Wallfahrtsoktav in HeimbachPilgern als Heilung für die Seele

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Der Domprobst zelebriert: Rolf-Peter Cremer war schon als Jugendlicher Teilnehmer der Heimbach-Wallfahrt.

Der Domprobst zelebriert: Rolf-Peter Cremer war schon als Jugendlicher Teilnehmer der Heimbach-Wallfahrt.

Heimbach – Kommen sie oder kommen sie nicht? So etwas wie Premierenstimmung ist Samstagmittag in Heimbach zu spüren. Was geschehen wird, steht nicht fest. Zwei Jahre lang war das Pilgercafé geschlossen, wurde der Wallfahrtsbetrieb nur auf Sparflamme durchgeführt. Doch in der Wallfahrtsoktav 2022 soll es wieder richtig losgehen.

Oder zumindest so ein bisschen. Denn so wie vor der Corona-Krise wird es nicht sein, auch wenn dafür kein Virus verantwortlich ist. Die Prozession mit dem Gnadenbild durch Heimbach bis in den Kurpark, wo der Eröffnungsgottesdienst traditionell stattgefunden hat, gibt es nicht. Der Kurpark wird umgebaut. Mit der Pietà durch die Baugrube auf dem Seerandweg zu stolpern, wollte man den Gläubigen nicht zumuten. Deshalb ist die Salvatorkirche als Ort für den Eröffnungsgottesdienst vorgesehen.

Glocken läuten zur Begrüßung

Kaffee und Kuchen stehen für die Gruppen im Café bereit. Es ist Mittag, noch ist niemand eingetroffen. „Sind die Bliesheimer schon da?“, fragt Helmut Heu. Er ist Pilgerherbergsvater seit 2007 und gekommen, um seine Gäste abzuholen. „Die Kartoffeln sind aufgesetzt, das Bier ist kalt gestellt“, erzählt er. Sechs Personen übernachten bei ihm, um am nächsten Tag den rund 40 Kilometer langen Rückweg in Angriff zu nehmen. „Ich hole die ab, dann trinken die ein Bierchen, wir essen gemeinsam, und sie machen sich frisch“, erzählt er.

Dann der Ruf: „Sie sind schon da.“ Die Glocken läuten, wie zur Begrüßung jeder Pilgergruppe. Mit Fahne, Kreuz und Pilgerstab zieht die rund 40 Personen starke Gruppe aus der Hitze in die kühle Kirche ein. Erleichterung ist zu spüren, der Weg ist geschafft. Nach kurzer Andacht und gemeinsamem Gebet verlassen sie die Kirche fürs Erste.

Seit 1975 dabei

„Um fünf Uhr morgens sind wir losgegangen“, sagt Heijo Schmitz, Brudermeister der Heimbach-Bruderschaft Bliesheim, die den Pilgerweg organisiert. Seit 1975, damals war er 14 Jahre alt, gehe er bei der Wallfahrt mit, berichtet er.

„Es ist ein Erlebnis“, schwärmt er von der Pilgertour. Die gemeinsamen Gebete, das gemeinsame Ziel, das sei einzigartig. Alle zwei Jahre gehe er auch nach Trier. „Das tut der Seele gut“, beschreibt er. Während er durch die Landschaft gehe, besinne er sich auf wichtige Dinge, denke nach über den Sinn des Lebens. „Der Pilgerweg ist ja wie der Lebensweg“, nennt er eine Analogie. Unterwegs hätten sie auch an Heinrich Klünter erinnert, einen alten Wallfahrer, der am letzten Montag zu Grabe getragen worden sei. Dann geht er zum Kerzenstand. „Ich habe versprochen, eine Kerze anzuzünden“, erzählt er, während er die Münzen in den Opferstock wirft und ergänzt: „Für den Metzger vom Brühler Markt.“

Priestermangel

Auf dem Vorplatz der Kirche steht Markus Lang. Er ist stellvertretender Vorsitzender des Kirchenvorstandes, heute aber in anderer Funktion unterwegs. Im Ministrantengewand empfängt er die Pilger mit einer kleinen Andacht. Denn mit Priestern ist die Wallfahrtsoktav in diesem Jahr nicht reich bestückt.

Und immer läutet die Glocke: Nach und nach kehrten die zwölf Pilgergruppen in Heimbach ein.

Und immer läutet die Glocke: Nach und nach kehrten die zwölf Pilgergruppen in Heimbach ein.

Elf Gruppen würden erwartet, erklärt er, doch ob das so auch sein werde, wisse niemand. Schließlich würden sich diese nicht anmelden. „Wer kütt, der kütt“, sagt er schmunzelnd, dann spannt er sich plötzlich und sprintet in die Kirche, um das Glockengeläut zu starten. Die Gruppe aus Rott trifft ein.

43.800 Schritte

43.800 Schritte oder rund 30 Kilometer sei die Gruppe gegangen, berichtet eine Mitpilgerin. 15 Personen seien es dieses Jahr, sagt Brudermeister Ernst Knillmann, der mit dem Pilgerstab der Gruppe voranging. „Es waren auch schon einmal mehr, aber es dauert noch etwas, bis man nach Corona wieder im Rhythmus ist“, vermutet er. Einige Alte hätten sich die Strapaze nicht mehr antun wollen. Dafür seien aber einige Junge dabei gewesen.

