Hürden für Energiewende„1000 Windräder in fünf Jahren – das ist völlig unrealistisch“

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220 Meter hoch: Der Bau der Windräder im Wald schreitet voran.

  • Die Eifel-Gemeinde Dahlem stellt ihren Windpark fertig, der künftig Strom für 200.000 Menschen liefert.
  • „Wir haben unseren vollständigen Beitrag zur Energiewende geleistet“, sagt Bürgermeister Jan Lembach.
  • Wie die zweitkleinste Gemeinde NRWs die Energiewende geschafft hat und welche Hürden es gab, lesen Sie hier.

Dahlem – Jan Lembach (57) liebt den Wald mit Inbrunst. Immer. Doch in diesen Tagen verspürt der Bürgermeister von Dahlem im Kreis Euskirchen fast noch ein bisschen mehr Enthusiasmus für den Forst. Lembach durchstreift das 3000 Hektar große kommunale Waldgebiet der 4300-Einwohner-Gemeinde in NRW, um an Ort und Stelle zu schauen, wie die nächsten Windräder im Rotbachtal in den Himmel wachsen.

Bald werden es 21 sein - und die zweitkleinste Gemeinde NRWs wird damit den größten Windpark in einem Wald des Bundeslandes beheimaten. „Wir werden für rund 200.000 Menschen Windstrom produzieren. Das ist rund 50-mal mehr, als wir für unsere Bevölkerung brauchen“, sagt Lembach. „Wir haben unseren vollständigen Beitrag zur Energiewende geleistet.“

Dahlem gilt als Musterschüler der Windenergie

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Dahlems Bürgermeister Jan Lembach (CDU)

Das ist unbestritten. Die Gemeinde ist der Musterschüler der Windenergie. „Wenn alle Städte und Gemeinden unseren alternativlosen Weg früher gegangen wären, hätten wir gemeinsam schon viel für die lebensnotwendige Energiewende getan“, sagt der CDU-Politiker. „Und die aktuelle Energieproblematik im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg und den Sanktionen wäre kaum relevant.“

Vor zehn Jahren hat man in Dahlem damit begonnen, den Ausbau der Windkraft voranzutreiben und sei, sagt der Bürgermeister, damals auf breite Zustimmung gestoßen. „Das war schon ziemlich einmalig, dass die Gemeinde das ohne große Proteste mitgemacht hat.“

Die Bedingungen seien im Vergleich zu anderen Regionen Deutschlands aber auch ideal. 2012 standen bereits drei Windräder auf dem Metzinger Berg.

Windräder weit entfernt von Ortschaften

Die neuen Anlagen wurden so geplant, dass sie mitten im Wald und relativ weit weg von den sechs Ortschaften der Gemeinde liegen. „Mit den Abstandsregelungen haben wir hier keine Probleme“, sagt Lembach.

Und dann startet Dahlem die Energiewende: Die Gemeinde entwirft einen Flächennutzungsplan, will im Norden eine Windkonzentrationszone ausweisen. Man sucht und findet in Trier ein mittelständisches Unternehmen, das in den neuen Windpark investieren will, wohl wissend, dass es bei den komplizierten Genehmigungsverfahren trotz der hohen Akzeptanz in der Bevölkerung Probleme geben könnte.

Vier Jahre bis zum Bau der ersten Anlagen

Auf die erste Hürde für die geplanten zehn Windräder im Baasemer Wald stößt man bei der Bezirksregierung Köln. „Wir sind mit unserem Wunsch, eine Konzentrationszone auszuweisen, an der Regionalplanung der Bezirksregierung gescheitert. Da gab es immer wieder Nachfragen“, so der Bürgermeister. „Also haben wir diesen Plan aufgegeben und entschieden, Einzelanträge für jedes Windrad zu stellen.“

Weil die nach der Bundesimmissionsschutzverordnung genehmigt werden können, ist die Bezirksregierung aus dem Rennen, der Kreis Euskirchen übernimmt. Dort sind die Genehmigungen kein Problem.

Vier Jahre nach dem Ratsbeschluss drückt der damalige grüne Umweltminister Johannes Remmel im Dezember 2016 auf den roten Knopf und nimmt die zehn Windräder der Anlagen Dahlem I bis III in Betrieb. „Wir können auf gute Standorte in unseren Wäldern nicht verzichten“, sagt Remmel bei der Eröffnung.

Das sieht die Gemeinde ähnlich, beginnt wenig später unter dem Arbeitstitel Dahlem IV mit der Planung fünf weiterer Windräder und stößt damit auf heftigen Widerstand.

Naturschützer reichen Klage gegen Dahlem V ein

Nachdem der Kreis Euskirchen Anfang 2017 die Baugenehmigung erteilt hat, reichen der Naturschutzbund (Nabu) und die Naturschutzinitiative Klagen ein, die im Juli 2017 zu einem Baustopp führen, der 32 Monate andauern und die Gerichte beschäftigen wird.

