Derzeit müssen die Kommunen im Kreis Euskirchen nicht mehr so viele Schutzsuchende unterbringen wie in früheren Zeiten. Dennoch sind die Aufgaben groß.
Asyl-ZuweisungenLage im Kreis Euskirchen hat sich entspannt, aber Herausforderungen bleiben

Nach dem Angriff Russlands auf die ganze Ukraine 2022 nahm die Zahl der Flüchtlingszuweisungen in den Kommunen zu.
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Zehn Jahre ist es her, dass wegen rasant gestiegener Zuwanderung sogar Turnhallen, etwa in Vernich und Roggendorf, als Unterkünfte genutzt werden mussten. Seitdem stehen die Kommunen im Kreis Euskirchen vor der Dauerherausforderung, Schutzsuchenden, die ihnen das Land zuweist, unterzubringen – mal mehr, wie unmittelbar nach dem russischen Vollangriff auf die Ukraine, mal weniger, wie in diesen Tagen.
Diese Zeitung bat die Verwaltungen der elf Kommunen im Kreis um eine Einschätzung der aktuellen Lage. Tenor der Antworten: In den meisten Städten und Gemeinden ist die Situation derzeit zu handhaben, aber immer noch herausfordernd – auch, weil man auf eventuell steigende Zahlen vorbereitet sein muss.
Bad Münstereifel: Derzeit sind 202 Menschen in städtischen Unterkünften untergebracht, dazu 15 Personen in privaten Mietverhältnissen. Im November 2024 waren es noch 288 Personen in den städtischen Unterkünften und 12 in privaten Mietverhältnissen, nennt Pressesprecher Johannes Mager eine Vergleichsgröße.
Gemeinde Blankenheim konnte Mietobjekte inzwischen wieder abstoßen
„Die private Unterbringung stößt jedoch durch die angespannte Lage am Wohnungsmarkt an ihre Grenzen“, so Mager. Insgesamt habe sich die Lage bei den Neuzuweisungen geflüchteter Menschen seit Ende 2024 entspannt. Weil die Bezirksregierung weitere Zuweisungen für möglich hält, würden aber weitere kommunale Unterbringungsmöglichkeiten zeitnah in Betrieb genommen.
Blankenheim: „Ohne größere Schwierigkeiten zurechtzukommen“ – so beschreibt Bürgermeisterin Jennifer Meuren die aktuelle Lage. 125 Menschen leben ihr zufolge zurzeit in Unterkünften der Gemeinde. Zudem befänden sich 114 Menschen aus der Ukraine in Blankenheim, die aber überwiegend privat untergekommen seien.
Damit leben rund 40 Personen weniger in den gemeindlichen Unterkünften als 2024. Die Zahl der untergebrachten ukrainischen Staatsbürger ist hingegen um rund 20 gestiegen. 2023 sei der Belegungsstand ähnlich gewesen.
Dank Bürger-Engagement: Dahlem brauchte keine größere Unterkünft
Seit Juni 2025 habe die Gemeindeverwaltung keine Zuweisung mehr durch die für die Verteilung zuständige Bezirksregierung Arnsberg erhalten, erläutert Meuren. Mit Beginn des Jahres 2025 seien auch zahlreiche Wohnsitzauflagen aufgrund von Arbeit oder Integrationskursen aufgehoben worden, diese Menschen hätten Blankenheim verlassen. Die Gemeinde habe daher mehrere Mietobjekte abstoßen können. Probleme in den Unterkünften habe es kaum gegeben.
„Wir haben einen ehemaligen Geflüchteten, der zahlreiche Sprachen spricht und sehr vermittelnd wirkt, als Hausmeister eingestellt, der eben auch die Objekte kontrolliert. Das ist ein Gewinn für alle und ein Vorzeigebeispiel der Integration“, berichtet die Bürgermeisterin.
Dahlem: 155 Geflüchtete leben laut Bürgermeister Jan Lembach derzeit in Dahlem, 88 davon in Gemeinschaftseinrichtungen, 67 in privaten Anmietungen. Das ist der zweithöchste Stand seit 2000, aber vor gut einem Jahr waren es noch insgesamt 15 mehr. „Herausfordernd und organisatorisch mit hohem Aufwand machbar“, fasst Lembach die aktuelle Situation zusammen.
