Tanzpaar aus EuskirchenFür Heinrich und Monika Schmitz ist der letzte Tanz weit entfernt

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Ein Tanzpaar, beide lachen.

Im Tanz perfekt aufeinander eingespielt: Heinrich und Monika Schmitz.

Seit 25 Jahren sind Heinrich und Monika Schmitz aus Euskirchen bei Tanzturnieren erfolgreich. Nur ein Verein im Kreis fehlt noch.

Bei einer Begegnung mit Heinrich Schmitz fällt zunächst der Händedruck auf. Kräftig ist er. Zupackend. Es folgt das Aussehen. Kahles Haupt, Oberlippenbart, Brille, wacher, bestimmter, aber freundlicher Blick, nicht zu Boden gesenkt, sondern geradeaus. Hinzu kommt die aufrechte Körperhaltung. Wenn Schmitz so durch die Fußgängerzone schlendert, erzählt er, irritiert er schon mal. Er guckt die Menschen an, nicht den Boden.

Bei seiner Passion schaut er nur einen Menschen an: seine Frau Monika. Vor 36 Jahren haben die beiden „Dirty Dancing“ gesehen und sich, wie so viele andere Paare auch, in der Tanzschule angemeldet. Einmal Johnny und Babe sein. Einmal den letzten Tanz tanzen. Einmal die Hebefigur im Wasser machen. Helmut Schmitz lacht. Nein, die haben sie nie versucht. Wo auch? Und vom letzten Tanz ist das Ehepaar auch noch weit entfernt. Getanzt wird, solange die Füße mitspielen. „Es gibt keinen Anlass, damit aufzuhören.“

638 Wettbewerbe, 153 Siege

153 Wettbewerbe hat das Tanzpaar Schmitz in 25 Jahren gewonnen. Hinzu kommen noch Ehrungen bei der Sportlerwahl dieser Zeitung im Kreis Euskirchen und im Rhein-Erft-Kreis. Die beiden wohnen zwar in Euskirchen, tanzen aber mangels hiesiger Alternative beim TSC Grün-Gelb Erftstadt. Zuletzt gab es sogar das Deutsche Turniertanz-Abzeichen in Gold mit Brillant. Das haben seit 1970 in Nordrhein-Westfalen nur drei Paare erhalten.

Die Bewegung, das Körperliche, das war schon immer die Leidenschaft von Heinrich Schmitz. In den 60er-Jahren hat er beim TV Wißkirchen geturnt. Später war er Judoka beim Eisenbahner-Sportverein in Euskirchen. Körperbeherrschung war auch da gefragt – und die richtige Balance. Nur das Ziel sei gegensätzlich: „Beim Judo stört man die Balance, beim Tanzen erhält man sie.“

Heinrich Schmitz trainiert sechsmal pro Woche

Als junger Vater betrieb er Ausdauersport, später lernte er segeln. Heute trainiert er an sechs Tagen in der Woche: Neben dem Tanzen sind das auch noch Yoga und Pilates. Es geht darum, die Haltung zu optimieren. Da sind wir dann wieder beim aufrechten Gang. „Der wurde uns geschenkt“, sagt Schmitz. Im günstigsten Effekt führe das Training dazu, dass man anders gehe. „Man wird anders wahrgenommen.“

Nicht gegensätzlich, aber unterschiedlich seien die Anforderungen zwischen Tanzschule und Tanzsport. Heinrich und Monika Schmitz müssen es wissen. Acht Jahre haben sie Kurse in der Tanzschule besucht. Dann reifte der Entschluss: Da ist mehr zu holen.

Tanzschulen sind wie Coverband, Tanzsport ist wie Jazz

Heinrich Schmitz hat früher selbst Musik gemacht. Spielte in Coverbands. Und vielleicht kann man so auch den Ansatz von Tanzschulen erklären. Man covert. Tanzt Figuren, je nach Talent, möglichst perfekt nach. „Man sieht das ja, wenn dann bei den Bällen alle konzentriert darauf bedacht sind, das Gelernte umzusetzen.“

Mit Tanzsport, da ist Schmitz sicher, hat das nichts zu tun. Tanzsport ist wie Jazz. Die Protagonisten, in dem Fall also das Tanzpaar, verschmelzen, nehmen die Stimmung auf. „Ein Paar ist ein Lebewesen. Wenn das optimal eingespielt ist, kommt ein ganz tolles Ergebnis heraus.“ Optimal eingespielt heißt auch: Es wird nicht mehr zwischen Herrenschritten und Damenschritten unterschieden.

Richtiges Tanzen bedeutet „Anspannen und loslassen“

„Man muss sich das vorstellen wie ein Zahnrad, bei dem alle Gräten beseitigt sind“, erklärt Schmitz, springt auf und tanzt durch das Euskirchener Casino, wo einmal im Monat ein Tanztreff stattfindet. Richtiges Tanzen sei „anspannen und loslassen“, man müsse seine Kräfte gezielt einsetzen.

Das vermittelt er auch in seinen Workshops, wie aktuell zum dritten Mal beim SV Frauenberg. Er will in möglichst kurzer Zeit „das Sportgerät menschlicher Körper“ erklären. Für Einsteiger sei der Wiener Walzer am besten geeignet. „Der hat alles“, so Schmitz. Nach und nach trainiere man sein Muskelgedächtnis, könne die Bewegungen abrufen.

Fünf bis sechs Meter pro Sekunde beträgt die Geschwindigkeit

Es folge der Langsame Walzer. Der Grundschritt habe 30 Takte pro Minute, halb so viele wie beim Wiener Walzer. Doch das Tempo ist enorm: fünf bis sechs Meter pro Sekunde. Schmitz zieht den Vergleich: Armin Hary habe bei seinem Rekordlauf zehn Meter pro Sekunde zurückgelegt. Weit entfernt sei das nicht.

Absolutes Highlight ist für den 73-Jährigen aber der langsame Foxtrott. Und wenn dann der „gut gekleidete Mann im Frack und die gut gekleidete Frau im Abendkleid“ über die Tanzfläche schwebten, sei das „ein Bild der Freude“, schwärmt Schmitz. Er kommt zu dem Schluss: „Tanzen ist: Eher weniger als das Richtige tun – und es leicht aussehen zu lassen.“

Heinrich Schmitz will „Tanzen auf hohem Niveau“ anbieten

In Zukunft will Heinrich Schmitz auch über den Stadtsportverband „Tanzen auf hohem Niveau“ anbieten. Anders als bei anderen Sportarten, könne man auch ruhig mit Mitte 40 erst anfangen, wenn die Kinder aus dem Gröbsten raus seien. Jeder, der musikalisch sei und sich vorstellen könne, sich zur Musik zu bewegen, könne tanzen.

Nachfolger aus Euskirchen gibt es mittlerweile auch schon. Das Ehepaar Lars und Alexandra Korn entwickele sich in eine ähnliche Richtung. Auch Hendrik und Daniela Hoffmann, die für den TSC Mönchengladbach antreten, sind erfolgreich. Am liebsten wäre Schmitz natürlich eines: ein Tanzverein in Euskirchen.

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