„Die Not ist nicht vorbei“Spendenlager in Kall schließen – Kritik an Entscheidung

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Die gespendeten Hilfsgüter wurden von Soldaten einer Heereseinheit aus der Nähe von Bielefeld verpackt.

Die gespendeten Hilfsgüter wurden von Soldaten einer Heereseinheit aus der Nähe von Bielefeld verpackt.

Kall – Das Spendenlager für Opfer der Flutkatastrophe im Bauhof der Gemeinde Kall in der Daimlerstraße 2 wird Ende nächster Woche geschlossen. „Wir brauchen die Gebäude wieder für den Bauhof“, erklärt Bürgermeister Hermann-Josef Esser den Grund für die Maßnahme.

Auch die Ausgabe von Hilfsgütern in der Halle von Möbel Brucker in der Hüttenstraße 306 wird ab der zweiten Septemberwoche nicht mehr zur Verfügung stehen. „Wir benötigen die Halle dann für die Lagerung von Möbeln“, sagt Geschäftsführer Andreas Brucker. Bis dahin werde man versuchen, so viele Spenden wie möglich noch an Bedürftige zu verteilen.

Kritik an Entscheidung: „Die Not ist nicht vorbei“

Dieter Züll, der sich seit Wochen ehrenamtlich für das Spendenlager im Bauhof engagiert hat, kritisiert die Entscheidung des Bürgermeisters: „Die Not ist nicht vorbei. Jetzt steht der Winter vor der Tür. Da brauchen die Menschen weiter Unterstützung. Wir dürfen die Opfer der Flut jetzt nicht im Stich lassen.“

Der Bürgermeister hatte bereits im Gemeinderat am vergangenen Donnerstag angekündigt, dass das Spendenlager im Bauhof geschlossen wird. „Die Mitarbeiter müssen mit der Grünpflege und der Reparatur der Straßen beginnen und sich auf den Winterdienst vorbereiten. Außerdem müssen die Fahrzeuge gewartet werden“, sagt Esser. Für diese Aufgaben brauche man die Fahrzeughallen und Werkstätten.

Spenden werden auf Arbeiterwohlfahrt und Tafel in Kall verteilt

Die Nachfrage nach Spenden habe auch in den vergangenen Tagen vor allem von der Kaller Bevölkerung nachgelassen. Ein Teil der Spendengüter soll an die Wirkstatt der Arbeiterwohlfahrt in der Aachener Straße 52 verteilt werden. Dort könnten sie die Bedürftigen dann abholen.

Unterstützung der Bundeswehr

Die Bundeswehreinheit aus der Nähe von Bielefeld, die am Wochenende Spendengüter im Bauhof verpackt hat, war schon an vielen Stellen im Gemeindegebiet im Einsatz. „Wir sind froh, wenn wir helfen können“, sagt Hauptfeldwebel Peter Pfaf.

Die 30 Männer und Frauen halfen bei den Aufräumarbeiten in der alten und der neuen Grundschule, in der Grundschule in Sistig, im Quartiersbüro in der Bahnhofstraße, im Hallenbad, im Postgebäude sowie im Urfter Bahnhof. Den Kutterbach haben sie freigeräumt, am Gillesbach sind sie derzeit im Einsatz. „Wir sind überrascht, wie schnell hier aufgeräumt wurde. Wir können vor der Bevölkerung nur den Hut ziehen“, sagte Pfaf. Es sei erschreckend zu sehen, welche Schäden Wasser anrichten könne.

Außer dieser Einheit waren auch Angehörige des Fliegerhorstes in Nörvenich sowie vom Bundesverteidigungsministerium bei Hilfseinsätzen in der Gemeinde Kall unterwegs. (wki)

„Außerdem sind wir in Gesprächen mit der Kaller Tafel. Sie soll auch einen Teil der Bestände übernehmen.“ Erst einmal würden die gespendeten Dinge im ehemaligen Sägewerk an der Trierer Straße zwischengelagert. Dort könne man aber aus Sicherheitsgründen keine Ausgabe anbieten. „Ich wäre froh, wenn sich jemand finden würde, der eine Halle mit 1000 Quadratmetern und einer Verladerampe zur Verfügung stellen kann“, sagt der Bürgermeister.

