„Für Äpfel tut Toni alles“Bad Münstereifler züchtet seit vier Jahren Bisons in Esch

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„Für Äpfel tut Toni alles“, sagt Bisonzüchter Matthias Linden. Respekt haben Mensch und Tier voreinander, sonst würde es mit der Fütterung wohl nicht so friedlich klappen.

  • Bibi, Falla, Montana, Esmo und Toni. So heißen einige der Bisons, die Matthias Linden in Esch stehen hat.
  • Schon als kleiner Junge schwärmte er für das nordamerikanische Nationaltier.
  • Mit dem Kauf dreier Tiere fing vor vier Jahren alles an – und die Bisons fühlen sich in der Eifel pudelwohl.

Bad Münstereifel-Esch – Lockenmähne, dünne Beine, Dackelblick. Manchmal ist es schon verblüffend, wie ähnlich Hund und Herrchen sich sehen. „Spiegeleffekt“, nennen Neuropsychologen das Phänomen, das sowohl bei der Auswahl eines Haustiers, als auch bei der Partnerwahl eine unbewusste Rolle spielen kann. Ob es auch bei Landwirten und ihren Zuchttieren gewisse optische Parallelen gibt? Wer Matthias Linden beim Füttern seines Lieblings zusieht, kann sich des Eindrucks jedenfalls nicht ganz erwehren. Schwer zu sagen, wer respekteinflößender wirkt: Bisonzüchter Linden mit seinen knapp zwei Metern Größe – oder Toni, sein Zuchtbulle.

„Das muss auch so sein“, sagt Matthias Linden und lacht, dass die breite Brust nur so vibriert: „Wenn ich ein Winzling wäre, würde der Toni den Molli mit mir machen.“ Den Molli macht der Toni mit Matthias Linden eindeutig nicht. Auch, wenn der 600-Kilo-Koloss die Tüte mit den roten Äpfeln, die an Lindens Arm baumelt, mit einem Haps verschlingen könnte, wartet er brav, bis ihm ein Exemplar unter die dampfenden Nüstern gehalten wird. „Das ist unser Ritual“, erklärt Linden: „Für Äpfel tut Toni alles.“

„Sie bringt so schnell nichts aus der Ruhe“

Die Sonne lacht vom blauen Winterhimmel, trotzdem ist es kalt auf der matschigen Weide bei Esch. Während Toni den Apfel knatschend zermalmt, wird der Blick seines Besitzers weich. Kein Zweifel: Der Amerikanische Bison hat es Matthias Linden angetan. „Ich fand die Tiere schon als kleiner Junge toll“, schwärmt er, fischt den nächsten Apfel raus und wendet sich einem zottligen Kalb zu.

Nationaltier der USA

Der Bison ist das größte Landsäugetier Amerikas. Bisonbullen können bis zu 900 Kilo schwer und um die 1,80 Meter groß werden, Bisonkühe werden nicht ganz so groß und wiegen rund 300 Kilo weniger.

Wie die Kühe, ihre europäischen Verwandten, ernähren sich Amerikanische Bisons fast ausschließlich von Gräsern. Vor Ankunft der europäischen Siedler in Nordamerika soll es rund 30 Millionen wildlebende Tiere gegeben haben. Nach der exzessiven Bejagung wird die Gesamtzahl in USA und Kanada heute auf etwa 30000 geschätzt.

Im Mai 2016 unterzeichnete Präsident Barack Obama den National Bison Legacy Act, der den Amerikanischen Bison neben dem Weißkopfseeadler zum Nationaltier der Vereinigten Staaten von Amerika macht. Amerikanische Bisons bevorzugen kalte Temperaturen und Permafrostboden. Auch ein paar Monate Trockenheit machen ihnen nichts aus. (rtt)

Mit Cowboy- und Indianerfilmen, wie es ihm oft unterstellt werde, habe das aber nichts zu tun. Eher mit Tierdokumentationen aus Nordamerika und Kanada, die er gerne gesehen habe. „Ich mag die Entspanntheit, die Bisons ausstrahlen. Im Gegensatz zu unseren Kühen hier“, sagt Linden und deutet über das Höhengebiet, wo die in einiger Entfernung als schwarz-weiße Punkte erkennbar sind, „kann sie so schnell nichts aus der Ruhe bringen“. Was unterscheidet sie noch? „Einen Wirbel weniger hat der Bison als seine europäischen Verwandten. Daher der hohe Rücken mit dem Buckel.“

