Twitter-AlternativeInstagram-Nutzer in Europa erhalten ersten Hinweis auf Einführung von Threads

Lesezeit 6 Minuten
Das Threads-Logo ist auf einem Handy zu sehen, das vor eine bunte Wand gehalten wird.

Die neue App Threads des Facebook-Mutterkonzerns Meta soll künftig als Alternative für Twitter dienen. In der EU steht sie aus Datenschutzgründen bisher noch nicht zur Verfügung.

Threads verzeichnete in wenigen Tagen mehr als 100 Millionen Nutzer. In Europa ist die Twitter-Alternative nach wie vor nicht verfügbar.

Bereits seit Monaten suchen langjährige Nutzerinnen und Nutzer der Plattform Twitter, das inzwischen X heißt, nach einer Alternative für den Microblogging­dienst. Betreiber Elon Musk, der das Netzwerk im vergangenen Herbst übernommen hatte, ist vielen ein Dorn im Auge: Nicht nur hatte er die Plattform spürbar herunter­gewirtschaftet und dann umbenannt – Musk hatte zuletzt auch immer wieder rechte bis rechtsextreme Accounts gefördert und unterstützt. Die Zahl der Hasspostings auf der Plattform hat sich nach Ansicht von Kritikerinnen und Kritikern deutlich erhöht.

Eine Alternative zu Twitter könnte das deutlich kuscheligere Netzwerk Threads sein, das von Mark Zuckerbergs Meta-Konzern betrieben wird. Seit gut einem Monat ist die Plattform verfügbar und konnte sich, zumindest zeitweise, über rekord­verdächtige Anmeldezahlen freuen. Nutzerinnen und Nutzer in der EU allerdings schauten bislang in die Röhre: Wegen Daten­schutz­­bedenken verzichtete Meta zunächst auf eine Einführung der App.

Nun allerdings gibt es ein erstes Lebenszeichen von Threads auch für Menschen aus Europa. Rückt die Einführung der Plattform in Europa damit näher?

Twitter-Alternative Threads: Instagram-Nutzer erhalten Hinweis zur Einführung in Europa

Einige Nutzerinnen und Nutzer aus der EU erhalten derzeit Benachrichtigungen in ihren Instagram-Accounts. „Wir präsentieren Threads“ steht da, „die neue textbasierte App, powered by Instagram.“ Klickt man auf den Hinweis, informiert Instagram zwar weiterhin, dass die App „in deiner Region“ noch nicht verfügbar sei, aber es ist nun möglich, per Button eine Erinnerung einrichten zu lassen. Instagram informiert Nutzerinnen und Nutzer dann, wenn es so weit ist.

Ebenfalls interessant: Die Domain threads.net zeigt inzwischen auch für EU-Nutzerinnen und ‑Nutzer einen QR-Code an, der zum Herunterladen der App einlädt. Der Link führt allerdings weiterhin ins Leere: Im europäischen App-Store ist die App weiterhin nicht verfügbar.

Was genau diese Hinweise für die Einführung von Threads in der EU bedeuten, ist nicht ganz klar. Aber: Es scheint, als würde Meta bei dem Thema Fortschritte machen – eine zeitnahe Einführung scheint zumindest geplant. Zuletzt hatte sich Instagram-Chef Adam Mosseri weniger optimistisch geäußert: In einer eigenen Instagram-Story erklärte er im Juli, es könne noch „viele Monate“ dauern, bis die App in der EU verfügbar sein würde.

Offiziell gibt man sich bei Meta angesichts eines möglichen EU-Markteintritts derweil weiterhin bedeckt. Eine Sprecherin des Konzerns antwortete auf eine Anfrage des Redaktions­Netzwerks Deutschland (RND) am Montag nur, zu dem Thema stünden ihr „aktuell keine weiteren Informationen zur Verfügung“.

Threads in Europa: Mutterkonzern Meta streitet mit EU um Datenschutz-Regelungen

Grund für die bisherige Zurückhaltung des US-Konzerns in Europa ist eine Reihe neuer EU-Gesetze, die auf große Social-Media-Plattformen abzielen. Eines davon ist der sogenannte Digital Markets Act, auch DMA genannt. Dieser soll große Unternehmen davon abhalten, ihre Marktmacht zu missbrauchen.

Konkret werden beim DMA große Online­plattformen als „Gatekeeper“ definiert. Fällt eine der Plattformen in diese Kategorie, gelten für sie spezielle Gesetze. Meta und andere Big-Tech-Unternehmen, darunter etwa Google und Tiktok, wurden Anfang vergangenen Monats zu Gatekeepern ernannt. Nun haben sie sechs Monate Zeit, sich auf die neuen Regeln einzustellen. Auch der Digital Services Act (DSA) könnte eine Rolle spielen. Dieser soll Nutzerinnen und Nutzer besser vor Hassrede schützen.

