Forstausschuss in Bad MünstereifelGibt es Artensterben in der Eifel oder nicht?

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Seltenes Mähen von Grünflächen nützt unter anderem Schmetterlingen .

Seltenes Mähen von Grünflächen nützt unter anderem Schmetterlingen .

Bad Münstereifel – Welche Auswirkungen hat die Wiesenmahd auf die Artenvielfalt? Und wie steht es überhaupt um die Grasflächen in Bad Münstereifel und im Kreis Euskirchen? Das erfuhren die Mitglieder des Forst-Ausschusses von zwei Experten: Dr. Andreas Pardey und Prof. Wolfgang Schumacher.

Zuvor hatten Bündnis 90/Die Grünen das Thema auf die Tagesordnung gebracht. Sie baten um Prüfung, ob die Stadt auf eigenen Pachtflächen mit der Mahd frühestens am 15. Juni beginnen, ob die Stadt den mindestens drei Meter breiten Wiesenrandstreifen an Pachtflächen nur einmal im Spätherbst mähen und ob die Wiesenmahd auf fünf bis zehn Prozent der verpachteten Flächen im Jahreswechsel ausgesetzt werden könne. Da damit für die Pächter Mindereinnahmen erwartet werden, bat die Fraktion außerdem um Prüfung, ob diese Ausfälle durch Förderungen oder Paten kompensiert werden könnten.

Arbeitskreis geplant

Um es vorweg zu nehmen: Eine Entscheidung des Ausschusses steht noch aus, da das Thema in die nächste Sitzungsperiode vertagt wurde. Außerdem wird auf Anraten von Bernhard Ohlert (CDU) ein Arbeitskreis gegründet, der sich mit genau diesen Themen auseinandersetzen und Ideen im Frühjahr 2023 präsentieren soll. Doch wie steht es nun um die Artenvielfalt in Stadt und Kreis? Dazu hatten die beiden Experten teilweise unterschiedlichen Ansichten.

Dr. Andreas Pardey sieht im Artenverlust eines der größten Risiken für den Fortbestand des Menschen. Früher waren in der Region artenreiche Wiesen, auf denen 40 bis 70 Arten von Flora und Fauna ihr Zuhause hatten, an der Tagesordnung. Heute findet man oft aber Vielschnittwiesen, sogenannte Grasacker, mit gerade einmal zehn bis 20 Arten. „Das artenreiche Grünland ist laut Ministerium von der vollständigen Vernichtung bedroht“, sagt Pardey. Arten ernährten sich teilweise von anderen Arten. „Das ist ein hochkomplexes System. Wenn man an einer kleinen Stellschraube dreht, ändert sich das System“, so Pardey. Er spricht von einem Rückgang von Arten und Tiermengen um 75 Prozent.

Anpassung von Pflege und Nutzung

Eine Lösung könne eine Anpassung von Pflege und Nutzung darstellen. Gemäht werden solle möglichst spät (zeitlich versetzt ab 15. Juli), gedüngt werden dürfe nur bei Nährstoffmangelsituationen, es sollten ungemähte Bereiche (sogenannte Säume und Inseln) belassen werden, die Schnitthöhe sollte auf mindestens zehn Zentimeter gesetzt werden und artenreiche Wiesen sollten mit dem Mahdgut anderer artenreicher Wiesen angereichert werden.

Als konkretes Beispiel nannte er die Schleidtalwiesen, wo die Mahd in Abhängigkeit der Nutzung stattfinden solle. Wie bisher zweimal pro Jahr etwa auf dem Volleyball-Feld, der Grillwiese und dem Spielplatz, nur noch einmal pro Jahr im Oberhang. Und es sollten Inseln und Säume belassen werden.

30 Jahre Vertragsnaturschutz

Prof. Wolfgang Schumacher warf einen Blick zurück auf 30 Jahre Vertragsnaturschutz. In dieser Zeit ist aus einigen Äckern Grünland geworden, beispielsweise rund um die Grube Toni zwischen Kalkar und Antweiler. Einigen Forderungen Pardeys widersprach Schumacher. Eine Schnitthöhe von mindestens zehn Zentimetern sei in der Historie, als Bauern noch mit Sensen gemäht hätten, auch nicht möglich gewesen. Eine Mahd erst ab 15. Juli würde dazu führen, dass Heu nicht mehr nutzbar sei. Daher empfiehlt Schumacher: „Man muss mit den Bauern reden.“

Die Aussage, dass die Artenvielfalt abgenommen hat, mag er so pauschal nicht stehen lassen. „Das Ministerium sollte nach Naturräumen differenzieren“, fand er, denn „in der Eifel ist einiges anders als in anderen Regionen.“ Ein Projekt, das er für das Ministerium begleitet hatte, habe sogar gezeigt, dass die Zahl der Arten in der Eifel zugenommen habe. Auch die Rote Liste von 2021 zeige für die Eifel eine niedrigere Gefährdungsstufe.

Man muss etwas tun

In Sachen Insektensterben könne man sich aber nicht rausziehen, fand Dr. Kerstin Oerter (Grüne), eine frühere Studentin Schumachers, in der folgenden Diskussion. Dem Einwand stimmte Schumacher sogar zu: „Auch wenn die Bilanz für Bad Münstereifel relativ positiv ausfällt, können wir nicht sagen, wir müssten nichts mehr tun.“

Die Politiker machten teils unterschiedliche Erfahrungen. Oerters Fraktionskollege Peter Schallenberg hat „ziemlich schlagartig keine Schmetterlinge“ mehr im Garten gesehen. Er vergleicht den Artenrückgang um 75 Prozent mit einem Asteroideneinschlag. Thomas Bell (Linke) hingegen hat erstmals seit Jahren wieder Schmetterlinge und Libellen im eigenen Garten beobachtet. Gleichzeitig schätzt er, dass nicht die Mahd, sondern vielmehr der Verlust von Flächen an Siedlungsbereiche ein Problem darstellt.

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Pardey erkennt unterschiedliche Betrachtungsweisen. In den von Schumacher genannten Naturschutzgebieten sei durchaus eine Artenvielfalt vorhanden. „In anderen Gebieten gibt es aber nur kleine Inseln. Und wenn die Masse der Inselchen abnimmt, haben wir ein Problem“, so Pardey. Selbst Arten, die früher extrem häufig vorkamen wie die Feldlerche und Spatzen, seien extrem selten geworden.

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