Kaltes Eifler Klima ist ideal für Bisons

Aus der Jugendschwärmerei des selbstständigen Tischlers wurde vor vier Jahren Ernst. Warum nicht einen Nebenerwerb starten, an dem man Spaß hat? Linden gab bei der Online-Pinnwand des Deutschen Bisonzuchtverbands eine Annonce auf: „Suche zwei bis drei Kühe und einen Bullen.“ Schnell meldete sich ein Landwirt aus Sachsen-Anhalt, der die Zucht aus privaten Gründen aufgeben musste. Zwei seiner Kühe und ein Bulle zogen nach Esch um.

Mit Erfolg: Im Münstereifeler Höhengebiet fühlte sich das Trio so pudelwohl, dass es mit dem Nachwuchs auf Anhieb klappte. „Inzwischen haben wir neun Bisons.“ Linden zeigt auf seine Tiere: „Bibi, Falla, Montana, Esmo, Anna, Toni, Billy und Enapay. Unseren Nachkommen haben wir indianische Namen gegeben, wie sich das gehört.“ Auch Bisons kein Dach über dem Kopf. „Innerhalb geschlossener Wänden drehen sie durch.“ Im Winter fühlten sich die Tiere mit dem Buckel besonders wohl, erklärt der Züchter. Da ähnelt das Eifeler Klima wohl am ehesten dem kanadischen. „Wenn es geschneit hat, flippen die Bisons aus“, sagt Linden und lacht: „Dann springen sie buckelnd vor Freude über die ganze Weide. Ein Anblick für die Götter ist das.“

120 Euro für ein Kilo Bison-Fleisch

Schwer zu glauben, wenn man die Kolosse träge vor sich hin kauend bei ihrem Unterstand verharren sieht. Matthias Linden schätzt, dass es am Tauwetter liegt, dass seiner Herde an diesem Tag mehr nach Dösen zumute ist. Über Nacht ist der Untergrund matschig geworden. „Harten Boden finden Bisons besser. Im Sommer, wenn es lange trocken ist oder im Winter, wenn es friert. Das entspricht eher ihrer Natur.“ Die Eifel ist eben doch nicht ganz die nordamerikanische Prärie.

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Linden klatscht Toni auf den voluminösen Hals. Auch wenn die buckligen Riesen ihm ans Herz gewachsen sind: Als Züchter muss er wirtschaftlich denken. Vier Sommer und vier Winter lang dürfen Kühe und Bullen das Eifelleben in vollen Zügen genießen.

Bison-Fleisch ist hierzulande selten, entsprechend teuer wird es gehandelt. Schmecken soll es wie eine Mischung aus Rind und Wild, dabei aber noch magerer sein als Hühnchen. Das hat seinen Preis: „120 Euro kann man für ein Kilo vom Filet verlangen“, weiß Linden. „Ein Kilo Hackfleisch, zum Beispiel für einen Bison-Burger, kostet etwa 17 Euro.“ Zum Vergleich: Für ein Kilo Rinderhackfleisch muss man etwa acht bis zehn Euro auf die Metzgertheke legen.

Traum von der freien Wildbahn

25 bis 30 Tiere möchten Linden und Sohn Florian eines Tages auf ihren Weiden stehen sehen. „Das wäre ein Traum.“ Ebenso wie eine Reise nach Kanada. „Amerikanische Bisons in freier Natur zu sehen, das wäre natürlich das Höchste.“

Der Beutel mit den Äpfeln ist nun leer. Matthias Linden ist fertig mit der Stallarbeit, es geht zurück in die Tischlerei. Spätestens in einer Woche wird er wiederkommen, zum Misten und Füttern. „Übrigens“, ruft er zum Abschied fröhlich: „Im Verein deutscher Bisonzüchter sehen wir alle so stattlich aus.“ Na, bitte. Scheint also doch was dran zu sein, an der Sache mit dem Spiegeleffekt.

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