Finanziell bleibe der Bereich für den Gemeindehaushalt ein erheblicher „Defizitfaktor“ mit mehreren hunderttausend Euro im Jahr etwa durch Personalkosten, Unterbringungskosten, Vorhaltung von Unterbringungsmöglichkeiten, fügt der Bürgermeister hinzu.
125 Schutzsuchende leben derzeit in Unterkünften der Stadt Euskirchen
„Dank der vielen Bürgerinnen und Bürger, die eine Wohnung oder ein Haus zur Unterbringung vermieten, benötigen wir keine größere ,Sammelunterkunft' und hatten bisher ausreichend dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten“, so Lembach weiter. Der Anteil der Geflüchteten in festen Arbeitsverhältnissen sei leider weiterhin relativ gering – auch bei Menschen, die schon einige Jahre in der Gemeinde wohnen. Das erschwere die Integration.
Euskirchen: In städtischen Unterkünften leben laut Pressesprecher Tim Nolden aktuell 125 geflüchtete Menschen, vor drei Jahren waren es noch 247, vor einem Jahr 185. Am größten seien die Herausforderungen 2015 und zu Beginn des Vollangriffs Russlands auf die Ukraine 2022 gewesen.
Die Lage habe sich entspannt. Vereinzelt würden noch geflüchtete Menschen untergebracht. Nicht prognostizierbar sei aber der Zuzug aus der Ukraine. „Die Lage in Euskirchen ist unter anderem deshalb aktuell zu bewältigen, weil die in der Zentralen Unterbringungseinrichtung des Landes untergebrachten Menschen auf die Quote der Stadt Euskirchen angerechnet werden“, so Nolden (siehe auch „290 Menschen in Landeseinrichtungen“).
Viele geflüchtete Menschen, insbesondere die aus der Ukraine, hätten zwischenzeitlich private Wohnungen gefunden. „Teilweise sind Personen verzogen oder wieder in die Heimat zurückgekehrt“, fasst Nolden zusammen.
Hellenthal: In den gemeindlichen Unterkünften wohnen nach Auskunft der Gemeindeverwaltung derzeit rund 130 Flüchtlinge. Vor einem Jahr hätten noch rund 180 Flüchtlinge untergebracht werden müssen. Die Neuzuweisungen seien in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen: „Dies führt dazu, dass zwar weniger Neufälle zu betreuen sind, aber die bereits vorhandenen Personen weiter integriert werden müssen“, so Michael Huppertz, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters.
Die Versorgung der Personen mit Wohnraum auf dem Wohnungsmarkt ist sehr schwer.
Groß sei die Herausforderung kurz nach Beginn des vollständigen Angriffs auf die Ukraine gewesen. „Die Versorgung der Personen mit Wohnraum auf dem Wohnungsmarkt ist sehr schwer“, erklärt Huppertz. Es gebe zudem kaum Unterstützung des Landes NRW bei der Versorgung von Personen mit besonderem Unterstützungsbedarf, etwa bei Pflege oder Suchtbehandlungen.
Kall: Der Integrationsbeauftragte der Gemeinde, Paul Neufeld, zieht Bilanz: „In den vergangenen Jahren wurden von Verwaltung, Politik und Ehrenamt verlässliche Strukturen geschaffen, die eine gute Integration der nach Kall geflüchteten Menschen ermöglichen. Dennoch kamen auch wir in den vergangenen Jahren an die Belastungsgrenzen.“
Aktuell verfüge die Gemeinde über 34 Unterkünfte mit insgesamt 194 Plätzen, von denen derzeit 165 belegt seien. Somit stehen aktuell 29 Unterbringungsplätze in den gemeindlichen Asylunterkünften zur Verfügung. Aufgrund der rückläufigen Flüchtlingszahlen konnten bereits erste Mietobjekte gekündigt und an die Eigentümer zurückgegeben werden.
Bürgermeister Crump: Marmagener haben große Herausforderung gemeistert
Auch in Kall nahm der Zuzug im Zusammenhang mit dem Krieg in der Ukraine 2022 laut Verwaltung spürbar zu. Seit Beginn des Jahres 2025 habe die Gemeinde aber keine weiteren Zuweisungen mehr erhalten und lediglich vereinzelt ukrainische Geflüchtete aufgenommen.
