„Wir sind nicht nur bei Streit da“Das ist der neue Euskirchener Amtsgerichtsdirektor

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt

Nach fünf Jahren zurück in Euskirchen: Daniel Radke. 

Euskirchen – Daniel Radke hat als Nachfolger von Petra Strothmann-Schiprowski die Leitung des Euskircheners Amtsgerichts übernommen. Johannes Bühl sprach mit dem neuen Direktor über seine Arbeit, über Wünsche und Herausforderungen.

Herr Radke, wie waren Ihre ersten Wochen in Euskirchen?

Radke: Ich bin von allen im Haus herzlich begrüßt worden. Für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter war es ja ein Wiedersehen. Sie waren schon hier, als ich von 2011 bis 2017 stellvertretender Direktor war. Der freundliche Empfang hat mir den Einstieg leicht gemacht.

Gab es Besonderheiten?

Ja, die allgemeine Situation für viele Mitarbeitenden ist – wie für viele in der Bevölkerung – schwierig, vor allem für diejenigen, die im privaten Umfeld immer noch unter den Folgen der Flutkatastrophe leiden und sich beispielsweise nach wie vor um die Renovierung ihres Hauses kümmern müssen. Andere müssen die Auswirkungen von Corona bewältigen. Wieder andere machen sich Sorgen wegen der drohenden Energiekrise.

Wie nehmen Sie nach Ihrer Rückkehr die Euskirchener Innenstadt wahr?

Die Wunden, die die Flut hinterlassen hat, sind an vielen Stellen noch zu erkennen. Es ist aber schön zu sehen, dass das Leben in die Stadt zurückgekehrt ist. Euskirchen ist auf einem guten Weg, glaube ich.

Wie blicken Sie auf Siegburg zurück, wo Sie bis zu Ihrem Wechsel tätig waren?

Es war eine gewinnbringende Zeit. Jedes Gericht hat seine Eigenarten, sodass man überall neue Erfahrungen sammelt und dazulernt. Das Besondere am Amtsgericht Euskirchen jedoch ist das dem Gericht angeschlossene Zentrale Mahngericht, eines von nur zweien seiner Art in ganz Nordrhein-Westfalen. Wir sind für den gesamten Bezirk des Oberlandesgerichts Köln zuständig. 2021 sind hier rund 300 000 Mahnverfahren abgewickelt worden, hinter denen sich Forderungen mit einem Volumen von 50 Millionen Euro verbergen.

Zur Person

Daniel Radke (58) absolvierte eine Ausbildung zum Diplom-Rechtspfleger und arbeitete in diesem Beruf, bevor er von 1991 bis 1995 in Bonn Jura studierte und im April 1998 das zweite Staatsexamen ablegte. Seit August 1998 ist er Richter. Er war am Landgericht und am Amtsgericht Bonn tätig, zudem für zwei Jahre bei der Bundeszentralstelle für Auslandsadoption.

Von 2011 bis 2017 war Radke stellvertretender Direktor des Amtsgerichts Euskirchen. Vor seiner Rückkehr nach Euskirchen, wo er im Juli die Behördenleitung übernommen hat, hatte er den Stellvertreterposten am Amtsgericht Siegburg inne. Er wohnt in Bonn, ist verheiratet und hat zwei Kinder. (ejb)

Wie groß ist die Belegschaft, für die Sie die Verantwortung tragen?

Das Amtsgericht hat 170 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, davon 20 Richterinnen und Richter. Hinzu kommen acht Gerichtsvollzieher.

Wo sehen Sie die aktuellen Herausforderungen?

Wir befinden uns mitten in einem umfassenden Änderungsprozess unserer Geschäftsabläufe. Damit meine ich die Einführung der elektronischen Akte. Unter meiner Vorgängerin Petra Strothmann-Schiprowski ist schon der gesamte Zivilbereich umgestellt worden. Jetzt steht die Einführung für den Betreuungs- und den Nachlassbereich an. Später folgen die Bereiche Zwangsvollstreckung, Strafrecht und Familienrecht. Das alles geschieht jeweils im laufenden Betrieb, etwa mit begleitenden Schulungen. Es ist mir wichtig, dass alle bei uns im Amtsgericht die Unterstützung erhalten, die sie benötigen. Dafür will ich sorgen.

Was sind die Vorteile der Neuerung?

Papier wird nach und nach überflüssig, auch der Transport von Akten von Schreibtisch zu Schreibtisch. Der größte Vorteil ist, dass jetzt mehrere Personen gleichzeitig auf eine Akte zugreifen und mit ihr arbeiten können. Bisher konnten das nur diejenigen, die die Papierakte vor sich liegen hatten. Die Abläufe werden also beschleunigt und erleichtert, was natürlich auch dem rechtsuchenden Publikum zugutekommen wird.

Was sind Ihre Aufgaben als Direktor?

Zum einen habe ich die Verwaltungsleitung inne, zum anderen bin ich – so ist es üblich – nach wie vor in der Rechtsprechung tätig.

In welchem Bereich?

Als Familienrichter. Das bereitet mir große Zufriedenheit, weil ich in dieser Rolle Gestaltungsmöglichkeiten habe. Ich bin nicht nur als Richter Entscheider, sondern auch häufig Mediator und Begleiter der Beteiligten in schwierigen Konflikten. Mit meiner Erfahrung kann ich dabei helfen, gemeinschaftlich Lösungen zu erarbeiten. Wichtig ist dabei, immer die Kinder im Blick zu haben, die bei Familienstreitigkeiten meistens die Leidtragenden sind.

Was wünschen Sie sich für Ihre Zeit in Euskirchen?

Zuallererst, dass das Gericht mit einer Gemeinschaftsleistung möglichst bald wieder in den Normalbetrieb kommt. Wir sind noch nicht auf dem Stand der Vor-Corona- und Vor-Hochwasser-Zeit. Ich möchte auch – im Haus selbst und in der Öffentlichkeit – das Bewusstsein dafür schärfen, dass unsere Gesellschaft die Justiz in all ihren Facetten braucht. Alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, alle Richter und Richterinnen unseres Gerichts repräsentieren die dritte Gewalt, wir sind das Gesicht der Justitia.

Was bedeutet das konkret?

Ein Amtsgericht betreibt in verschiedenen Bereichen Rechtsprechung, es ist nicht nur da, wenn es Streit gibt. Es bestraft Straftäter und bietet Rechtsdienstleistungen bei Erbfällen und im Betreuungsrecht – alles immer mit dem Blick auf die Menschen, die zu uns kommen. Ich kann bei jungen Leuten nur dafür werben, einen Beruf in der Justiz anzustreben und Teil eines größeren Systems zu werden, das einen ganz großen Sinn hat.

Das könnte Sie auch interessieren:

Eine persönliche Frage: Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?

Ich treibe gerne Sport und bevorzuge Ausdauerläufe. Marathon wie in jüngeren Jahren machen meine Gelenke nicht mehr mit. Ich will das Laufen aber nicht missen. Eine oder anderthalb Stunden im Wald – das ist für mich eine Kraftquelle.

KStA abonnieren