Das Café & Restaurant Marielle in Bad Münstereifel bekommt ab Oktober den bisherigen Küchenchef eines Sterne-Restaurants.
Expertenrunde in Bad MünstereifelHotels und Restaurants brauchen Entschlossenheit und Mut

Zu einem Gespräch über Gastronomie und Hotellerie in Bad Münstereifel hatten Marielle und Christopher Haep (vorne) eingeladen.
Copyright: Thomas Schmitz
Erst kam Corona, dann die Flutkatastrophe. Allerdings waren das nur Beschleuniger für den Niedergang der Hotels und Restaurants in der Region. In Bad Münstereifel bestanden die Probleme schon länger: Mit der von Horst Seehofer initiierten Gesundheitsreform veränderte sich Mitte der 90er-Jahre das Kurwesen drastisch. Es kamen weniger Gäste. Lange Zeit war Heinos Rathauscafé noch ein Besuchermagnet. Aber die Innenstadt starb aus. Die Wiederbelebung kam mit dem City-Outlet, das 2014 seine Pforten öffnete. Nach der Flutkatastrophe erfolgte der Wiederaufbau, der besonders in der Kernstadt schnell voranschritt. Es braucht an einigen Stellen aber noch Jahre, bis alles wiederhergestellt ist.
Die Hotel- und Restaurantlandschaft in der Kurstadt hat sich verändert. Längst sind es nicht mehr die großen Einrichtungen wie das Parkhotel oder das Golf-Hotel, in dem die Gäste unterkommen. Diese Häuser sind längst geschlossen oder sogar abgerissen. Vielmehr sind es die kleineren Betriebe wie das Boutique-Hotel Marielle, die gefragt sind. Deren Inhaber, Christopher und Marielle Haep, luden Akteure aus der Wirtschaft, der Gastronomie und der Politik ein, um aufzuzeigen, wie die Situation in Bad Münstereifel derzeit ist und welche Rolle der Tourismus dabei spielt.
Der Gastronom Günter Portz: Seit 49 Jahren in Bad Münstereifel
Seit 49 Jahren ist Günter Portz als Inhaber von Cafés und Restaurants in Bad Münstereifel selbstständig und er findet: Die Kurstadt gleicht gastronomisch „schon fast einer Diaspora“. Vor Jahrzehnten habe das anders ausgesehen. „Aber ich bin mittlerweile fast der einzige, der übrig geblieben ist“, sagt Portz. „Die Seele in der Gastronomie ist ein wenig auf der Strecke geblieben. Es gibt kaum noch Bezugspunkte. Dabei braucht es Namen, Leute, die ansprechbar sind.“ Was ihn aber freut, ist das Engagement durch den Wiederaufbau. „Die Flut war schrecklich“, sagt er, aber sie habe auch eine unvorstellbare Kraft freigesetzt. „Die Stadt war immer schön, aber jetzt sind die Mauern intakt, die Infrastruktur hat sich entwickelt, das hätte ich nicht zu träumen gewagt.“
Bad Münstereifel sei durch Heino berühmt gewesen. Plötzlich habe man die Stadt auch mit seinen Printen in Verbindung gebracht, und zwar weit über die Grenzen Deutschlands hinaus bis nach Mexiko, so Portz. Vor vier Jahrzehnten sei die Stadt mit Kurhaus, Parkhotel und Haus Tanneck hervorragend aufgestellt gewesen, habe weit über 1000 Betten gehabt. Doch nach der Gesundheitsreform sei der Einbruch gekommen und habe neue Herausforderungen mit sich gebracht.
Der Hoffnungsschimmer kam mit dem City-Outlet. „Die Stadt ist einzigartig und ein Vorzeigemodell“, findet Portz. Von ihr verlange man aber oft viel zu viel und viele Mitbewerber hätten sich in die falsche Richtung bewegt. Für ihn ist klar: Es braucht private Investitionen. „Das bringt etwas und führt zum Erfolg.“ Als Chef müsse man auch Vorbild sein. Er habe 49 Jahre lang eine Sieben-Tage-Woche gehabt. „Ich kann nur das anderen abverlangen, was ich selbst reinstecke“, so Portz.
