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MahnmalVon der SS ermordet: Neues Gedenkkreuz für polnische Zwangsarbeiter in Lommersdorf

Lesezeit 5 Minuten
Aneta und Pjotr Jagans sowie Jochen Kirwel stehen neben dem Gedenkkreuz.

Ein wichtiger Moment war die Einweihung des neuen Kreuzes für Aneta Jagans, deren Ehemann Pjotr (l.) und Jochen Kirwel.

Wladyslaw Staniszewski wurde nur 30 Jahre alt. Die SS ermordete ihn, weil er eine Beziehung mit einer Lommersdorferin hatte. 

„Ein Mensch ist nicht tot, solange man noch an ihn erinnert“ – Pjotr Jagans, Großneffe des im Alter von 30 Jahren von der SS am 30. Oktober 1942 erhängten polnischen Zwangsarbeiters Wladyslaw Staniszewski, fand am neuen Gedenkkreuz bewegende Worte. Er und seine Frau Aneta waren aus dem polnischen Lowicz auf Einladung des Blankenheimer Lehrers Markus M. Schmitz an den Ortsrand von Lommersdorf gekommen.

Wladyslaw Staniszewski wurde in die Eifel verschleppt

Schmitz hatte schon 2010, damals noch als Realschullehrer, mit Schülern die Geschichte des Gedenkkreuzes recherchiert. Vor kurzem war es zum dritten Mal erneuert worden. Die Kreissparkasse Euskirchen, der Burgenverein Blankenheim und die Lommersdorfer Schreinerei Andreas Ehlen hatten das möglich gemacht.

Unterstützung erhielt das Projekt auch durch den Bauhof der Gemeinde Blankenheim und die Dorfgemeinschaft Lommersdorf mit Ortsvorsteher David Dreimüller. Aneta und Pjotr Jagans, dazu Landrat Markus Ramers, Blankenheims Bürgermeisterin Jennifer Meuren, Markus M. Schmitz und rund 80 Lommersdorfer waren am Samstag nach einem Gottesdienst in der Lommersdorfer Pfarrkirche zur Gedenkfeierstunde gekommen. „Dieses Kreuz soll für uns nicht nur ein Mahnmal sein, sondern auch ein Ort der Menschlichkeit“, sagte Ramers.

Das Bild von der Einweihung des Kreuzes zeigt einen Teil der Anwesenden.

Zahlreiche Lommersdorfer waren zur Einweihung des neuen Gedenkkreuzes gekommen.

Was war in den Tagen vor der Hinrichtung des 30-jährigen Wladyslaw Staniszewski in Lommersdorf geschehen? Wessen wurde er beschuldigt? Darüber herrschte viele Jahre lang Unklarheit, auch weil in der Nachkriegszeit, nicht nur in Lommersdorf, vieles totgeschwiegen oder gar geleugnet wurde.

Die Fakten kamen nach und nach durch die Recherche der Klasse von Markus M. Schmitz ans Licht. Demnach ist zwar immer noch unbekannt, wann der 1912 im polnischen Lowicz geborene Wladyslaw Staniszewski in die Eifel von Wehrmacht oder SS verschleppt wurde.

Ein Mensch ist nicht tot, solange man noch an ihn erinnert.
Pjotr Jagans, Großneffe von Wladyslaw Staniszewski

Aber im Winter 1941/42 arbeitete der damals 29-Jährige nachweislich als Zwangsarbeiter auf dem Lommersdorfer Bauernhof der Familie von Peter Marjan. Nicht nur für den Westwallbau von der Wehrmacht, sondern auch für private Arbeitsdienste konnten Zwangsarbeiter von der Bevölkerung „angefordert“ werden. Das geschah nicht nur in Lommersdorf.

Auf dem Marjan-Hof lernten sich der junge Pole und Anna Marjan, geborene Kirwel, Schwiegertochter des Hofbesitzers, kennen. Die beiden begannen ein Liebesverhältnis. Aus Sicht der NS-Rassenideologen war das ein schweres Verbrechen, das offenbar, aus welchen Gründen auch immer, nicht verborgen blieb.

Die Nationalsozialisten wollten mit der Hinrichtung ein Exempel statuieren

Am 13. Januar 1942 wurde Wladyslaw Staniszewski auf Veranlassung der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) verhaftet und zunächst ins Gefängnis in Blankenheim gebracht, anschließend folgte die Überstellung ins Aachener Gefängnis.

Um ein Exempel zu statuieren, kam die Inhaftierung Staniszewskis der SS offenbar gerade recht. Sie ordnete an, die Hinrichtung am Galgen öffentlich vorzunehmen. Für die anderen polnischen Zwangsarbeiter in der Region bestand Anwesenheitspflicht.

