Neuer Schulabschluss mit 73So holte eine Frau in Euskirchen spät ihr Abitur nach

Rosen sind ihre Lieblinge: Christa Rath freut sich, nach bestandenem Abitur ihren Garten auf Vordermann bringen zu können.
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- Das Abitur machen Schüler in der Regel im Alter zwischen 18 und 20 Jahren, ehe sie danach an die Uni wechseln.
- Bei Christa Rath allerdings ist das anders. Die Dame aus Vettweiß-Gladbach im Kreis Düren holte den Abschluss mit 73 Jahren nach.
- Wie sie auf die Idee kam, was sie für Hürden zu überwinden hatte und warum sie ihre Klassenkameradinnen bewunderte.
Euskirchen/Vettweiß – In den nächsten Tagen werden an den Schulen im Kreis Euskirchen wieder feierlich die Abiturzeugnisse überreicht. So auch am Abendgymnasium Euskirchen, an dem Schülerinnen und Schüler auf dem zweiten Bildungsweg ihr Reifezeugnis erlangen können. Dass der altbackene Begriff jedoch nicht zu jedem Abiturienten gleich gut passt, wird am diesjährigen Abschlussjahrgang deutlich: Unter den Absolventen ist eine 73-Jährige, die nach einem langen Berufsleben noch einmal die Schulbank drückte und sich damit einen Wunsch erfüllte, der lange in ihr schlummerte.
„Als Jugendliche machte mir die Schule nicht sonderlich viel Spaß“, erzählt Christa Rath. Deshalb ging sie nach der Mittleren Reife vom Gymnasium ab und machte eine Banklehre. Damals merkte sie schnell, dass sie es als Frau ungleich schwerer hatte, sich im Beruf zu behaupten und weiterzukommen. „Es dauerte nicht lange und ich bereute, mein Abitur nicht gemacht zu haben“, so Christa Rath, die in Vettweiß-Gladbach im Kreis Düren zu Hause ist.
Anmeldung am Abendgynasium Euskirchen
Die Idee, den Schulabschluss eines Tages nachzuholen, sei immer in ihrem Kopf gewesen, erzählt die 73-Jährige, die lange Jahre bei der F. Victor Rolff-Stiftung tätig war, ehe sie 2012 in Rente ging. Langeweile war nie eine Option für Christa Rath: Sie ist Feldenkrais-Lehrerin, hat Fortbildungen in Frühförderung gemacht, hat sich darüber hinaus zur Heilpraktikerin, zur Musik- und Bewegungstherapeutin, zur medizinischen Kosmetikerin und zur Qi-Gong-Lehrerin ausbilden lassen.
Als sie sich am Abendgymnasium Euskirchen anmeldete, war ihr das Pauken und Büffeln folglich nicht fremd, dennoch musste sie sich ordentlich ins Zeug legen: „Ich wurde gleich ins zweite Jahr eingestuft, da ich mit Mittlerer Reife, Ausbildung und Berufserfahrung ja schon die Fachhochschulreife erlangt hatte.“
Youtube half beim lernen
Rückblickend sei das nicht ohne gewesen, „ich hinkte immer ein bisschen hinterher“, meint sie. Was aber auch damit zu tun hat, dass die 73-Jährige stets alles sehr genau wissen möchte. Lernstoff wurde von ihr zu Hause nicht nur auswendig gelernt, sondern möglichst so aufbereitet, dass sie die Inhalte wirklich begreifen und im Kontext zu anderen Themen betrachten konnte: „Das war vor allem in Mathe eine echte Herausforderung, da fehlten mir viele Grundlagen.“
Sie habe sich mit zahlreichen Büchern und manch einem YouTube-Tutorial durch den Stoff gebissen und am Ende Mathe sogar als mündliches Abiturfach genommen. „Jetzt bin ich soweit, dass ich anderen Mathe vermutlich ziemlich gut erklären könnte“, schmunzelt die Gladbacherin.
Bewunderung für Klassenkameradinnen
Am Anfang saß sie mit acht anderen Schülerinnen und Schülern im Klassenraum. Einige gingen nach der Zwölf mit der Fachhochschulreife ab, es blieben fünf, die in die Jahrgangsstufe 13 wechselten und sich gemeinsam auf das Abitur vorbereiteten. „Die anderen sind alle zwischen 19 und Mitte 20. Sie haben sich schnell an mich gewöhnt“, meint Rath, die ihre jungen Klassenkameraden durchaus bewundert für die Doppel- bis Dreifachbelastung, die sie für den Abschluss auf dem zweiten Bildungsweg in Kauf genommen haben.
Ob ihr das Lernen schwerer fiel als den anderen Abiturienten? „Nein, ich denke nicht. Vielleicht konnten sich die Jüngeren manches leichter merken, dafür konnte ich einiges leichter nehmen.“ Sie bezeichnet sich als sehr wissbegierig, neugierig und an zahlreichen Themen interessiert.
Mathe sorgte für Zweifel am Abschluss
Sie sei sich nicht immer sicher gewesen, ob sie den Abschluss tatsächlich am Ende schaffen würde, gibt Christa Rath zu. Vor allem Mathe hätte manches Mal dafür gesorgt, Zweifel zu säen. Allein der Umgang mit dem Taschenrechner, der heutzutage einem Mini-Computer gleicht, hätte ihr einiges abverlangt: „Glücklicherweise bin ich ein ziemlich zielgerichteter Mensch. Man muss einfach dranbleiben, auch wenn’s mal schwierig wird.“
Ein einziger Punkt habe am Ende gefehlt, um noch eine Zwei vor dem Komma der Abschlussnote zu haben. Das sei zwar ärgerlich, aber nicht ärgerlich genug, um freiwillig in die mündliche Nachprüfung zu gehen.
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Ihr Abiturzeugnis wird Christa Rath in der kommenden Woche aus den Händen von Nadine Schlosser, Außenstellenleiterin des Abendgymnasiums Euskirchen, entgegennehmen. Eine Absolventin im Alter von Christa Rath sei für sie auch etwas Neues, so Schlosser: „Sie war eine große Bereicherung für die Klasse und höchst interessiert an wirklich allen Themen.“ Bemerkenswert sei auch, dass die 73-Jährige trotz Corona und Ansteckungsgefahr keine Stunde Unterricht verpasst habe: „Aufgrund ihres Alters hätte sie auch zu Hause bleiben können.“
Dass Christa Rath die nun erlangte Zugangsberechtigung zur Hochschule auch zu nutzen gedenkt, überrascht nicht: „Ich möchte auf jeden Fall studieren, weiß aber noch nicht, was. Es gibt so Vieles, was mich interessiert.“ Eines sei ihr im Zusammenhang mit ihrem Abitur noch sehr wichtig zu erwähnen, betont sie: „Man darf nie denken, dass man zu alt sei, um noch zu lernen.“ Vielleicht könne sie anderen Älteren Mut machen, es ihr gleichzutun. Nach den Sommerferien starten am Abendgymnasium Euskirchen die neuen Klassen.