Zu Weihnachten wird ein kompletter Vogel serviert – oder lieber doch nicht? Stefanie Gollasch über eine misslungene Premiere mit Langzeitfolgen.
Gans oder gar nicht?Tipps für ein gelungenes Weihnachtsessen

Sieht einfach aus - ist es eigentlich auch: Wer beim Zubereiten der Weihnachtsgans ein paar Tipps beherzigt, wird mit einem knusprig-saftigen Braten belohnt.
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Die Diskussion beginnt bei uns meist im Spätsommer. „Schon über Weihnachten nachgedacht?“ fragt dann jemand scheinheilig – es ist das sichere Zeichen, dass er oder sie sehr wohl schon darüber nachgedacht und eine klare Vorstellung hat, wer in diesem Jahr zu wem kommt und was es zu essen geben soll. Die dann folgenden monatelangen Verhandlungen würden die Berliner Koalition vor Neid erblassen lassen. Am Ende steht eine Planung, die fast für die nächste Mondlandung reichen würde. Bei uns ist das gerade mal das Grundgerüst für die Logistik der Festtage.
Einen Tag lang schmort die Gans im Ofen, ist ganz einfach – oder?
Letztes Mal gewann ich für den 1. Weihnachtstag die „kleine Runde“: Mann, Schwägerin, Schwiegermutter. Kulinarisch offen für fast alles, keine Veganer, kaum Unverträglichkeiten. Also kündigte ich lässig an, erstmals eine klassische Weihnachtsgans zubereiten zu wollen. „Ist ganz einfach, du schiebst sie morgens bei 80 Grad in den Ofen, und abends ist sie fertig“, ermutigte mich meine Schwiegermutter. So habe sie das jahrzehntelang gemacht, nie sei etwas schiefgegangen. Klang machbar.
Über die Beschaffung eines geeigneten Kandidaten für den Bräter hatte sie nichts gesagt. Nach diversen erfolglosen Anrufen bei Züchtern und Erzeugern fand sich schließlich ein Biobauer, der noch ein Exemplar für mich reservieren konnte. Der tiefgekühlte Vogel, den ich eine Woche vor Weihnachten abholte, passte mit Mühe ins Eisfach, sein Gewicht von etwas mehr als drei Kilogramm ließ die Kunststofflade ächzen. Am Tag vor Heiligabend bettete ich das Tier auf ein Gitter in einer flachen Schale um und stellte es zum langsamen Auftauen in den Kühlschrank. So stand es in dem „Weihnachtsgans kinderleicht mit Niedrigtemperatur zubereitet“-Rezept, nach dem ich mich zu richten gedachte.
Zu kalt, zu fest: Wenn die Gans nicht richtig auftaut
Am Morgen des Heiligen Abends tippte ich den eiskalten Vogel vorsichtig an – der Tauprozess war irgendwie noch nicht so richtig in Schwung gekommen, abgesehen von der äußersten Schicht war das Tier genauso steinhart wie frisch aus dem Froster. Also bekam es noch eine Stunde Aufwärmphase auf dem Küchentresen, für mehr war keine Zeit mehr. Mit klammen Händen massierte ich eine Salz-Pfeffer-Mischung in die Haut des Tieres. Mühsam zuppelte ich dann den Beutel mit den klappernd steifgefrorenen Innereien aus der Bauchhöhle und würzte den kühlen Gesellen auch innerlich. Danach kam die vorbereitete Füllung aus Äpfeln, Zwiebeln, Beifuß und Thymian in die eisige Öffnung. Die ich sodann mit Küchengarn zunähte und mir dabei vorkam wie in einer sehr winterlichen Frankenstein-Version.
In einer großen Fettpfanne legte ich die Gans weisungsgemäß auf der Brustseite ein, goss ein Glas Wasser an, schob das Arrangement in den auf 100 Grad vorgeheizten Ofen (20 Grad Tau-Zuschlag) und hoffte das Beste.
Während der Braten allmählich Lebendtemperatur annahm, baute ich eine Soße, indem ich zwei Esslöffel braunen Zucker karamellisierte, ihn mit einem Glas trockenem Rotwein ablöschte, das Ganze kurz einkochen ließ, Gänsefond – ich gestehe – aus dem Glas angoss, Orangenschale, ein Stück Zimtstange, einen Zweig getrockneten Beifuß und einen Teelöffel zerstoßene Pfefferkörner zugab und die Mischung köcheln ließ. Nach einer knappen Stunde goss ich die Soße durch ein feines Sieb, schmeckte sie ab und schummelte noch ein kleines Stück dunkle Schokolade und einen Löffel Johannisbeergelee mit hinein. Zum Schluss zauberte etwas Soßenbinder die richtige Konsistenz – zumindest dieser Teil des Menüs war nun abgehakt.