Auch einige Lommersdorfer waren offenbar unter den Zuschauern, wie nachgeborene Verwandte damaliger Zeitzeugen am Rand der Gedenkkreuzeinweihung auf Nachfrage bestätigten. Die Leiche Staniszewskis wurde zur Sektion in das Anatomische Institut der Universität Bonn gebracht, seine sterblichen Überreste sind auf dem Bonner Nordfriedhof, Feld XIX, Reihe 4, Nr. 37, beigesetzt.

Ein Blatt mit der Überschrift Polenkreuz Lommersdorf und einem QR-Code hängt an einem Holzstab.

Ein Hinweisschild enthält einen QR-Code für weitere Informationen zur Geschichte des Kreuzes.

„Die Inschrift auf der Grabplatte ist in kyrillischer Schrift verfasst, weil man Herrn Staniszewski wohl irrtümlich für einen Russen hielt“, so Markus M. Schmitz.

Anna Marjan wurde ebenfalls verhaftet und zunächst auch im Aachener Gefängnis inhaftiert, bevor sie ins KZ Ravensbrück deportiert wurde. Um sie zu demütigen, wurden ihr die Kopfhaare abgeschnitten. Doch sie überlebte das KZ. „Sie verstarb 1991“, so ihr Großneffe Jochen Kirwel aus Ahrhütte. Auch er war zur Einweihungsfeier des neuen „Polenkreuzes“ nach Lommersdorf gekommen. „Es ist schön, dass die beiden so über das Kreuz wieder vereint sind“, so Kirwel.

Bereits 1945 wurde ein „Polenkreuz“ in Lommersdorf aufgestellt

Und auch für Aneta Jagans hat sich nun „ein Kreis geschlossen“. Für die Lommersdorfer Zeitgeschichte ist ein lange eher verschwiegenes Kapitel erhellt worden. Nach Kriegsende war mutmaßlich von anderen polnischen Zwangsarbeitern in Lommersdorf, die überlebt hatten, das erste, von der Dorfbevölkerung später so genannte „Polenkreuz“ errichtet worden. Es wurde am 26. April 1945 in Anwesenheit des damaligen Pfarrers Spülbeck eingesegnet, geriet aber an der heute schlecht einsehbaren Örtlichkeit in Vergessenheit – ein Schwarz-Weiß-Foto von der Einweihungsfeier existiert noch.

Der Lehrer zeigt ein Foto, das die Errichtung des nach Kriegsende errichteten Kreuzes zeigt.

Lehrer Markus M. Schmitz aus Blankenheim hatte schon vor 15 Jahren mit seiner Schulkasse die Hintergründe der Ermordung von Wladyslaw Staniszewski recherchiert. Er hat ein Foto von der Aufstellung des ersten Kreuzes kurz nach Kriegsende durch offenbar überlebende Zwangsarbeiter gefunden.

Auch eine vonseiten der Staatsanwaltschaft Aachen im August 1996 eingeleitete Ermittlung in der Mordsache wurde schon am 18. November des Jahres als „ergebnislos“ abgeschlossen. Am 21. November 2010, immerhin 14 Jahre später, wurde dann das zweite Kreuz anstelle des offenbar zwischenzeitlich verfallenen mit einer Gedenktafel eingeweiht. Es war aber wohl nach weiteren 15 Jahren ebenfalls in so schlechtem Zustand, dass es jetzt seinerseits ausgetauscht worden ist.

Ein QR-Code führt zu der Geschichte rund um das Gedenkkreuz

Die Einsegnung nahm Jean Elex Normil, Priesterlicher Mitarbeiter im Pastoralen Raum Blankenheim/Dahlem vor. Statt einer neuen Gedenktafel wurde ein Hinweis mit QR-Code zu weiteren Informationen neben dem Kreuz an einem Pfahl befestigt.

Wladyslaw Staniszweski war einer von mehr als 10.000 ausländischen Zwangsarbeitern und Kriegsgefangenen, die im Gebiet des heutigen Kreis Euskirchen eingesetzt worden waren.

600 von ihnen starben währenddessen. Um daran und an das Schicksal des 30-jährigen Polen Wladyslaw Staniszweski zu erinnern, sollte das neue Gedenkkreuz sichtbar gemacht werden können: Am von der Aremberger Straße abbiegenden unscheinbaren Feldweg, der knapp 50 Meter hoch zum Gedenkkreuz am Waldrand führt, soll ein Hinweisschild die Auffindbarkeit erleichtern.