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Interview"Manche laden mich erst gar nicht ein"

4 min

Moritz Preuss ist erst 17 Jahre alt und schon Europameister.

Du hast ein turbulentes Jahr hinter dir. Ende Juli Europameisterschaft, jetzt Vorbereitung für die erste Seniorensaison. Wann hattest du überhaupt Ferien?

MORITZ PREUSS: Das Jahr war ein einziges Highlight. Mit der Landesauwahl Mittelrhein den Länderpokal zu gewinnen, mit der B-Jugend von Dormagen Deutscher Meister zu werden und natürlich die EM, in Österreich, nah an der Heimat: Das war schon klasse. Ferien hatte ich so gut wie keine. In den ersten beiden Ferienwochen lief die EM, danach hatte ich eine Woche frei und dann ging es auch schon wieder mit dem Training los.

Das Training der Handballer gilt als sehr hart im Vergleich zu anderen Mannschaftssportarten. Wie sieht es bei dir aus?

PREUSS: Bis vor einem Jahr habe ich in der Jugend wöchentlich bis zu 15 Mal trainiert. Bei den Herren haben wir vier verschiedene Trainingseinheiten hintereinander. Auf jeden Fall ist es intensiv.

Du gehst gerade in dein erstes Seniorenjahr, was sind die ersten spürbaren Unterschiede?

PREUSS: Die Trainingseinheiten sind viel härter und natürlich gibt es so einige Aufgaben außerhalb des Platzes, die den jüngeren Spielern zugeschoben werden – Ballwart und so was.

Kürzlich bist du mit der U 19 Europameister in Österreich geworden. Voller Erfolg also. Die Herren-Nationalmannschaft hingegen ist im Januar schon in der Vorrunde der EM ausgeschieden und bei Olympia gar nicht erst dabei gewesen. Woran liegt das wohl?

PREUSS: In Deutschland ist es für deutsche Jugendspieler sehr schwierig, in der Bundesliga Fuß zu fassen, da die ganzen ausländischen Stars hier spielen. Auch von meinen EM-Kollegen haben es nicht viele gepackt. Es gibt natürlich auch keine Regel, die eine gewisse Anzahl von deutschen Spielern in den Mannschaften vorschreibt.

Gibt es eigentlich auch im Handball schmutzige Tricks, um den Gegner direkt zu behindern? Man hört oft vom berühmten Handballgenitalgekneife.

PREUSS: Ja, da ist schon was dran. Wir bekommen vom Trainer vor dem Spiel gesagt, dass wir direkt zeigen sollen, was los ist. Meistens wird hart mit Körpereinsatz gespielt. Das funktioniert aber nur im Kollektiv, sonst fällt zu sehr auf, wenn nur einer heraussticht.

Gerade bei internationalen Turnieren im Handball gibt es viele Szenen, die Betrugsverdacht hervorrufen. Hast du die auch schon erlebt?

PREUSS: Ich selbst habe noch nicht so viel mitbekommen. Jugendspiele sind da wahrscheinlich auch nicht so relevant. Man merkt höchstens, dass, wenn der Schiri aus der Region des Gegners kommt, viele Entscheidungen anders als vorgesehen gepfiffen werden.

Du bist im diesem Jahr Deutscher Meister und Europameister geworden. Haben schon Erstligisten angeklopft?

PREUSS: Ja, vor allem nach der Meisterschaft bekam ich zahlreiche Anrufe von diversen Spielerberatern oder von Vereinen, die Kontakt aufbauen wollten. Bisher rät uns unser Trainer aber noch davon ab. Bei mir managen noch der Trainer und die Eltern.

Was sind deine persönlichen Ziele in den nächsten Jahren?

PREUSS: Stammspieler will und kann ich auf jeden Fall werden. Ich will den Umbruch in unserem Verein mitgehen und nutzen. Unser Verein hieß letzte Saison noch DHC Rheinland, jetzt heißt er wieder TSV Bayer Dormagen. Letzte Saison mussten wir aus finanziellen Gründen in die Dritte Liga zurückgestuft werden. Jetzt gehen wir ein Projekt an – mit sehr jungen Spielern. Mit unserer jungen Truppe und dem niedrigen Etat wollen wir uns erst mal so gut wie möglich verkaufen, schauen, was in der Liga möglich ist, und den Umbruch schaffen.

Gehst du eigentlich zur Schule?

PREUSS: Ja, ich bin auf einer normalen Schule und gehe nach dem Unterricht auf ein Teilinternat. Ich werde nach der Schule mit einem Shuttle abgeholt und bekomme im Internat mit den anderen Sportlern Hilfe von den Lehrern bei den Hausaufgaben. Das wird alles vom Verein organisiert.

Kannst du vom Handball schon leben?

PREUSS: Ich habe aufgrund der finanziellen Situation des Vereins keinen Vertrag bekommen. Selbst ältere Spieler, die von anderen Vereinen zu uns gekommen sind, haben keinen gekriegt. Mein Trainer hat schon mit mir darüber gesprochen. Eventuell ergibt sich in näherer Zukunft noch etwas.

Willst du nebenbei noch studieren oder eine Ausbildung machen?

PREUSS: Mein Ziel ist es, so schnell wie möglich in die Bundesliga zu kommen.

Bereust du manchmal, so viel Zeit in den Handball zu investieren?

PREUSS: Man muss natürlich Abstriche machen, kann nicht auf jede Party. Manche laden mich erst gar nicht ein, weil sie denken, ich muss sowieso zum Training. Viel Freizeit bleibt nicht. Man feiert dann halt eben eher die Siege nach den Spielen. Viel mehr ist nicht drin.

Das Gespräch führte Luca Balzer