StilkolumneWarum sehen Wanderer oft so wahnsinnig kleinkariert aus?

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Warum wird hier zielsicher daneben gegriffen?

  • Aber bitte mit Stil! In unserer Kolumne „Wie geht’s?“ dreht sich alles um das richtige Verhalten. Ob bei offiziellen Anlässen, beim Essen, im Gespräch oder vor dem Kleiderschrank.
  • Protokollchefin i.R. Ingeborg Arians, Redakteurin und Modeexpertin Eva Reik, Restaurant-Chef Vincent Moissonnier sowie Sprachwissenschaftler Anatol Stefanowitsch schreiben abwechselnd über das richtige und stilvolle Auftreten.
  • Heute beschäftigt Eva Reik die Frage, warum Wanderer modemäßig zielsicher daneben greifen – und was die Alternative sein könnte.

Köln – Klar, Turnschuhe und ein Baumwollbeutel sind nicht die perfekte Ausrüstung für eine Wanderung, die in 2000 Meter Höhe führt. Über nadelbedeckte Waldwege, Schotter und Geröll. Über Wiesen und Almen, wo Kühe im saftigen Klee grasen. Entlang schroffer Felswände, deren spitze Zinnen in den sanft bewölkten Sommerhimmel stechen. Spätestens bei der Querung des ersten Bachbetts weiß man es dann genau: Turnschuhe sind ein zu legeres Schuhwerk und Großstädter vielleicht sehr naiv.

Aber viel mehr als dieses quietschende Schmatzen in nassen Sneakers lassen einen die Weggefährten am Berg stutzen, die zwar das gleiche Ziel haben, aber dennoch so aussehen, als müssten sie am selben Tag auch noch ein Basislager am Mount Everest erreichen oder wenigstens den Gipfel des Großglockner.

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Modeexpertin Eva Reik

Sie sind gewappnet für alle Höhen- und Notlagen: Teleskopstöcke gehören zur Grundausstattung eines wahren Wanderers. Rucksäcke, in die locker das Equipment für eine Übernachtung bei 20 Grad Kälte passt, sind obligatorisch. Und Hosen, die unterhalb der Kniescheibe mit einem praktischen Reißverschluss versehen sind, gelten gleichfalls als Must-have; falls eben doch nicht mit Eis und Schneefall zu rechnen ist, sondern vielmehr ein paar Sonnenstrahlen plötzlichen Hitzestau in der frischen Gebirgsluft verursachen.

Der geübte Wanderer klemmt sich dann an die Felswand, befreit die Waden mit einem Zip vom lästigen Gewebe in Beige und trägt fortan Shorts. Sehr praktisch. Dass er kein Zelt hinauf zur schmucken Hütte schleift, wo die Wirtin ihre Gäste mit Johannisbeerschorle, Schnaps und Apfelstrudel empfängt, grenzt an ein Wunder.

Das kleinkarierte Karo-Hemd darf nicht fehlen

Aber was bei der Staffage wirklich unter keinen Umständen fehlen darf, ist das kleinkarierte kurzärmelige Hemd. Es gehört zum Bergfex wie das Schlägerset zum Golfer oder das bauchfreie Top zur Yoga-Göttin. Diese Hemden, nicht zu verwechseln mit dem Design oberbayerischer Bettwäschegarnituren in Rot-Weiß, weisen ein viel feineres Karo auf, so bunt wie die Blumenvielfalt am Südtiroler Wegesrand, aber im Grundton passend zur Beinkleidung in Beige. Sicherlich ist in die Innenseite ein Zettel geheftet, der die schnelltrocknende Beschaffenheit des Gewebes bei schweißtreibender Kraxelei rühmt. Wahrscheinlich weist es, wie die Hosen auch, noch viele weitere praktische Vorzüge auf.

„Wie geht’s?“

In unserer Kolumne beantworten vier Experten abwechselnd in der Zeitung Ihre Fragen zum stilsicheren Auftreten in allen Lebenslagen. Ingeborg Arians, Protokollchefin der Stadt Köln a.D., weiß, wie man sich bei offiziellen Anlässen richtig verhält. Journalistin Eva Reik kennt sich bestens aus mit Mode und der passenden Kleidung zu jeder Gelegenheit. Vincent Moissonnier, Chef des gleichnamigen Kölner Restaurants, hat die perfekten Tipps zu Tischmanieren ohne Etepetete. Und Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft, sagt, wie wir mit Sorgfalt, aber ohne Krampf kommunizieren. (jf)

Senden Sie uns Ihre Fragen bitte per Mail an: Stilkolumne@dumont.de

Dennoch stellt sich die große Frage nach dem Warum: Warum kleinkariertes Karo auf nichtssagendem Grund? Warum diese Karo-Dinger vor schroffer Bergkulisse? Und warum treten sie immer paarweise auf, bestenfalls in Familienformation? Vielleicht hat es etwas mit Motivation zu tun? Gemeinsam im Karo schaffen wir das! Vielleicht haben Wanderer aber auch einfach nur einen Drang zum uniformen Erscheinungsbild, so wie manche Freizeit-Radler.

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Offenbar braucht auch der Wandersport seine eigene Symbolik. Wer weiß? Bei der nächsten Tour wird in die Rucksäcke geschaut und dem Karo auf den Grund gegangen. Bis dahin bleibt nur zu sagen: Kraxeln geht auch in Jeans und T-Shirt. Vielleicht klimatisch suboptimal, aber nicht kleinkariert.

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