Ärzte befürchten Kollaps wegen VirusKölner Kinderkrankenhaus an Kapazitätsgrenze

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Immer mehr Säuglinge und Kleinkinder werden mit dem RS-Virus in Kinderkliniken und Kinderkrankenhäuser behandelt.

Köln – Immer mehr Säuglinge und Kleinkinder werden mit dem RS-Virus in Kinderkliniken und Kinderkrankenhäuser in Nordrhein-Westfalen eingeliefert. Auch die Kölner Betten sind voll belegt. In einer Umfrage unter leitenden Kinder- und Jugendärzten an 200 Kinderkliniken in Deutschland befürchten nahezu alle Mediziner, dass sich der Bettenmangel wegen der Ausbreitung der Atemwegserkrankung, die vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern schwer verlaufen kann, in den kommenden Wochen vergrößert.

Kinder müssen wegen Bettenmangel verlegt werden

„Die Kinderkliniken sind zu 100 Prozent ausgelastet, das ist auch bei uns so und gilt auch für die Sauerstoffplätze“, sagt Prof. Michael Weiß, Ärztlicher Direktor im Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße. Aktuell werden in der Amsterdamer Straße rund zehn Baby und Kleinkinder mit dem RS-Virus stationär behandelt, acht davon mit Sauerstoffbedarf. „Jedes Kind, das mit Atemnot oder anderen akuten Symptomen kommt, wird aufgenommen. Es ist aber auch bei uns schon vorgekommen, dass wir einzelne Patienten in eine andere Klinik verlegen mussten“, sagt Weiß.

Nicht nur das Kinderkrankenhaus an der Amsterdamer Straße arbeite seit Wochen an der Kapazitätsgrenze: „So werden Kinder mit akuten Atemwegsinfektionen aus großen Nachbarstädten im Rheinland zugewiesen, wenn dort nicht genug freie Betten oder Sauerstoffplätze vorhanden sind.“

Corona-Pandemie begünstigt Ausbreitung

Das RS-Virus tritt in der Regel verstärkt ab Oktober auf und schwächt sich ab März, April stark ab. „In diesem Jahr hatten wir schon ab Ende August zahlreiche Fälle“, sagt Michael Weiß. Die hohen Infektionsraten seien auch mit dem Corona-Virus und den damit verbundenen Quarantänen verbunden.

Lange hätten die Kinder nur wenige Kontakte gehabt – und daher auch nur wenige Infektionskrankheiten. Das Immunsystem befinde sich daher bei vielen in keinem guten Trainingszustand. „Durch die Lockerung der Pandemie-Beschränkungen, wieder vermehrte Kontakte und eine gewisse Pandemiemüdigkeit ist es nach Schulbeginn offenbar zu einer erheblichen Virus-Zirkulation gekommen.“

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Im ersten Lebensjahr erkranken weltweit 5,6 von 1000 Kindern schwer, besonders von schweren und schwersten Verläufen betroffen sind Kinder mit Vorerkrankungen der Bronchien, Frühgeborene und Kinder mit angeborenem Herzfehler.

Eltern sollten mit Kindern sofort zum Arzt gehen

Eine mögliche Erkrankung mit dem sogenannten Respiratorischen Synzytial-Virus kann daran zu erkennen sein, dass vor allem Säuglinge und Kleinkinder angestrengt und schnell atmen, schlecht trinken und kaum essen, und dabei sehr matt wirken. Husten weist auf die Atemwegsinfektion; Fieber kann, muss aber nicht auftreten. „Bei solchen oder ähnlichen Symptomen sollten Eltern mit ihren Kindern unbedingt zum Kinderarzt gehen“, sagt Weiß.

Versorgungsengpass bei vier von fünf Kinderkliniken

Der Verband leitender Kinder- und Jugendärzte und Kinderchirurgen (VLKKD) befürchtet jetzt sogar „den Kollaps in den Kliniken für Kinder- und Jugendmedizin“. Verbandspräsident Andreas Trotter spricht von einer „erheblichen Herausforderung in den kommenden Wintermonaten“. Schon jetzt berichteten 78 Prozent der deutschen Kliniken von Versorgungsengpässen, die zu einem Aufnahmestopp von Kindern geführt haben.

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„Corona hat unsere Kinder nicht wirklich krank gemacht, aber mit dem RS-Virus wird es jetzt richtig ernst. Dieses Virus versteht keinen Spaß speziell mit jungen Kindern. Hochansteckend, schnell und teilweise sehr aggressiv ist das Virus unterwegs“ sagt der Generalsekretär des Verbands, Wolfgang Kölfen, und ergänzt: „Wir müssen all unsere medizinischen Ressourcen bereithalten, um diese anrollende Welle in den Griff zu bekommen.“

Appell an Gesundheitsminister

Als Problem erweise sich bei der Versorgung auch eine so genannte Personal-Untergrenzenverordnung, die sicherstellen soll, dass immer eine bestimmte Anzahl von Pflegekräften für die Patienten da ist –andernfalls muss das Krankenhaus Betten sperren. Aktuell halte nur noch jede vierte Kinderklinik diese Regelung ein – die anderen versorgen bereits mehr Kinder, als sie eigentlich dürften. „Für die kommende Wintersaison muss jetzt eine zeitnahe Regelung gefunden werden“ sagt Andreas Trotter. „Kranke Kinder abzuweisen und ihnen und ihren Eltern eine zum Teil gefährliche Odyssee zuzumuten, ist nicht nur unzumutbar für das Kind und seine Eltern, sondern kann im Einzelfall lebensbedrohlich werden!“

Der Verband fordert von Gesundheitsminister Jens Spahn, die Personalverordnung für einen befristeten Zeitraum auszusetzen. „Was wir den Erwachsenen in der Coronapandemie mit der Aussetzung der Regelung gewährt haben, muss jetzt auch selbstverständlich für unsere Kinder getan werden“ so Kölfen.

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