Derzeit sei das Lager noch so voll, dass keine neuen Spenden benötigt würden. Man werde aktuell keine Spenden abgeben, um sie in die ganze Welt zu verschicken. „Um irgendwann einmal Restbestände an den Mann zu bringen, denken wir über einen Flohmarkt nach. Die Einnahmen könnten dann den Flutopfern zugute kommen.“

Helfer hoffen auf neue Räume für Kaller Spendenausgabe

Dieter Züll, ein alter Kaller, der seit zehn Jahren in Köln lebt, hofft, dass sich neue Räume finden: „Wir würden gerne weitermachen und die Menschen versorgen.“ Die Entscheidung, dass das Lager im Bauhof geschlossen werde, sei sehr plötzlich gekommen. Die Öffnungszeiten seien in der vorigen Woche schon reduziert worden. „Das Lager schließt nun schon um 16 Uhr statt bislang um 18 Uhr. Das ist für Menschen, die bis 17 Uhr arbeiten müssen, zu früh.“

Dabei sei der Andrang an den Abenden am größten. Im Schnitt, so berichtet Züll, kämen auch jetzt noch bis zu 100 Bedürftige am Tag: „Das können wir mit den Corona-Listen belegen.“

Flut-Betroffene wissen nicht, wann sie zurück in Wohnung können

Derzeit sei für viele Betroffene noch immer nicht klar, ob und wann sie zurück in ihre Wohnungen könnten. „Der Winter kommt und längst nicht alle werden dann wieder in ihren Wohnungen heizen können“, sagt der Helfer. Für diese Menschen brauche man Notunterkünfte und auch warme Kleidung, die bisher kaum gespendet worden sei.

Während der Öffnungszeiten des Lagers seien stets vier bis sechs Helfer vor Ort. „Die Spendenbereitschaft ist groß. Aus ganz Deutschland und auch aus den Niederlanden habe es Hilfslieferungen gegeben. „Leider Gottes haben manche aber auch ihren Sperrmüll entsorgt. Das betrifft rund ein Drittel der angelieferten Sachen.“

Das Spendenlager in der Halle von Möbel Brucker soll bis Anfang September langsam auslaufen.

Das Spendenlager in der Halle von Möbel Brucker soll bis Anfang September langsam auslaufen.

Am Wochenende erhielten die ehrenamtlichen Helfer auch im Bauhof Unterstützung von der Bundeswehr. 30 Männer und Frauen einer Heereseinheit aus der Nähe von Bielefeld sortierten die gespendeten Sachen, packten sie in Kartons und ummantelten diese mit Folie. Die Paletten sollen dann ins Sägewerk transportiert werden.

Auch Spendenlager in Brucker-Halle in Kall soll schließen

Das Lager in der Brucker-Halle soll nach sechs Wochen auch langsam auslaufen. „Wir wollen noch möglichst viele Spendengüter verteilen“, sagt Andreas Brucker. Spätestens ab der zweiten Septemberwoche benötige er die Halle, um dort Möbel zu lagern. Dann reiche das Hochregallager alleine nicht aus. Vorher müsse die Halle auch noch hergerichtet werden. „Ein Großteil der Möbel, die wir in der Halle einlagern, ist ja auch für Flutopfer bestimmt“, betont Brucker.

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Man werde aber auch weiterhin Matratzen, Geschirr oder Sitzgarnituren für Hilfsbedürftige einlagern. „Falls sich wieder Lagerkapazitäten auftun, werden wir die auch für Spenden nutzen“, so Brucker.

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