Jazz-ProduktionSo entstand das neue Album von Hans Peter Salentin aus Bad Münstereifel

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Hans Peter Salentin sitzt im Café Marielle in Bad Münstereifel auf einer rostigen Treppe, in seiner Hand hält er eine Mini-Trompete.

Das neue Album des Trompeters Hans Peter Salentin aus Bad Münstereifel entstand mit Musikern aus Kiew. Die Musik wurde per Datei ausgetauscht und in Wien zusammengefügt.

Ein Projekt mit Musikern aus der Ukraine hatte Hans Peter Salentin aus Bad Münstereifel geplant. Das drohte wegen des Krieges aber zu platzen.

Musik überschreitet Grenzen. Und das in vielerlei Hinsicht. Inhaltlich, wenn man an die Punk-Bewegung denkt, die Ende der 70er-Jahre aufkam. Die des guten Geschmacks, wobei jeder – und das ist das Schöne an Musik – für sich selbst bestimmen darf, was das bedeutet. Aber eben auch geografisch.

Gerade in der Pandemie, als Musiker sich nicht am gleichen Ort aufhalten konnten, hörte man immer wieder von Produktionen, bei denen Dateien ausgetauscht worden sind. Der Bad Münstereifeler Musiker, Trompeter und Musikprofessor Hans Peter Salentin hat genau so sein neues Album „Everything In Between“ erstellt. Geplant war es aber anders – und die Pandemie war nicht das große Problem.

Ukrainische Musiker gaben unter „verrückten Bedingungen“ Konzerte

Salentin nahm ein Album mit ukrainischen Musikern auf. Das sollte in Kiew selbst entstehen. „Das wäre eine Geschichte von einer Woche gewesen“, vermutet er. Doch dann kam der 24. Februar 2022, der Kriegsausbruch in der Ukraine. Und Salentin stellte sich die Frage: „Was machst du jetzt?“

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Das Projekt lag auf Eis. Doch als er registrierte, dass ukrainische Musiker drei Monate nach Kriegsbeginn „unter den verrücktesten Bedingungen“, wie Salentin es nennt, wieder Konzerte gaben (unter anderem in U-Bahn-Stationen), nahm er es wieder auf. „Der Krieg verändert Wertigkeiten“, kommentiert Salentin den Drang der Ukrainer zu musizieren. Sein Kontaktmann in Kiew war der Keyboarder und Produzent Rodion Ivanov, der für die Vorproduktion zuständig war.

Audiodateien zwischen Bad Münstereifel und Kiew gesendet

„Ich habe ihm die Noten geschickt, dann haben wir die Form, also die Grooves, festgelegt.“ Die Basis-Tracks kamen als Datei zurück nach Deutschland. Im Studio in Köln hat Salentin Melodien und Soli mit Trompete und Flügelhorn eingespielt. Danach gingen die Dateien an die Musiker Igor Zakus (Bass), Eugene Uvarov (Gitarre) und Sergey Yuzvik (Schlagzeug), die in Kiew ihre Parts aufnahmen, etwa Schlagzeug oder Gitarre. Musik ohne Grenzen halt.

Die Bedingungen waren nicht immer einfach. Mal gab es keinen Strom. Und aus dem 1700 Kilometer entfernten Bad Münstereifel konnte sich Salentin nicht immer ein Bild davon machen, was ganz aktuell in Kiew passierte. „Ich hatte morgens eine Mail geschickt und danach erst gelesen, dass in der ganzen Nacht Luftalarm in Kiew war. Das sind absurde Lebenswirklichkeiten.“

Zu Deutschland und der Ukraine gesellte sich auch noch Österreich

Zu Bad Münstereifel und Köln auf der einen Seite und Kiew auf der anderen Seite kam dann noch eine andere Stadt in einem anderen Land dazu: Wien in Österreich. Dort lebt seit einigen Jahren der aus Chile stammende Produzent Taato Gomez, der eine Zeit lang auch in Kleinbüllesheim gewohnt hat. Bereits vor 15 Jahren hatte dieser ein Album von Salentin produziert.

Gomez und dessen Gesamtvorstellung von Sound seien für seine Art von Musik perfekt, meinte der Trompeter. Per Handy schaltete sich Salentin aus Bad Münstereifel immer wieder dazu, lernte aber auch loszulassen, denn „auf Taato kann man sich im Großen und Ganzen voll verlassen. Man verlässt sich auf jemanden und vertraut ihm.“

Produzent Taato Gomez machte aus Puzzleteilen ein fertiges Bild

Der hatte in Wien keine einfache Aufgabe. Denn er musste die einzelnen Audio-Dateien alle zusammenfügen. „Das waren alles Puzzleteile. Und da kommt dann so ein Typ wie Taato ins Spiel, der daraus ein fertiges Bild formt.“ Für dieses Bild gab es von den Musikern dann das Feedback, das wiederum in die Produktion einfloss. Gemastert wurde die Platte schließlich von Manfred Struck in Bochum. Digital vertrieben wird das Album von CD Baby.

Doch was für eine Musik ist herausgekommen? Das Ziel waren Stücke im Sinne der GRP All-Star Big Band, die in den 80er- und 90er-Jahren populäre Jazz-Klassiker neu interpretierte. „Salopp könnte man die Musik auf ‚Everything In Between‘ Fahrstuhlmusik nennen, für mich ist es Wave“, so Salentin.

Kunst hat für Salentin in Kriegszeiten eine besondere Bedeutung

Viel wichtiger war ihm aber, wie die Musik wirkt. „Mein ukrainischer Bassist hat mit einem Orchester das Album ‚Unbreakable‘ aufgenommen, das ist voller Tiefe und Emotionalität, weil er seine Situation darauf verarbeitet“, beschreibt Salentin einen möglichen Ansatz. Doch genau den wollte er nicht verfolgen.

„Es sollte kein Album werden, dass die emotionale Seite des Krieges und die Betroffenheit der Leute darstellt, sondern eins, das sagt: Wir sind noch da! Wir haben den Kopf nicht in den Sand gesteckt.“ Kunst müsse veröffentlicht werden. Das habe in Kriegszeiten eine besondere Bedeutung. „Die Umstände der Entstehung soll man nicht hören. Das war unser Ziel.“

Hans Peter Salentin, „Everything In Between“, erschienen am 16. Juni 2023 nur digital, zu hören über Streamingdienste und YouTube.

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