Strapaze? „Wir sind nach Schmidt durch freie Felder gegangen. Bei den Temperaturen geht das an die Substanz“, berichtet er. Trotzdem sei die Heimbach-Wallfahrt ein Highlight. Auch die Geselligkeit spiele eine Rolle. Doch übernachtet werde nicht, teilt er mit. „Das ist schwierig mit den Übernachtungsmöglichkeiten.“ Stattdessen fahre die Gruppe mit Autos zum Übernachten nach Rott und am nächsten Morgen wieder nach Heimbach, von wo es zu Fuß wieder nach Rott gehe. „Das ist einfach organisatorisch besser“, so Knillmann.

Café hat täglich geöffnet

Mittlerweile sind die ersten Gäste im Pilgercafé eingetroffen. Eine Frau bringt noch einen Kuchen, der in die Reihe zu den anderen gestellt wird. „Die sind für die ganze Woche“, sagt Organisatorin Iris Wergen. Auch belegte Brötchen liegen für den kleinen Hunger bereit. Sie freut sich, dass sich auch einige jüngere Frauen bereit erklärt hätten, zu helfen. Jeden Tag während der Wallfahrtsoktav sei das Café auf, denn immer würden Gruppen erwartet.

Kurz vor 15 Uhr steht eine Frau am Geländer des Kirchenplatzes und sieht gespannt auf die Straße. Sie wartet auf die Gruppe aus Hastenrath/Nothberg. „Sie wollte bis 15 Uhr da sein“, sagt sie unruhig. Sie möchte ihrem Mann den Koffer für die Übernachtung übergeben, muss aber zu einem Termin. „Da sind sie“, sagt sie erleichtert, als sie ein Singen von der Hengebachstraße hört.

Pfarrer Doncks steht nicht zur Verfügung

„Es ist in diesem Jahr eine besondere Herausforderung“, sagt Pfarrer Kurt Josef Wecker, nachdem er die Andacht gehalten hat. In Coronazeiten sei versucht worden, die Kontinuität zu wahren, indem kleine Gruppen oder Einzelpilger gegangen sein. „Dieses Jahr hoffen wir auf eine größere Schar“, so der Priester.

Uhrzeiten

Unter das Motto „Himmel und Erde berühren“ steht die Wallfahrt. An den Wochentagen wird in der Heimbacher Salvatorkirche jeweils um 10 Uhr ein Pilgerhochamt gefeiert. An den Nachmittagen werden jeweils um 13.15 Uhr eine Andacht und um 15 Uhr eine Vesper angeboten. Ausnahme ist Montag, 4. Juli, an dem um 15 Uhr eine Messe für die Kranken mit Krankensalbung gefeiert wird. Eine Anbetung mit gregorianischem Gesang findet am Samstag, 9. Juli, 19.30 Uhr statt. Am Abschlusstag am Sonntag, 10. Juli, gibt es Messen um 7, 9 und 18 Uhr, das Pilgerhochamt um 11 Uhr und eine Andacht um 15 Uhr. Weitere Informationen telefonisch unter 01 79/9 37 40 94 oder im Internet. (sev)

Die Befürchtung, dass Gottesdienste ausfallen müssten, habe sich nicht bestätigt. Da Pfarrer Hans Doncks wegen einer Operation nicht zur Verfügung stehe, würden Mitbrüder die Lücke schließen. Auch seien Gäste aus Italien, Polen und der Schweiz hier, die Dienste übernehmen würden.

Kein Mantel aus Weihrauch über Missbrauch

Es sei schwierig, etwas Schönes wie eine Wallfahrt zu begehen, in einer Zeit, in der der Kirche nicht nach Feiern zumute sei, sondern nach Buße und Umkehr, sagt er. „Wir sehen auf unsere Schuld, doch auch die schönen Seiten der Kirche dürfen nicht vergessen werden“, so Wecker. Die Kirche tue viel, stolpernd und stockend, und sei froh, dass Leute kämen und ihr Vertrauen schenkten. „Wir geben die Tradition nicht auf. Sie ist eine Seite, die nicht vom Missbrauch beladen ist.“ Die Realität erlaube nicht, einen Mantel aus Weihrauch über die Ereignisse zu legen. „Deshalb bedeutet mir das Gnadenbild so viel. Es bedeutet die Schwäche Gottes und hat nichts Auftrumpfendes“, sagt er nachdenklich.

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Bis zum Abend kommen zwölf Pilgergruppen mit insgesamt rund 350 Menschen nach Heimbach. Sie werden vom Aachener Dompropst Rolf-Peter Cremer begrüßt, der den Eröffnungsgottesdienst zelebriert. Der Sistiger ist als Jugendlicher oft bei der Wallfahrt mitgegangen, damals noch in die alte Kirche. „Dies ist ein schönes Glaubensfest, dass man unserer Kirche gar nicht mehr zutraut“, begrüßt er die Gläubigen im Gottesdienst. Seine Predigt stellt er unter das Thema Begegnung. Eine Gelegenheit für ihn, das Thema Missbrauch anzusprechen. Es sei deutlich geworden, das in der Prävention zu viel Nähe bei Kindern oder Abhängigen nachteilig sein könne. Die Tiefe der Begegnung mit dem Gnadenbild könne man oft nicht erklären. Es sei ein Moment, wo Himmel und Erde sich berührten.

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