Datenschutz und DigitalunterrichtWelche Frage sich Lehrkräfte jetzt stellen sollten

Lesezeit 4 Minuten
Schulcheck-Header2204

Daten von Kindern sind im Recht besonders geschützt.

Köln – In der Theorie ist Digitalunterricht ganz einfach: Eine Schule sucht sich die in der Bedienung einfachste und funktionalste Plattform aus. Mit dieser können Lehrerinnen und Lehrer mit den Kindern in ihrer Klasse chatten und Videokonferenzen abhalten, Aufgaben verschicken und Lösungen empfangen. Der Unterricht gelingt, so gut er eben während einer weltweiten Pandemie ohne persönliche Treffen gelingen kann. So einfach, so undenkbar. Das komplizierte Datenschutzrecht verunsichert Lehrkräfte auch noch im zweiten Jahr der Corona-Krise. Wie kann ein Ausweg gelingen?

„Man muss den Datenschutz ernst nehmen, aber ihn zugleich so gut kennen und anwenden, dass er den Schutz der personenbezogenen Schülerdaten erfüllen kann, Schülern, Eltern und Lehrern aber auch noch Luft zum Atmen lässt“, sagt Professor Rolf Schwartmann von der TH Köln und Vorstandsvorsitzender der Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherheit.

Übereifrige Aufsichtsbehörden

Wie sehr übereifrige Datenschutzaufsichtsbehörden die sprichwörtliche Luft zum Atmen abschnüren können, zeigt ein Fall aus Thüringen aus dem vergangenen Sommer. Der dortige Landesdatenschutzbeauftragte Lutz Hasse drohte Lehrerinnen und Lehrern vorsorglich Klagen und persönliche Bußgelder bis zu 1000 Euro an, wenn sie beim digitalen Unterricht Programme einsetzen sollten, die nicht der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) entsprechen.

Alles zum Thema Technische Hochschule Köln

schulcheck_logo

In Berlin stellte eine Grundschule den digitalen Unterricht über Wochen komplett ein. Die zuständige Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk hatte erst den Einsatz der – ohne Eingabe personenbezogener Daten nutzbaren – digitalen Pinnwand Padlet gerügt. Anschließend sprach sie auch für den Einsatz der Microsoft-Plattform Teams eine Verwarnung aus. Für deren Nutzung hatte die Schule Einwilligungen von Eltern eingeholt, ein Elternteil hatte sich daraufhin an die Behörde gewandt.

Klar, dass Schulen, die für die Auswahl der Software selbst verantwortlich sind, verunsichert werden und lieber Software nutzen, die von Behörden empfohlen werden, auch wenn sie nicht ähnlich gut den Unterricht ermöglichen. In NRW wiederum wurde Teams zwar von der Landesdatenschutzbeauftragten Helga Block als datenschutzrechtlich bedenklich eingestuft, Schulen wird die Nutzung jedoch nicht untersagt.

Was dürfen Lehrkräfte eigentlich?

Aber was dürfen Schulen und ihr Lehrpersonal eigentlich? Und müssen sie sich bei der Gestaltung des Unterrichts nach den Wünschen der Eltern richten? Experte Rolf Schwartmann, der Mitglied der Datenethikkommission der Bundesregierung ist, verweist bei dieser Frage auf einen so simplen wie flexibel interpretierbaren Paragrafen in den Schulgesetzen der Länder. In NRW ist es Paragraf 120, Absatz 1, in dem steht: „Schulen und Schulaufsichtsbehörden dürfen personenbezogene Daten der Schülerinnen und Schüler […] verarbeiten, soweit dies zur Erfüllung der ihnen durch Rechtsvorschrift übertragenen Aufgaben erforderlich ist.“

Schwartmanns Interpretation im Berliner Fall: Eine Schule braucht für die Erfüllung ihrer Aufgaben, sprich: das Gelingen von Digitalunterricht während der Pandemie, eine Videoplattform zur Kommunikation. Wählt die Schule Microsoft Teams als erforderliche Plattform aus, so muss sie dafür auch keine Einwilligung der Eltern einholen. Zumindest nicht, solange sie das Programm wiederum nur im eben erforderlichen Maße nutzt.

Hören Sie hier das ganze Gespräch mit Datenschutzrecht-Experte Rolf Schwartmann im Schul-Check-Podcast:

Ob die Nutzung datenschutzrechtlich einwandfrei ist, liegt dann in der Hand der Lehrkräfte: Es mache zum Beispiel einen großen Unterschied, ob der Unterricht lediglich per Live-Videostream stattfindet oder ob dieser gar aufgezeichnet werde, damit der Lehrer oder die Lehrerin anschließend eine Vorlage für den Unterricht in kommenden Schuljahren habe. „Das Aufzeichnen des Unterrichts ist eine wesentlich intensivere Eingriffshandlung in die Grundrechte der Schüler, die als Kinder besonders geschützt sind“, sagt Schwartmann. Und erforderlich sei die Aufzeichnung wohl auch nicht, dementsprechend also rechtlich zu beanstanden.

Auch wenn dies im Einzelfall womöglich „wahnsinnig schwer zu beurteilen“ sei, rät Schwartmann Lehrerinnen und Lehrern daher dazu, sich bei jeder Verarbeitung von personenbezogenen Daten in Programmen zu fragen: Brauche ich das wirklich, um den Unterricht zu ermöglichen?

Die rechtliche Auslegung dürfe sich dabei durchaus auch von der Auslegung durch Eltern unterschieden. Das Problem dabei: „Wenn die Auslegung durch den Lehrer rechtswidrig ist, setzt er sich der großen Gefahr eines Schadensersatzanspruchs gegen ihn aus“, sagt Schwartmann.

Warum US-Software problematisch ist

Problematisch sind die digitalen Werkzeuge von US-Konzernen vor allem, weil verarbeitete Daten theoretisch dem Zugriff durch US-Geheimdienste offen stehen – zumindest, wenn die Daten in den USA gespeichert werden. Insbesondere Microsoft bemühe sich, darum, Daten DSGVO-konform zu speichern, doch es gebe noch immer Aufsichtsbehörden, denen diese Bemühungen nicht reichten, sagt Schwartmann. Seiner Ansicht nach gibt es jedoch keinen Grund dafür, US-Software nicht zu nutzen, solange die Daten auf europäischen Servern liegen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Forderungen nach einer Art „Datenschutz light“ in Krisenfällen wie dem aktuellen erteilt der Kölner Experte eine Absage: „Corona-Ferien für Datenschutz geht nicht in Zeiten, in denen Datenverarbeitung so exponentiell zunimmt, wie die Viren in der Pandemie“, sagt Schwartmann. Statt Datenschutz zurückzuschrauben, gehe es jetzt darum, die Kompetenz im Umgang mit Daten zu schulen. „Diese Zeit ist nicht nur schmerzhaft, sondern auch lehrreich. Das gilt auch für den Einsatz von digitalen Mediendiensten nach datenschutzrechtlichen Vorgaben.“

KStA abonnieren