Es geht um den Artenschutz, konkret um den Lebensraum der Wildkatze, die Brutgebiete des Schwarzstorchs und den Rotmilan, der, so fürchten die Naturschützer, durch die Rotoren einem erhöhten Tötungsrisiko ausgesetzt sei.

Das Verwaltungsgericht Aachen verhängt einen vorläufigen Inbetriebnahme-Stopp, der Investor Duno-Air schätzt den Schaden auf einen zweistelligen Millionenbetrag. Es dauert vier Jahre, bis das Oberverwaltungsgericht Münster den Weiterbau genehmigt.

Gemeinde profitiert von den Pachteinnahmen

„Zum Glück haben wir 2012 die Entscheidung getroffen, beim Bau der Anlagen auf einen Investor zu setzen, weil eine kleine Gemeinde so ein Projekt gar nicht stemmen kann“, sagt Bürgermeister Lembach. „Mit Dahlem IV wäre die GmbH fast in Konkurs gegangen. Ich hätte meinen Bürgern niemals erklären können, dass wir fast eine Million Euro an Bereitstellungszinsen zahlen müssen, weil wir wegen des Baustopps die Kredite nicht abrufen können.“

Die Gemeinde profitiert von den Windrädern ausschließlich über die Pacht für die Grundstücke, auf denen sie stehen. Das sind rund 1,5 Millionen Euro pro Jahr – bei einem Haushalt von 13 Millionen Euro.

Inzwischen sind drei der fünf Windräder in Betrieb, zwei weitere in Bau. Und die Genehmigung für Dahlem V mit drei weiteren Anlagen liegt auf dem Tisch. Sie sollen 2023 in Betrieb gehen. Alle haben eine Gesamthöhe von 228 Metern.

Diese letzte Genehmigung für Dahlem V ist aus Sicht der Naturschützer ein Schlag ins Gesicht. Die Gegner der Windräder fühlen sich angesichts der Energiekrise zunehmend in der Defensive. „Die Berichterstattung fällt selten zugunsten des Arten- und Naturschutzes aus“, sagt Claudia Rapp-Lange, Sprecherin der Naturschutzinitiative (NI) im Kreis Euskirchen.

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Die Naturschutzinitiative habe auch Klage gegen Dahlem V eingereicht. Fristgerecht vier Wochen nach Erteilung der Baugenehmigung. Die Begründung sei wie bei Dahlem IV der Artenschutz. „Die drei geplanten Anlagen von Dahlem V liegen genau zwischen den Windrädern von Dahlem IV“, sagt Rapp-Lange. Folglich habe man dieselben artenschutzrechtlichen Aspekte. Das Rotbachtal sei damals zum Schutz der Wildkatze explizit ausgespart worden, „weil dort deren Wanderkorridore entlanglaufen.“

Jetzt habe der Kreis Euskirchen an genau diesen Standorten Dahlem V genehmigt. „Das widerspricht sich selbst.“ Beide Anlagen stünden überdies „im Schwerpunktvorkommen der Schwarzstörche. Die brüten in diesem Wald. Das ist ihr Lebensraum. Wenn ich die Anlagen so dicht nebeneinandersetze, dass sie kaum noch durchfliegen können, beeinträchtige ich ihren Lebensraum. Das gilt im Übrigen auch für die Rot-Milane.“

Im Vergleich sehr umweltfreundlich

Bürgermeister Lembach versteht nicht, „warum man meint, dass ausgerechnet Windräder keine ökologischen Beeinträchtigungen nach sich ziehen sollen. 40 Kilometer Luftlinie von hier ist Europas größtes Loch entstanden, als Folge der Braunkohle. Das wird noch in Jahrtausenden da sein, vielleicht mit Wasser gefüllt. 60 Kilometer in die andere Richtung steht der Atommeiler Thiange in Belgien, das ist auch nicht so schön“, sagt er. „Die Frage ist doch: Welche Energieform richtet den geringsten Schaden an?“

In Dahlem hat man die Antwort gegeben, die Windenergie sei vergleichsweise umweltverträglich. Und deshalb hat Lembach die vom Bund geforderten zwei Prozent des Gemeindegrunds für die Erzeugung von Windstrom freigegeben.

„Sicher, die neuen Windräder sind 220 Meter hoch. Aber auch hier warten doch alle nur darauf, bis wir Energie vernünftig speichern können oder die Energieerzeugung auf anderem Wege möglich ist“, sagt Lembach. Dann werden die Räder abgebaut und im Wald wird nichts mehr an sie erinnern. Das letzte kommt dann ins Freilichtmuseum nach Kommern.“

Eines, so Lembach, hätten ihn die vergangenen zehn Jahre aber gelehrt. 1000 neue Windräder binnen fünf Jahren in NRW seien auch bei verbesserten Rahmenbedingungen „vollkommen unrealistisch“.

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