Ein Teil der zunächst in Kall angekommenen Ukrainerinnen und Ukrainer, die vorübergehend bei Verwandten oder Bekannten Unterkunft gefunden hatten, sei inzwischen in eigene Wohnungen gezogen. Viele von ihnen seien zudem in andere Kommunen umgezogen.
Mechernich: Derzeit sind 361 Menschen in Einrichtungen der Stadt untergebracht, wie Fachbereichsleiterin Kati Jakob dieser Zeitung auf Anfrage mitteilte: „Aktuell haben wir in den Unterkünften 129 freie Plätze bei einer Gesamtverpflichtung von 149 Personen.“ Eine Unterkunft in der Innenstadt werde Ende November aufgrund städtebaulichen Umbaus geschlossen, heißt es aus dem Rathaus. Die Lage habe sich aktuell zumindest hinsichtlich neuer Zuweisungen etwas entspannt.
Aktuell haben wir zirka 260 Personen untergebracht, zu Höchstzeiten waren es knapp 400.
Ab Herbst 2023 war die Herausforderung laut Verwaltung besonders groß: Innerhalb kurzer Zeit habe man Raum für Flüchtlinge finden oder schaffen müssen. Auch ab 2024 seien die Zahlen gestiegen, erst seit August 2025 gingen die Flüchtlingszahlen langsam zurück.
Nettersheim: Auch in der Eifelgemeinde ist die Lage herausfordernd, aber machbar, wie Bürgermeister Norbert Crump erklärt. Nettersheim, besonders der Ortsteil Marmagen, hätten die kreisweit wohl größte Herausforderung gehabt, als das Land für mehr als zwei Jahre bis zu 750 Geflüchtete im Gebäude der ehemaligen Eifelhöhen-Klinik untergebracht hatte. Zu der Zeit habe die Gemeinde zeitweise einen Ausländeranteil von mehr als zehn Prozent gehabt, so Crump: „Damit sind die Marmagener im Besonderen und wir alle in Nettersheim sehr gut umgegangen.“ Zurzeit leben 71 Menschen in Einrichtungen der Gemeinde, weitere 46 in privaten Unterkünften.
Schleidener Bürgermeister lobt das Vorgehen der Bundesregierung
Weil aber ungewiss sei, wie die weiteren Zuweisungen aussehen werden, würden in der Gemeinde notwendige Sanierungsmaßnahmen in den Unterkünften vorgenommen und die notwendigen Aufnahmekapazitäten für Schutzsuchende geschaffen, etwa im soeben bezugsfertig hergerichteten Haus Nikolaus in Tondorf, in dem gut integrierte Flüchtlinge, vornehmlich Familien, untergebracht werden sollen.
Schleiden: In die Kategorie „Ohne größere Schwierigkeiten zurechtzukommen“ sortiert Bürgermeister Ingo Pfennings die Situation in Schleiden ein. Das könne sich innerhalb kurzer Zeit aufgrund von weiteren Wohnsitzzuweisungen der Bezirksregierung aber auch wieder ändern.
Aktuell leben rund 40 Personen (anerkannte Asylberechtigte, subsidiär Schutzberechtigte) in der städtischen Gemeinschaftsunterkunft. Im Zeitraum Januar bis April 2024 wurden der Stadt Schleiden 24 Personen zugewiesen, so dass eine vorausschauende Planung nötig wurde, da die Gemeinschaftsunterkunft eine maximale Kapazität für 90 Personen hat, erklärt Pfennings.
Die Unterbringungszahlen in der städtischen Gemeinschaftsunterkunft seien seit einem Jahr stetig gesunken, im September 2024 wohnten noch rund 65 Menschen in der Unterkunft. „Grundsätzlich kann man sagen, dass wir die durch die Bundesregierung eingeleiteten Maßnahmen zur Begrenzung der irreguläre Migration auch an der Basis positiv verspüren“, erklärt der CDU-Politiker: „Die Zahlen der Asylsuchenden, von denen viele bekanntlich in der Vergangenheit nach erfolgter Prüfung keinen Anspruch auf Asyl oder eine subsidiäre Schutzberechtigung hatten, sind zuletzt deutlich zurückgegangen.“
Weilerswist: „Die Lage hat sich entspannt“, sagt Beigeordneter Marcus Derichs: „Aktuell haben wir zirka 260 Personen untergebracht, zu Höchstzeiten waren es knapp 400.“ Der Rückgang der Neuzuweisungen sei spürbar. 2024 gab es 108 Neuzuweisungen, 2025 waren es bisher 53.