Der Touristiker Patrick Schmidder kürt „die Perlen der Nordeifel“
Neben Monschau sei Bad Münstereifel die Perle der Nordeifel, findet Patrick Schmidder, Geschäftsführer der Nordeifel Tourismus GmbH. Es gebe intakte Fachwerkhäuser, das City Outlet habe der Stadt neues Leben eingehaucht, sie liege direkt im Grünen, habe tolle Wanderwege und Schwimmengehen könne man ebenfalls. Vier-Sterne-Hotels wie das Marielle oder auch Attraktionen wie die Therme in Euskirchen seien Leuchtturm-Angebote der Nordeifel. „Der Nationalpark Eifel hat die Region wachgeküsst“, ist sich Schmidder sicher. Junge Betriebe wie das Hotel Marielle gäben ihr ein neues, frisches und sympathisches Gesicht.
Die Wirtschaftsförderin Iris Poth: Tourismus als Wirtschaftsfaktor
Corona und die Flut hätten den Tourismus im Kreis Euskirchen zum Darniederliegen gebracht. Mittlerweile sei man aber fast wieder auf dem Niveau von 2019 angelangt, sagt Iris Poth, Leiterin der Struktur- und Wirtschaftsförderung im Kreis Euskirchen. Habe man 2019 noch eine Bruttowertschöpfung in Höhe von 350 Millionen Euro aus dem Tourismus erzielt, liege man aktuell rund 30 Millionen Euro darunter. „Beim ersten Gutachten aus dem Jahr 2010 lag die Bruttowertschöpfung noch bei 265 Millionen Euro“, erinnert sie sich.
Der Tourismus habe für den Kreis Euskirchen eine wahnsinnig große Bedeutung. Mit einigen Infrastruktur- und Ansiedlungsprojekten sei man hingegen auf Widerstand in der Bevölkerung gestoßen. „Bad Münstereifel hat etliche Betten verloren und wir sehen nicht, dass diese wiederkommen“, sagt Poth. Im gesamten Kreisgebiet gab es vor der Katastrophe 139 Betriebe mit mehr als zehn Betten. Diese Zahl ist auf 116 Betriebe geschrumpft.
„Wir brauchen Betten und neue Einrichtungen, und zwar im gesamten Kreis Euskirchen“, so Poth. Potenziellen Restaurant- und Hotelbesitzern rät sie, sich mit ihrer Stabsstelle in Verbindung zu setzen, um zu klären, ob es Zuschüsse vom Land gebe. „Wichtig ist: Wer etwas vorhat, soll das Gespräch mit uns suchen“, rät Iris Poth. Auch Tourismuswerkstätten hätten eine große Bedeutung.

Ab 1. Oktober hat Filip Czmok (r.) das Sagen in der Küche bei Marielle. Mit ihm arbeiten Charlie Burton und Sandra Markowska.
Copyright: Thomas Schmitz

Ein Blaubeeren-Dessert mit Dill und Gurke kredenzte Czmok den Gästen.
Copyright: Thomas Schmitz
Klar ist für sie auch: Ohne öffentlich finanzierte Infrastruktur geht es nicht. So haben man allein in die Eifelschleifen und den Eifelsteig drei Millionen Euro investiert. „Das Projekt hat geholfen, durch die Corona-Krise zu kommen“, sagt sie. Aktuell investiere man 3,6 Millionen Euro, um die Tourist-Infos zu Erlebniswelten aufzuwerten. In Bad Münstereifel werde das in der Stadtbibliothek realisiert. Auch Nettersheim oder Hellenthal würden verbessert. Man investiere außerdem in die Wasserburgenroute sowie in Rad- und Wanderwege.