Meta will sich beim Umgang mit den EU-Gesetzten offenbar keine Fehler erlauben: Erst im Mai hatte die irische Datenschutz­kommission eine Rekordstrafe gegen den Facebook-Mutterkonzern wegen der Weiterleitung von Nutzerdaten in die USA verhängt. Satte 1,2 Milliarden Euro soll Meta zahlen. Kaum ein anderer Konzern hat wegen der Weiterleitung von Daten so viele Bußgelder kassiert wie Meta.

Die App Threads könnte dem Konzern erneut Probleme bereiten. Zur Anmeldung bei dem Dienst ist ein Instagram-Konto notwendig – dieser Zwang könnte gegen EU-Gesetze verstoßen. Außerdem dürfte die App mit der Mutter-App Instagram eine ganze Reihe an Daten austauschen – dieser Umstand hatte Meta schon bei seinen Diensten Facebook und Whatsapp in die Bredouille gebracht.

Threads: Kölner Datenschutzexperte sieht Nachholbedarf bei Meta-Plattformen Instagram und Threads

Der Datenschutz­experte Rolf Schwartmann, Leiter der Forschungs­stelle für Medienrecht an der Technischen Hochschule Köln, hatte dem Redaktions­Netzwerk Deutschland (RND) im Juli erklärt, er sehe bei Threads noch eine Menge Nachhol­bedarf, damit der Dienst in der EU legal werden kann. Auch Instagram-Chef Mosseri musste im „Hard Fork“-Postcast der „New York Times“ zugeben: „Wir stehen gerade unter enormer Beobachtung. (...) Wenn wir etwas gesagt haben und wir es nicht halten können, werden wir entweder von den Medien oder von den Aufsichts­behörden mit Geldstrafen hart getroffen. Und deshalb ist die Haftung einfach zu groß.“

Die Folge: Threads ist seit der Einführung in rund 100 Ländern nicht in den App-Stores von EU-Ländern verfügbar. Nutzerinnen und Nutzer, die die App zunächst über Umwege nutzten, wurden nur wenige Tage nach der Einführung von Meta ausgesperrt. Seither funktioniert die App nur noch bedingt.

Twitter-Alternative: Könnte Threads ein Erfolg werden?

Ob sich Threads überhaupt als Twitter-Alternative durchsetzten kann, ist derweil noch keine ausgemachte Sache. Anfang Juli verzeichnete die App immerhin ein rekord­­verdächtiges Wachstum: In nur fünf Tagen erreichte sie 100 Millionen Nutzerinnen und Nutzer, das hatte in dieser Zeit nicht einmal ChatGPT geschafft.

Inzwischen hat Threads einen Großteil seiner täglich aktiven Nutzerinnen und Nutzer aber auch wieder verloren. Meta-Chef Mark Zuckerberg spricht von etwa der Hälfte, Onlineanalysetools gehen sogar von bis zu 80 Prozent aus.

Das muss für das Unternehmen nicht zwangsläufig ein Grund zur Panik sein – nach einem großen Hype ist ein Nutzer­rückgang sogar eher der Normalfall. Klar ist aber auch: Beim Versuch, ein soziales Netzwerk neben den Platzhirschen zu etablieren, sind viele Unternehmen zuvor auch krachend gescheitert. Selbst Instagram-Chef Mosseri sagte kürzlich dem „20VC“-Podcast: „Wenn man eine neue App auf den Markt bringt, ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie scheitert, immer höher als die des Erfolgs.“

Duell der Milliardäre: Mark Zuckerberg fordert Elon Musk heraus

Hauptproblem von Threads dürfte aktuell sein, dass dem Netzwerk noch allerhand nützliche Funktionen fehlen. So lassen sich über die App keine Trending Topics identifizieren, die Suche findet nur Nutzerinnen und Nutzer, aber keine Themen. Als Livemedium ist Threads damit, ganz im Gegensatz zu Twitter oder X, aktuell gänzlich ungeeignet.

Der Meta-Konzern scheint allerdings weiterhin fest entschlossen, dies zu ändern. Seit Wochen hegen dessen Chef Mark Zuckerberg und Elon Musk öffentlichkeits­wirksam Pläne für einen möglichen Käfigkampf, der zwischen den beiden Milliardären stattfinden soll. Die aktuellste Entwicklung: Elon Musk will das Event live auf seinem Dienst X streamen.

Zuckerberg kommentierte die Pläne am Montag gehässig auf seiner eigenen Plattform Threads: „Sollten wir nicht eine zuverlässigere Plattform nutzen, die tatsächlich Geld für wohltätige Zwecke sammeln kann?“ Die Kampfansage ist eindeutig.

KStA abonnieren