RechtsfrageBin ich geschützt, wenn ich auf der Arbeit auf Fehlverhalten hinweise?

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Eine Hand im Schatten tippt etwas auf einer Tastatur.

Es geht um Hinweise auf Taten wie Betrug oder Korruption

Wenn Arbeitnehmer in Unternehmen auf Missstände hingewiesen haben, waren sie bislang kaum geschützt. Ein neues Gesetz soll das ändern.

Mit den Worten „Let’s get the son of a bitch into jail!“ – „Lasst uns den Hurensohn in den Knast bringen!“ – brachte US-Präsident Richard Nixon 1971 unzweideutig seinen Wunsch zum Ausdruck, jenen Informanten hinter Gittern zu sehen, der der New York Times massenhaft geheime Dokumente des Pentagon offengelegt hatte. Die Papiere belegten die jahrelange Täuschung der amerikanischen Öffentlichkeit über wesentliche Umstände des Vietnamkrieges. Den US-Soldaten, ihren Familien und nicht zuletzt Abgeordneten des US-Kongresses wurden von gleich mehreren Regierungen falsche Kriegsziele vorgespiegelt. Die Veröffentlichung dieser Zusammenhänge setzte der Desinformation ein Ende.

Tony Rostalski

Tony Rostalski

Tony Rostalski ist Strafverteidiger in Köln und Partner einer auf Wirtschafts- und Steuerstrafrecht spezialisierten Kanzlei. Er beantwortet juristische Fragen in unserer Kolumne Recht und Ordnung.

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Whistleblower können für die betroffene Organisation auch ein Glücksfall sein

Daniel Ellsberg – so hieß der Informant – wurde vom damaligen Sicherheitsberater Henry Kissinger als der „gefährlichste Mann Amerikas“ bezeichnet. Ihm wurde unter anderem Landesverrat vorgeworfen. Hierfür drohte Ellsberg nach dem Espionage Act von 1917 eine Haftstrafe von 115 Jahren. Dazu kam es nicht. Das Verfahren gegen Ellsberg scheiterte wegen rechtsstaatswidriger Maßnahmen im Vorfeld des Prozesses, die Nixon zumindest gebilligt hatte. Er blieb bis zu seinem Tod vor wenigen Monaten, am 16. Juni 2023, auf freiem Fuß.

Auch und gerade in der amerikanischen Öffentlichkeit wird Ellsberg heute für seinen Widerstandsgeist und Mut gefeiert. Er gilt als der „Ur-Vater“ der modernen Whistleblower.

Bei den Hinweisen geht es um Taten wie Betrug, Untreue oder Korruption

Gemeint sind damit Personen, die auf Fehlverhalten in ihrem beruflichen Umfeld hinweisen. Dabei steht – anders als im Fall Ellsberg – nicht die Offenlegung von Staatsgeheimnissen im Fokus, die auch in Deutschland grundsätzlich zu Recht unter Strafe steht. In Betrieben, Kommunen und kommunalen Unternehmen geht es um Hinweise auf Taten wie Betrug, Untreue oder Korruption. Ohne diese Hinweise bliebe ein bedeutender Anteil an Straftaten in oder aus Organisationen heraus unentdeckt.

Wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf Fehlverhalten hinweisen, ist das für die betroffenen Organisationen von außen betrachtet ein Glücksfall, weil möglicherweise schädigendes Verhalten abgestellt werden kann und ein Beitrag zur Sicherung eines rechtmäßigen Geschäftsbetriebs geleistet wird.

Aus der Innensicht stellt sich ein Hinweis aber auch als Herausforderung für die Leitungsebene dar und wird von Mitarbeitenden nicht selten vor allem als Problem wahrgenommen: Der Hinweis muss bewertet und gegebenenfalls intern aufklärt werden. Mit der Meldung werden Mitarbeitende zu Verdächtigen. Aber auch für den Hinweisgeber oder die Hinweisgeberin selbst stellen sich Fragen: Wird meine Identität vertraulich behandelt? Wird mein Hinweis auch mit Nachdruck untersucht? Habe ich wegen meiner Meldung berufliche Nachteile zu befürchten? Zugespitzt: Wird meine Meldung als „Verrat“ interpretiert

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz soll vor beruflichen Nachteilen schützen 

Diese Fragen sind in der Vergangenheit vielfach offengeblieben. Die Gewissensentscheidung für eine Meldung war angesichts eines mangelhaften gesetzlichen Schutzes vor Repressalien lange Zeit ein großes Risiko. Das hat sich jetzt mit dem Inkrafttreten eines neuen Hinweisgeberschutzgesetzes in Deutschland geändert. Es verpflichtet Arbeitgeber mit mehr als 50 Beschäftigten, eine eigene Meldestelle einzurichten. Eingehende Hinweise sind nach dem Gesetz konsequent und mit Vertraulichkeitsschutz zu bearbeiten. Ebenso gewährleisten die neuen Regelungen einen nachdrücklichen Schutz der Hinweisgeber vor beruflichen Nachteilen.

Fehlverhalten im beruflichen Kontext zu problematisieren, wird auch weiterhin einige Courage voraussetzten. Letzte Risiken lassen sich nicht ausschließen. Mit dem Hinweisgeberschutzgesetz sind sie allerdings kalkulierbar geworden.

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