Die Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian: Stadt kann sich neu erfinden
Die amtierende, aber scheidende Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian freut sich über augenscheinlich gute Zahlen. Die Übernachtungsdauer sei von durchschnittlich 2,7 auf 7,2 Tage gestiegen. „Bad Münstereifel kann sich immer neu erfinden, Mut und Entscheidungsfreude bringen einen weiter“, sagt die Landratskandidatin und kommt zu dem Schluss: „Wir lieben die Stadt und leben sie auch.“ Bad Münstereifel sei nach der Flutkatastrophe ohne Stillstand wieder ans Laufen gekommen.
Auch Bad Münstereifel habe öffentliche Fördergelder in Anspruch genommen, um Projekte aus dem Integrierten Stadtentwicklungskonzept umzusetzen. Diese Aufwertungen von bestimmten Bereichen dienten nicht nur Touristen, sondern auch der Bevölkerung. „Wir haben ein kulturelles Erbe mit der Kernstadt und es kostet viel Geld, dieses Kleinod zu erhalten“, sagt die Bürgermeisterin. Dankbar sein solle man, dass man in Bad Münstereifel auch schwimmen gehen kann. „Sollte das Eifelbad privatisiert werden, steht es Schulen vermutlich nicht mehr zur Verfügung“, so Preiser-Marian. Dabei müsse die Stadt nun das zweite Haushaltssicherungskonzept durchlaufen.
Seit Jahren habe man keine Flächen mehr für große Hotels. Stattdessen seien Betreiber oft Familienbetriebe. Angesichts steigender Übernachtungszahlen und Übernachtungsdauer sei man aber auf einem guten Weg. Sie bedauert, dass der Investor des Campingplatzes die Investition nicht geschafft hat.
Der Verbandsvorsitzende Patrick Rothkopf hofft auf eine Trendumkehr
„Die Aufbruchstimmung in Bad Münstereifel spürt man auch in Euskirchen“, sagt Patrick Rothkopf, Vorsitzender des Dehoga Nordrhein. Bürger und Verwaltung hätten Entschlossenheit, Mut und Leidenschaft gezeigt. Die Lage sei alles andere als rosig, deshalb sei es umso bemerkenswerter, wenn man die Gastronomie nach vorne bringe. „Wir freuen uns über jedes Geschäft, das neu aufmacht“, sagt der Hotelier aus Euskirchen. Die Branche habe „gelernt, sich in Leid zu suhlen“ und viele Punkte hätten es ihr auch nicht leicht gemacht, etwa die Energiekrise, der Krieg in der Ukraine, die gestiegenen Mindestlöhne. Die Kosten seien gestiegen. „Als Gastronom kommt man mit Preiserhöhungen nicht mehr nach“, sagt er. Als Verband habe man viele Schließungen registriert, man hoffe, dass sich der Trend umdrehe.
Corona habe zu einer massiven Abwanderung in den Betrieben geführt. Die Qualität der Nachfolger habe noch nicht das alte Niveau erreicht. Man brauche aber auch neue Angebote. Die duale Ausbildung sei ein Pfund, über die Qualität dieser Ausbildung müsse man aber reden. „Wir müssen den Turnaround schaffen. Das geht nicht nur über die Mitarbeiter, sondern auch über die Öffnungszeiten.“
Der Naturparkchef Manfred Poth kritisiert die Bürokratie
„Der Naturpark Nordeifel steht für sanften Tourismus“, sagt der Naturpark-Vorsitzende Manfred Poth. Mit funktionierenden Projekten halte man den Tourismus in der Diskussion. „Der Naturpark steht für Erfolg, mehr als eine Million Euro an Fördergeldern sind wegen ihm in die Region geflossen.“ Als erfolgreiche Projekte sieht er die Eifelblicke oder die Sternenparkregion.
Aus Sicht eines Nutzers sieht er aber auch noch Verbesserungspotenzial. Voller Ironie sagt er: „Die Gastronomie zeichnet sich durch Ruhetage und nicht gerade benutzerfreundliche Öffnungszeiten aus.“ Für Spontanessengeher wie ihn seien auch lange Reservierungszeiten ein Graus. „Ich muss eine Woche vorher wissen, ob ich eine Woche später Hunger habe“, so Poth.
