und Gas zahle?

Die Monatsabschläge müssen den Verbrauch aus dem Vorjahr widerspiegeln, erklärt Dagmar Blachmann von der Verbraucherzentrale NRW. Sie ist Beraterin für Energierecht in der Beratungsstelle Köln. Ein realistischer Betrag: „Die Zahl der Kilowattstunden auf der Jahresrechnung mit dem Preis pro Kilowattstunde multiplizieren. Dann den sogenannten Grundpreis für das ganze Jahr hinzurechnen. Zum Schluss die entstandene Summe durch zwölf teilen.“ Wenn es keine Daten aus dem Vorjahr gibt, müssen sich Abschläge an vergleichbaren Kunden orientieren.

So rechnen Sie: Verbrauch aus dem Vorjahr x Preis je kWh + Grundpreis = voraussichtliche Jahreskosten Jahreskosten : 12 = monatlicher Abschlag

Wieso muss ich mit einer Nachzahlung rechnen?

War der Abschlag zu hoch angesetzt, bekommt man am Ende des Abrechnungszeitraums Geld zurück. Zum Beispiel, wenn der eigene Verbrauch gesunken ist. Waren aber die Abschläge nicht hoch genug angesetzt– zum Beispiel, weil die Preise stark gestiegen sind wie aktuell oder weil der Verbrauch sehr hoch war, muss man eine Nachzahlung leisten. Die gezahlten Monatsbeiträge können die Kosten dann nicht decken.

Vorsicht: Besser nicht einfach den Abschlag senken

Die Verbraucherzentralen warnen: Man sollte den Abschlag nicht einfach eigenmächtig runtersetzen, um seine monatlichen Kosten zu senken. Dadurch komme man in Verzug. Das heißt, es werden Zinsen fällig. Vorher solle man sich in jedem Fall rechtlich beraten lassen.

Dürfen die Energie-Versorger den monatlichen Abschlag für Strom und Gas erhöhen?

Mit dieser Frage wenden sich inzwischen viele Menschen an die Beratungsstelle der Verbraucherzentrale in Köln, erzählt Leiterin Diana Meschke. „Sie melden sich verzweifelt: Ich soll jetzt drei Mal so viel zahlen wie vorher. Ich weiß gar nicht, wie ich das stemmen soll.“ Das betreffe sowohl Menschen, die Transferleistungen beziehen als auch Berufstätige mit mittleren Einkommen, stellt sie klar.

Diana Meschke

Diana Meschke

Die Verbraucherzentrale NRW ist der Auffassung, dass einseitige unterjährige Abschlagsanpassungen nicht zulässig sind, heißt es offiziell. Allerdings gelte die folgende Ausnahme: „Ändern sich die Preise durch eine wirksame Preiserhöhung – also früh genug angekündigt und transparent – so ist der Energieversorger berechtigt, die danach fälligen Abschlagszahlungen entsprechend anzupassen.“

Die Rhein-Energie schlägt ihren Kunden und Kundinnen vor, die monatlichen Abschläge zu erhöhen. Mit dem Anschreiben zur Preiserhöhung erhalten Verbraucher und Verbraucherinnen auch einen Vorschlag, den monatlichen Abschlag zu erhöhen. Der neue Vorschlag richtet sich nach dem Verbrauch des jeweiligen Kunden aus der Vergangenheit. So soll der Preisschock mit der Jahresabrechnung vermieden werden. Mietern und Mieterinnen, die ihre Energiekosten per Nebenkostenabrechnung bezahlen, rät die Rhein-Energie, Geld zurückzulegen.

Kann man sich gegen so eine Preiserhöhung wehren?

Ja, in zwei Fällen: „Wenn eine Preiserhöhung nicht früh genug angekündigt wurde oder die vertraglich vereinbarte Preisgarantie nicht eingehalten wird“, erklärt Diana Meschke. „Dann unterstützen wir die Verbraucherinnen und Verbraucher bei der Durchsetzung ihrer Rechte.“ Im konkreten Fall der Preiserhöhung bei der Rhein-Energie zum Stichtag 1. Oktober sei eine Ankündigung zwei Monate im Voraus ausreichend, erklärt Holger Schneidewindt, Energierechtsexperte von der Verbraucherzentrale NRW. Eine Möglichkeit sich gegen die Preiserhöhung zu wehren, hätten dann nur Kunden, die eine vertragliche vereinbarte Preisgarantie haben.

