Leere Märkte, horrende PreisePapiermangel trifft Verlage und Druckereien

Der Papiermangel macht den Verlagen und Druckereien schwer zu schaffen.
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Köln/Hannover – Die Turbulenzen am Papiermarkt haben in den vergangenen Monaten dramatische Züge angenommen. Aus der Papier-Knappheit zu Beginn des Jahres ist ein Mangel geworden, der Druckern und Verlegern schwer zu schaffen macht. Der Mangel trifft Buchverlage, insbesondere aber die Medienunternehmen und Zeitungshäuser: Vor allem beim Zeitungspapier, das in der Regel aus Altpapier produziert wird, ist der Markt nahezu leer gefegt.
Anfang September berief der Bundesverband Druck und Medien ein bundesweites Online-Branchentreffen ein, weil er das nach Corona gerade erst wieder angelaufene Geschäft mit Zeitungen, Zeitschriften, Werbebeilagen und anderen Druckerzeugnissen gefährdet sah. Auf diesem Treffen brachten 330 Unternehmer der Druckindustrie und aus Verlagen ihre Sorgen zum Ausdruck.
Papiermangel bringt Ungewissheit für Branche
Die Ungewissheit in der Branche ist groß. Wann kommt die nächste Papierlieferung? Wie groß wird sie sein? Und auch: Wie teuer? Garantien zu Liefermengen und Terminen oder gar Preisen gibt es schon lange nicht mehr.
Während der Pandemie fiel der Umsatz in der Papierbranche nach Angaben des Verbands der Papierindustrie von 14,3 auf 12,7 Milliarden Euro. Die Ursache: Weniger Anzeigen in den Zeitungen machten die Produkte dünner, es wurde weniger Papier verbraucht.
Nun erholt sich die Wirtschaft langsam wieder, die Zeitungen könnten im normalen oder sogar erweitertem Umfang erscheinen, doch der Markt für grafisches Papier, aus dem Zeitungen, Plakate oder auch Aufkleber bestehen, ist so gut wie zusammengebrochen.
Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei Weitem. Wer noch Nachschub bekommt, muss dafür tief in die Tasche greifen: Der Tonnenpreis für Altpapier ist seit Jahresbeginn um 75 Prozent gestiegen. Im September lag er für gemischtes Altpapier bei 186 Euro und damit nahezu doppelt so hoch wie zu Jahresbeginn. Für hochwertige Sorten mussten sogar 234 Euro bezahlt werden.
Besorgniserregende Situation
„Die Situation ist besorgniserregend“, sagt Stephan Krauss, Vorsitzender des Bundesverbands des Deutschen Papiergroßhandels, im Gespräch mit dem Fachmagazin „Druck und Medien“. In den vergangenen Jahren seien erhebliche Kapazitäten vom Markt genommen worden. „Seit 2015 ist die Produktion wegen der sinkenden Auflagen bei Zeitungen und Zeitschriften stetig, aber recht gleichmäßig gesunken“, sagt Gregor Andreas Geiger, Sprecher des Verbands Papierindustrie. Daran habe sich die Branche kontinuierlich angepasst.
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Diese Entwicklung habe sich durch die in der Pandemie gesunkenen Papierpreise – aufgrund des geringeren Papierbedarfs – aber nochmals beschleunigt. Nach Angaben des Verbands der Papierindustrie wurden und werden zwischen 2019 und 2021 in Europa Produktionskapazitäten in Höhe von rund sieben Millionen Tonnen stillgelegt. Grafische Papiere, die für den Druck von Zeitungen und Büchern gebraucht werden, machen derzeit 21 Millionen Tonnen aus. 2011 waren es noch 37,5 Millionen.
Preis für Altpapier seit Jahresanfang verdoppelt
Sinkende Papierproduktion macht aber auch den Rohstoff Altpapier rar, aus dem Zeitungen hergestellt werden. Das wiederum hat Auswirkungen auf die Maschinen: „Teilweise wurden und werden wegen des Mangels an Altpapier Maschinen, die eigentlich ausgelastet wären, nicht betrieben. Der Preis für Altpapier hat sich seit Jahresanfang mehr als verdoppelt, und trotzdem ist die Versorgung extrem knapp“, sagt Geiger. Viele Hersteller haben außerdem umgesattelt und statt Zeitungspapier Verpackungspapier hergestellt.
Weiterhin würden „Papiermaschinen von grafischen Papieren auf Verpackungspapiere umgerüstet“, sagt Krauss vom Bundesverband des Deutschen Papiergroßhandels.Wellpappe statt Zeitungspapier. Das liegt vor allem am boomenden Onlinehandel: In der Corona-Krise stieg die Nachfrage nach Verpackungsmaterial und Fastfood-Geschirr, das früher aus Plastik hergestellt wurde, rasant an. Diese Nachfrage trifft auf einen Angebotsmarkt, der zuletzt deutlich geschrumpft ist. Ein Weg zurück zur Produktion von grafischem Papier könnte schleppend werden.
Denn: Dass der Onlinehandel nach Corona einen Einbruch erleben könnte, will so recht niemand glauben. Geiger geht davon aus, dass sich die Lage Anfang 2022 normalisieren wird. „Die meisten Verlage haben langfristige Lieferverträge abgeschlossen. Probleme werden vor allem die bekommen, die auf den Spot-Markt angewiesen sind“, also spontan einkaufen müssten. Dieser Markt sei „leergefegt“.
Viele Faktoren
Erschwerend komme hinzu, dass die Lieferanten aus Asien wegen der gestiegenen Inlandsnachfrage und schlecht verfügbarer Logistik-Kapazitäten weniger exportierten, so Stephan Krauss. „Insgesamt könnte man durchaus von einer Verkettung vieler unglücklicher Umstände und Faktoren sprechen. Die vielfältigen Ursachen zeigen aber auch, dass es nicht die einfache Lösung für die aktuelle Situation gibt.“
Beim Bundesverband des Papiergroßhandels befürchtet man, dass die Krise länger anhalten könnte. „Selbst wenn die Verfügbarkeit wieder besser werden sollte, gehe ich davon aus, dass die Papierpreise kostenbedingt hoch bleiben werden“, sagt Krauss. Allerdings, so sagen Branchenexperten, seien die Preise fast noch das geringste Problem.
Viel dramatischer für die Druckereien: Für 2022 sei nicht nur unklar, zu welchem Preis das Papier eingekauft werden könne, sondern ob überhaupt genügend Rohstoff ankomme. Die schlechte Planbarkeit führt zu einer weiteren Sorge: Druckereien fürchten, dass sie weitere Aufträge vor allem aus der Werbung an das Online-Geschäft verlieren könnten.