Versorgungslücken in der Eifel könnten mit einem Automatensystem geschlossen werden. „Das ist allerdings nicht das, was ich mir als Nutzer vorstelle“, gibt Poth zu. Problematisch sei die Frage, wo man diese Automaten aufstelle. „Wir reden von Entbürokratisierung, aber wir schaffen es nicht, dass man einfach eine Bank an einem Wanderweg aufstellen kann. Das klappt auch mit den Automaten nicht, denn es besteht ein Landschaftsschutz.“ Stattdessen würden Automaten in besiedelten Bereichen aufgestellt. „Wir brauchen sie aber da, wo wir Durst haben“, und meint die Rad- und Wanderwege.
Filip Czmok wird neuer Küchenchef im Café & Restaurant Marielle
Das Café & Restaurant Marielle bekommt einen neuen Küchenchef. Ab dem 1. Oktober hat der in Mechernich mit seiner Frau und seinen zwei Kindern (3,5 Jahre und neun Monate) lebende Filip Czmok die kulinarische Verantwortung. Der aus Neuseeland stammende Charlie Burton, der aktuell die Geschicke leitet, wird dem Haus erhalten bleiben. Sandra Markowska ist die Nummer drei im Bunde.
Czmok kommt aus dem Sterne-Restaurant Bembergs Häuschen in Flamersheim. Dort hat der 38-Jährige 7,5 Jahre lang den von Oliver Röder erreichten Stern als Chef de Cuisine verteidigt. Der aus Halle/Saale stammende Koch steht in der Küche, seit er 15 Jahre alt war. In seiner Vita finden sich das Vendôme in Schloss Bensberg, das Dolder Grand in Zürich, die Huka Lodge in Neuseeland, sowie das Ox & Klee in Köln.
Den Kontakt zu seinem neuen Arbeitgeber hat Czmoks Frau hergestellt, die mit Restaurant-Inhaberin Marielle Haep eine gemeinsame Babygruppe besuchte. „Ich komme nicht als Aufbauhelfer hierhin, das Restaurant soll den nächsten Schritt machen“, beschreibt er seine Zielsetzung. Nicht das Erreichen eines Sterns stehe im Vordergrund (Czmok: „Das muss wachsen“), sondern vielmehr die Tatsache, Bad Münstereifel zurück auf die Karte zu setzen, denn die Stadt sei „kulinarisch ein bisschen eingeschlafen“.
Bad Münstereifel ist kulinarisch ein bisschen eingeschlafen.
Als die Inhaber von Bembergs Häuschen bekanntgaben, den Stern zurückzugeben und sich von der hochpreisigen Gourmetküche zu verabschieden – ein Schritt, der für Czmok absolut nachvollziehbar war –, stand für den Küchenchef fest, dass seine kulinarische Arbeit in Flamersheim zu Ende sei. Gedanklich hatte er sich schon mit einem Arbeitgeber in Köln oder Bonn abgefunden, als das Angebot aus Bad Münstereifel kam. Die Zusage erfolgte schnell. „Mit Christopher und Marielle habe ich Menschen gefunden, die Drive haben“, erklärt er.
Direkt zu seinem Antritt am 1. Oktober will er die Karte verändern, „damit kein Bruch hereinkommt“, erklärt Czmok. Als Küchenchef ist ihm wichtig, seine eigenen Ideen auf den Tisch zu bringen. Die Seele und den Charakter des bisherigen Restaurants will er aber beibehalten und vielmehr „noch einen draufsetzen“.
Der bisherige Koch Charlie Burton mache seit Jahren einen guten Job. „Ich war hier auch schon mal essen, ohne zu wissen, dass ich hier einmal arbeiten werde oder dass Marielle und meine Frau sich verbünden“, erzählt er lachend.