Beispiel Zülpich: Die Zuweisungen vom Land schwanken erheblich
„Dabei ist noch zu beachten“, so Derichs, „dass es eine Soll-Quote der Bezirksregierung gibt, die laufend aktualisiert wird und uns mitteilt, zur Aufnahme wie vieler weiterer Personen wir aktuell verpflichtet sind. Diese Quote müssen wir bei der Planung von Belegungskapazitäten immer berücksichtigen, auch wenn diese nicht ,auf einen Schlag' eintritt.“
Aktuell liege diese Quote bei weiteren 35 Personen, sie habe jedoch auch schon mal bei 107 Personen (Anfang 2025) oder 89 Personen (Anfang 2024) gelegen. „Grundsätzlich ist aber mittlerweile ein Trend zu erkennen, dass reale Belegungszahlen und Quote zurückgehen“, stellt Derichs fest.
Zülpich: Bei den Neuzuweisungen habe sich die Situation entspannt, so Pressesprecher Torsten Beulen: „Es leben allerdings weiterhin rund 170 anerkannte Flüchtlinge in städtischen Unterkünften, die bisher keine eigenen Wohnraum gefunden haben.“
Wie volatil die Lage ist, zeigen die Zahlen der Zuweisungen: Allein in den letzten fünf Monaten 2023 seien es 117 gewesen und damit mehr als im ganzen Jahr 2024 (104). Vom 1. Januar bis 31. Oktober 2025 wurden der Stadt 89 Menschen zugewiesen, davon 77 in den ersten fünf Monaten.
Kreis Euskirchen: 290 Menschen leben derzeit in Landeseinrichtungen
Die Bezirksregierung Köln betreibt derzeit zwei Landesunterkünfte im Kreis Euskirchen, die Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) in Schleiden mit 420 Plätzen und die ZUE in Euskirchen mit 500 Plätzen.
Von Anfang 2023 bis Ende April 2025 wurde zudem eine Notunterkunft in Marmagen mit 750 Plätzen betrieben. „In den zuletzt besonders zuzugsstarken Jahren 2022 und 2023 waren alle drei Einrichtungen stark ausgelastet und regelmäßig voll belegt“, erklärte ein Sprecher der Bezirksregierung.
Die Belegung der Einrichtungen folge in der Regel den allgemeinen Zuzugstendenzen nach Deutschland und Nordrhein-Westfalen, da die Landesunterkünfte die ersten Ankunftspunkte in der Aufnahme von Geflüchteten darstellten.
Aktuell sind die ZUE Euskirchen mit 165 Personen und die ZUE Schleiden laut Bezirksregierung mit 125 Personen belegt.
„Von einem Notfallmodus, vergleichbar mit der Situation 2015/2016 kann aktuell nicht gesprochen werden“, so der Sprecher: „Vielmehr haben die Strukturen, welche in den vergangenen Jahren im Bereich der Unterbringung von Geflüchteten in NRW geschaffen wurden, dazu geführt, dass die aktuelle Situation händelbar ist.“ (sch)
Kreis Euskichen vezeichnet weniger Erst-, aber viele Folgeanträge
Bundesweit haben sich die Zahlen der Zuweisungen deutlich verändert, wie die Kreisverwaltung Euskirchen mitteilt. „Zwischen Januar und Oktober 2025 wurden laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 51 Prozent weniger Erst-Asylanträge gestellt als im gleichen Vorjahreszeitraum“, so der Kreis.
Gleichzeitig hat sich dem Kreis zufolge die Zahl der Folgeanträge – also erneuter Anträge nach Ablehnung – mehr als verdoppelt. Insgesamt sei die Zahl der laufenden Asylverfahren damit nur um etwa ein Drittel zurückgegangen.
Zwar kommen derzeit weniger neue Fälle hinzu, die Zahl der hier lebenden und zu betreuenden Geflüchteten bleibe aber weitgehend konstant.
„Die gesunkenen bundesweiten Zahlen machen sich bei uns erst mit Verzögerung bemerkbar“, heißt es aus der Ausländerbehörde des Kreises Euskirchen. Der Betreuungsaufwand sei bislang kaum gesunken. (tom)