Verbraucherzentrale warnt vor ExtraEnergie

Kunden und Kundinnen sollten bei dem Energieanbieter ExtraEnergie vorsichtig sein. Die Verbraucherzentrale NRW warnt, dass der Anbieter derzeit sehr kurzfristig seine Preise erhöhe. Demnach hat der Energieanbieter, zu dem auch die Marken extragrün, Hit Energie und prioenergie gehören, am 29. Juli 2022 drastische Preiserhöhungen trotz Preisgarantien angekündigt. Der Energie-Discounter ExtraEnergie sei ein „klassisches schwarzes Schaf“, sagt der Energierechtsexperte Holger Schneidewindt. Die Preiserhöhungen seien nicht rechtens. (rel)

Viele Verbraucher hätten die Hoffnung, um die höheren Energiekosten herum zu kommen. Das Problem der massiv gestiegenen Energiekosten bleibe aber für viele bestehen, „auch wenn man zum Beispiel einen Anbieterwechsel in Erwägung zieht.“ Bis zum Zeitpunkt der Preisänderung stehe dem Kunden ein Sonderkündigungsrecht zu, erklärt Energierecht-Expertin Blachmann. Das ergebe aber nur Sinn, wenn man einen günstigeren Energieversorger gefunden habe. Allerdings ist die Zahl derer gegenüber 2021 deutlich gesunken. Zudem gehen Marktbeobachter davon aus, dass heute noch billigere Anbieter ebenfalls die Preise erhöhen müssen. „Günstiger findet man aktuell eigentlich nichts“, betont auch Schneidewindt.

Diana Meschke rät, sich jetzt schon auf die gestiegenen Preise einzustellen und zu überlegen, an welchen Stellen des Haushaltsbudgets umgeschichtet werden kann. Die Verbraucherzentrale berate kostenlos zu Budgetplanung, Strom- und Heizkostensparen, Heiztechnik oder Dämmung. „Grundsätzlich muss aber auch die Bundesregierung Maßnahmen treffen, um Energie dauerhaft bezahlbar zu machen und zusätzlich gezielt einkommensärmere Haushalte unterstützen“, stellt die Leiterin der Beratungsstelle klar.

Ist es schlau, jetzt einen höheren Abschlag zu vereinbaren, um einer Nachzahlung vorzubeugen – vorausgesetzt, es ist finanziell möglich?

„Bei einer Preiserhöhung des Energieversorgers kann es sinnvoll sein, den Abschlag anpassen zu lassen, um eine hohe Nachzahlung zu verhindern“, erklärt Blachmann. Der Mieterverein Köln empfiehlt jetzt schon seinen Mitgliedern, die Vorauszahlungen zu erhöhen, erklärt Geschäftsführer Hans Jörg Depel, selbst wenn noch keine Anrechnung vorliege. „Diese Kosten werden aufgrund der erhöhten Energiekosten stark steigen“ und ansonsten sei mit einer erheblichen Nachzahlung zu rechnen. Experten gehen davon aus, dass die Kosten wegen der hohen Gaspreise ohnehin stark steigen werden und sprechen sich ebenfalls dafür aus.

Das könnte Sie auch interessieren:

Auch bei einem gestiegenen Verbrauch kann man sich überlegen, den Abschlag zu erhöhen. „Um eine Nachzahlung zu verhindern, kann es sinnvoll sein, den Zählerstand einmal im Monat abzulesen“, erklärt Blachmann. „Steigt der Verbrauch, können die Abschläge angepasst werden.“ In der Regel sei es kein Problem, beim Energieversorger eine Anpassung einzufordern, sagt Blachmann. „Im Zweifelsfall können Sie Ihren Anspruch mit Fristsetzung per Einschreiben geltend machen.“

Wo liegen die Risiken, wenn ich den Abschlag selbst erhöhe?

Zu hoch sollte der Abschlag aber auch nicht sein. Zahlt man zu hohe Abschläge, entsteht am Ende des Belieferungsjahres ein Guthaben in der Jahresrechnung, erklärt Blachmann. „Dieses Guthaben muss der Energieanbieter Ihnen binnen zwei Wochen vollständig erstatten oder mit dem nächsten Abschlag verrechnen“, erklärt die Beraterin für Energierecht. „Leider halten sich nicht alle Anbieter an diese gesetzliche Regelung, so dass man sie zur Auszahlung des Guthabens auffordern muss.“ Ein weiteres Risiko, das derzeit nicht zu unterschätzen ist: „Falls der Energieanbieter eine Insolvenz anmeldet, ist es sehr wahrscheinlich, dass man das ausstehende Guthaben im Insolvenzverfahren nicht mehr ausgezahlt bekommt.“

Was kann ich noch tun, um einer Nachzahlung vorzubeugen oder sie abzumildern?

„Nur durch die regelmäßige Kontrolle des Energieverbrauchs und des zu zahlenden Energiepreises kann ich als Kunde prüfen, ob mein Abschlag noch angemessen ist“, sagt Blachmann. Sollte der monatliche Zahlbetrag zu niedrig sein, könne er jederzeit angepasst werden.

Wer bislang mit Gas heizt, kann sich bei einer Energieberatung über Alternativen zu Gas informieren. Die Verbraucherzentrale bietet etwa kostenlose Online-Seminaren zu Wärmepumpe, Heizungstausch, Photovoltaik und Energetischer Sanierung an. Ansonsten ist der eigene Verbrauch ein wichtiger Hebel, unter Umständen kann man ihn noch deutlich senken, zum Beispiel den Verbrauch von Warmwasser.

KStA abonnieren