Im Ofen tat sich derweil noch nicht so furchtbar viel. Zwar verdampfte das Wasser aus der Form, in der die Gans vor sich hin schwitzte, ansonsten sah der Vogel aber aus wie am Anfang: blass, mit wächserner Haut und mitnichten so, dass man Appetit auf ihn hatte. Mittlerweile war es fast drei Uhr nachmittags, um fünf sollten die Gäste kommen. Ich entschied, von der Niedrigtemperatur- auf die Turbo-Methode umzuschalten. Bei feurigen 180 Grad brutzelte der Vogel nun seiner erhofften Vollendung entgegen, regelmäßig mit Salzwasser begossen, mehrfach gewendet, auf dass er saftig und knusprig zugleich werde (so verhieß es das Rezept).
Nebenbei klöppelte ich den Rotkohl zusammen (gute Qualität aus dem Glas, die ich in einem guten Esslöffel Gänseschmalz erhitzte, zwei Esslöffel Apfelmus, einen Schuss Orangensaft und eine Prise Zimt unterrührte und ihn zum Schluss mit Salz und Pfeffer abschmeckte), die Klöße würden im Gepäck meiner hilfsbereiten Schwägerin anreisen. Das Dessert, eine Crème brûlée, entwickelte im Kühlschrank seit 24 Stunden die nötige Festigkeit für seine finale Kruste, die Vorsuppe mit Julienne und Miniklößchen hatte ich ebenfalls am Vortag vorbereitet – blieb so gerade eben noch genug Zeit, den Tisch und vor allem die zerzauste Gastgeberin herzurichten.
Zu früh gefreut: Einige Stellen der Gans waren noch roh
Gegen 18 Uhr war der große Moment gekommen. Die Suppe war verzehrt, der Hauptgang, appetitlich braun gebrannt und würzig duftend, stand auf einer edlen Servierplatte auf dem Tisch. Ich betrachtete ihn so lange unschlüssig, dass schließlich meine Schwiegermutter das Zepter oder vielmehr die Geflügelschere in die Hand nahm. Routiniert zerteilte sie das Tier – als sie die Keulen abtrennte, blicken wir auf einige nahezu rohe Fleischstellen. „Sonst ist sie doch aber richtig gut geworden“, tröstete meine Schwägerin. Und in der Tat, abgesehen von den rohen Stellen war das Fleisch würzig und saftig, die Haut knusprig und gut entfettet.
Als ich am späten Abend die Karkasse und die roh gebliebenen Fleischstücke von der Servierplatte in den Müll schob, fragte ich mich dennoch, ob das nun die Mühe und die fast 70 Euro für die Gans wert gewesen war. Und kam zu dem Schluss, dass es meinetwegen gern bei dem einen Mal bleiben kann. Auch wenn ich beim nächsten Mal schlauer wäre, zwei Tage vorher mit dem Auftauen beginnen und von Anfang an mit hoher Hitze arbeiten würde – es wäre dennoch ein gewisses Gelingrisiko, das ich bei handlichen Gänsekeulen so nie hatte.
Die kommen für eine Stunde in eine sanft simmernde Brühe, vor dem Servieren dann für eine halbe Stunde unter den auf knackige 230 Grad vorgeheizten Kombi-Grill im Backofen, gebettet auf ein tiefes Backblech mit ein paar Kellen der Brühe, damit das Fleisch nicht trocken wird. In Nullkommanix ist die Haut knusprig, aus der restlichen Brühe vom Vorgaren lässt sich mit sehr schmalem Aufwand eine köstliche Suppe zaubern, und die Keulen kommen mit superzartem Fleisch und nahezu fettfrei auf den Teller.
In diesem Jahr habe ich übrigens die „große Runde“ gewonnen – kulinarisch ein echtes Flickwerk. Ich denke, es gibt Lachs.
Mit diesem Rezept klappt die Gans bestimmt
- Für 4-6 Personen
- 1 frische oder getaute Gans, ca. 3,5 Kilogramm, küchenfertig vorbereitet (ausgenommen, Hals und Flügelspitzen gekappt, Bürzeldrüse entfernt)
- 2 Äpfel
- 1 Zwiebel
- 2 Zweige Beifuß
- 2 Zweige Thymian
- Salz, Pfeffer aus der Mühle
- Ca. 750 ml Salzwasser
- Große Fettpfanne
- Küchengarn und passende Nadel
Zwei Esslöffel Salz und einen Esslöffel grob geschroteten Pfeffer mischen, die Gans damit außen und innen gut einreiben. Zwiebel schälen und grob hacken, Äpfel schälen, entkernen und grob würfeln. In einer Schüssel mischen, Beifuß und Thymian in kürzere Stücke schneiden und untermischen. Gans mit der Masse füllen, dann mit Küchengarn die Bauchöffnung zunähen.
Ofen auf 180 Grad Umluft vorheizen. Gans mit der Brust nach unten in eine Fettpfanne legen, ein Glas Wasser angießen und auf der untersten Schiene im Ofen rund 40 Minuten garen. Gans wenden und mit der Brust nach oben etwa 3 Stunden lang braten, bis die Kerntemperatur 80 Grad erreicht hat. Dabei immer wieder mit Salzwasser begießen – das verbessert das Aroma und lässt die Haut knusprig werden. Für die letzte Viertelstunde Ofen auf 220 Grad hochschalten, um der Haut den letzten Schliff zu geben. Bei 140 Grad kann die Gans dann warmgehalten werden, bis sie serviert werden soll.
