Tischlerkurse in Bad MünstereifelVom CD-Regal bis zur Truhe

In einem der Kurse des Tischlermeisters entstand diese Schubkarre.
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Bad Münstereifel – Heimwerker gibt’s wie Sand am Meer. Warum viel Geld für einen Fachmann ausgeben, wenn man selber für kleine Maus etwas bauen oder reparieren kann. So scheinen jedenfalls viele zu denken, wenn man beobachtet, was samstags aus Baumärkten rausgekarrt wird.
Doch wie sieht es unter dem Strich mit der Qualität aus, wenn „Bastel-Friedel“ zum Werkzeug greift? Da hapert es dann doch ein ums andere Mal. Gut gedacht ist eben noch lange nicht gut gemacht.
Holzbautechnisches Neuland betreten
Das sieht auch Guido Henn so. Der Tischlermeister aus Houverath weiß aber auch, dass man mit dem richtigen Werkzeug und guter Anleitung ohne jahrelange Ausbildung tolle, ja fast meisterhafte Stücke anfertigen kann. Er zeigt, wie es richtig geht. Seine Bauplanthemen erscheinen unter anderem in den Magazinen „Selbst ist der Mann“, „HolzWerken“ und „Holzidee“. Da erklärt der 49-Jährige in Wort und Bild, wie man etwa einen Schaukelstuhl, ein CD-Regal oder eine Truhe mit Runddeckel baut. Oder auch, wie man laut Henn „einen Ikea-Schrank aufmotzt“. Als Möbelstück von der Stange ist er danach nicht mehr zu erkennen.
Ein bisschen handwerkliches Geschick und einen gewissen Maschinenpark sollte derjenige, der sich von Henn anleiten lassen will, aber schon mitbringen. Holzbautechnisches Neuland wird er eh betreten, wenn es da beispielsweise heißt: „Starten Sie mit den Korpus-Seiten: Die 6 x 40er Dominos werden mit einer Schablone (Aussparung: 40 x 17 mm) zuerst stirnseitig in die Querrahmen eingefräst. Mit der 17er Kopierhülse entstehen so die passenden Domino-Schlitze. Anschließend fräsen Sie die Schlitze in die aufrechten Rahmenhölzer.“
So lautet der erste Schritt zum Bau einer Anrichte aus heimischem Kirschbaum mit federleichten, papierbespannten Türen. Das Möbelstück ist japanisch angehaucht, und manch einer mag bei der ersten Arbeitsanweisung auch nur Japanisch für Tischler verstehen. Aber keine Angst: Wer am Ende Arbeitsschritt 33 erfolgreich absolviert hat, der darf stolz auf ein attraktives Werkstück blicken, das es so eben nicht tausendfach gibt, wie etwa eine Anrichte aus dem Möbelhaus.
Doch wie kommt einer wie Guido Henn, der das Tischlerhandwerk von der Pike auf gelernt hat, eigentlich dazu, ein Selbstbauthema nach dem anderen zu entwickeln? Schuld daran ist eigentlich RTL. Beim Kölner Fernsehsender gab es Ende der 80er-Jahre eine Sendung mit dem Titel „Gewusst wie“. Vorgestellt wurden stets Themen für Selbermacher. 1989 übernahmen Guido Henn und sein Bruder Walter, der den Kontakt zum Sender hergestellt hatte, den Job vor der Kamera von ihren Vorgängern. Im Oktober 1990 war für dieses Sendeformat allerdings schon wieder Schluss.
Was blieb, waren viele Kontakte und die Idee, Komplettthemen mit Texten, Fotos und Zeichnungen zu vermarkten. Einschlägige Magazine standen auf Anhieb Schlange. Selbst in die Vereinigten Staaten konnte Henn seine Selbstbauideen verkaufen. In „Fine Woodworking“ etwa war er mit seiner Fingerzinkenvorrichtung vertreten, in „Woodworker’s Journal“ mit einem mobilen Frästisch.
Im Jahr 1991 gab Guido Henn darüber hinaus für die Deutsche Heimwerker-Akademie seinen ersten Kursus; bis 1998 zehn bis 15 pro Jahr. Kursort war stets Houverath, wo Henn in einem Gebäude hinter der eigentlichen Schreinerei seine Eleven anleitete. Dort waren ein Seminarraum und eine Lehrwerkstatt entstanden.
Festool, ein Hersteller von Premium-Werkzeugen, klopfte im Jahr 2000 an Henns Tür. „»Wollen Sie nicht zu uns kommen«, haben die mich gefragt“, erzählt der 49-Jährige. Und ob er wollte. Ihm wurden unter anderem sämtliche notwendigen Maschinen für die Kurse zur Verfügung gestellt, und er schrieb für Festool ein 32-seitiges Heft über die Handhabung einer Oberfräse.
Das wiederum war die Initialzündung für Henns erstes gebundenes Buch: das „Handbuch Oberfräse“ aus der Reihe „Werkstattwissen für Holzwerker“. Seit Oktober 2010 sind mittlerweile in vierter Auflage mehr als 10 000 Exemplare verkauft worden – für ein solches Sachbuch eine fast schon sensationelle Zahl. Auch für dieses Buch hat Henn die gesamten Texte geschrieben, die Fotos geschossen und die Zeichnungen gemacht. Zudem eine DVD von zwei Stunden Spielzeit gedreht, die den kreativen Handwerker bei der Arbeit mit der Oberfräse zeigt. Selbst das Layout geht auf Henns Kappe.
„Im nächsten Jahr erscheint das Oberfräsenbuch auf Französisch“, berichtet der Fachjournalist nicht ohne Stolz. Immerhin sei es das erste Buch seines Verlages, das in Lizenz an einen ausländischen Verlag verkauft worden sei.
Henns neuestes Werk ist seit sechs Wochen auf dem Markt. Und in dieser Zeit sind bereits 1000 Exemplare über Internethändler und Büchereien verkauft worden. „Handbuch Elektrowerkzeuge“ heißt das 384 Seiten dicke Buch, das Heimwerkern die sichere und korrekte Anwendung aller geläufigen mobilen Maschinen im Holzbereich verdeutlicht. Auch in diesem Fall: Henn war Autor, Fotograf, Kameramann und Layouter.
Rund ein Jahr dauert es, bis der gebürtige Houverather, der heute im Nachbarort Scheuren wohnt, ein Buch fertig hat. Die wenigste Zeit davon verbringt er in seiner Werkstatt an der Limbacher Straße. „Der überwiegende Teil der Arbeit findet am heimischen PC in Scheuren statt“, erzählt Henn.
Eine konkrete Idee für ein neues Buch hat er auch schon. Es wird darin um stationäre Maschinen gehen, große Formatsägen etwa. „Da gibt es in Deutschland noch kein gutes Buch“, weiß Henn. Und eins ist sicher: Es wird garantiert nicht sein letztes Buch sein. An Anregungen und Kreativität mangelt es dem 49-Jährigen nämlich keineswegs.
Guido Henn, Handbuch Elektrowerkzeuge – Sägen, Schleifen, Bohren, Verlag Vincentz Network, 384 Seiten, ISBN: 9783866309692, 49,90 Euro