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KatastrophenschutzIm Notfall sorgt WASH im Kreis Euskirchen für Trinkwasser

6 min
Ein Mann in einer blauen Jacke steht an der geöffneten Hecktür eines Fahrzeugs, in dem mehrere Kisten verlastet sind. Ein Koffer mit technischer Ausrüstung ist geöffnet.

Projektleiter Stephan Schmitz zeigt einen Teil der Möglichkeiten von „Gunter“. Dies ist ein rollendes Labor des Gesundheitsamtes. 

Der Kreis Euskirchen kann bei Verunreinigungen im Trinkwassersystem auf eine spezielle DRK-Einheit und das eigene Laborfahrzeug  zurückgreifen.

Eine Nacktschnecke, die das Trinkwasser von Dahlem und Schmidtheim verunreinigt, ein mutmaßlicher Anschlag auf einen Hochbehälter bei Mechernich, ein langanhaltendes Abkochgebot in Tondorf – die jüngste Vergangenheit hat gezeigt, wie wichtig eine verlässliche Versorgung mit sauberem Trinkwasser ist. In Dahlem, Schmidtheim und Tondorf musste das Trinkwasser abgekocht werden – ärgerlich, umständlich, aber nicht damit zu vergleichen, wenn das Wasser aus der Leitung gar nicht mehr genutzt werden kann. Das war für einen knappen Tag für mehr als 10.000 Mechernicher der Fall, bevor auch hier die Warnstufe auf ein Abkochgebot herabgesetzt wurde, das dann noch einige Tage bis zur Entwarnung galt.

Sollte der „Worst Case“ (schlimmste Fall) eintreten, und das deutlich länger als im August 2024 in Mechernich, kann das Deutsche Rote Kreuz (DRK) mit seiner Einheit „Wasser und Hygiene“ (WASH – Water, Sanitation and Hygiene) zum Einsatz kommen. Die WASH-Einheit um Zugführer Frank Schamp ist auf die Herstellung und Bereitstellung von Trinkwasser spezialisiert.

Zwei Anlagen bereiten jeweils 6000 Liter Wasser pro Stunde auf

Sie verfügt über zwei Aufbereitungsanlagen mit jeweils 6000 Litern Leistung pro Stunde, Transportkapazitäten für 20.000 Liter und Lagerbehälter für weitere 40.000 Liter. Hinzu kommen mobile Abgabestellen, so genannte Aqua-Cubes, mit jeweils 1000 Litern Fassungsvermögen. Zwei neue Großtanks mit je 18.000 Litern sind derzeit in Planung. Damit kann die Einheit im Ernstfall mehrere 100 bis 1000 Personen gleichzeitig versorgen.

Sollte die WASH-Einheit ausrücken, ist auch das Gesundheitsamt des Kreises mit dabei. Damit im Ernstfall die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert, wird diese geübt – zuletzt bei einer groß angelegten Übung in Vogelsang. „Es war eine Premiere, aber sicherlich nicht die letzte gemeinsame Übung“, so Schamp.

Zwei Fahrzeuge des Gesundheitsamts des Kreises Euskirchen und des Deutschen Roten Kreuzes samt der entsprechenden Beschriftzungen stehen nebeneinander auf einem Parkplatz.

Seit einiger Zeit setzt das Gesundheitsamt auf „Gunter“. Dies steht für Gesundheit unterwegs.

Ein Lastwagen des DRK ist mit einem Wechsellader-System ausgestattet. In dem Container kann auch Trinkwasser transportiert werden.

Die WASH-Einheit des Deutschen Roten Kreuzes: Mit der Wechsellader-Komponente kann Trinkwasser transportiert werden.

Die Erfahrungen aus der Flutkatastrophe im Juli 2021 haben deutlich gemacht, wie anfällig die Trinkwasserversorgung ist, wenn Leitungsnetze zerstört oder verunreinigt werden. Unklare Leitungssituationen, beschädigte Infrastruktur und die Schwierigkeiten bei der Ersatzwasserversorgung führten dazu, dass das DRK sein Einsatzspektrum in der Trinkwasseraufbereitung deutlich erweiterte und mobiler gestaltete.

Entsprechend unterhält der DRK-Landesverband Nordrhein in Mönchengladbach-Güdderath ein Katastrophenschutzzentrum, in dem verschiedene Spezialeinheiten stationiert sind. Eine davon ist die WASH-Einheit, die unter anderem auch nach der Flut im Ahrtal im Einsatz war.

Wenn Menschen tagelang im Schlamm stehen und sich endlich waschen können, dann fließen manchmal Tränen der Erleichterung“, erinnert sich Frank Schamp vom DRK: „Ein Feuerwehrmann fiel mir weinend in die Arme – dankbar, dass er endlich wieder Wasser hatte. So etwas vergisst man nicht. Da macht man keine Fotos, da hilft man einfach.“

Der Kreis Euskirchen verfügt mit „Gunter“ über ein rollendes Labor

Aber nicht nur das DRK ist modern aufgestellt. Auch der Kreis Euskirchen hat ein viel beachtetes Fahrzeug samt Konzept. Kombiniert mit den Möglichkeiten des DRK, tun sich für den Kreis neue Möglichkeiten auf. Stolz ist man beim Kreis aber vor allem auf „Gunter“. „Gunter“ steht für Gesundheit unterwegs. Mithilfe des Laborfahrzeugs kann unter anderem die Wasserqualität direkt vor Ort überprüft werden. Es kann aber auch beispielsweise direkt vor einem Tattoo-Studio geparkt werden, um dort zu kontrollieren, ob die Nadeln richtig desinfiziert worden sind.

Das Fahrzeug verfügt über zwei Arbeitsplätze für mikrobiologische und chemische Analysen und ermöglicht eine schnelle Beprobung, noch bevor das Wasser an die Bevölkerung ausgegeben wird.

Wir können unterwegs nahezu jede Probe nehmen und untersuchen – egal, ob aus einem Tank, einem See oder einem Fluss.
Christian Ramolla, Gesundheitsamt Kreis Euskirchen

„Wir können unterwegs nahezu jede Probe nehmen und untersuchen – egal, ob aus einem Tank, einem See oder einem Fluss“, erklärt Christian Ramolla vom Gesundheitsamt des Kreises. Dafür gibt es eine ausziehbare Probenstange, die bis zu sechs Meter weit reicht: „Wenn die Probe in einem Meter Tiefe genommen werden muss, erreichen wir sie problemlos – auch von einem Steg aus.“

Die Erfahrungen mit dem Laborfahrzeug sind laut Projektleiter Stephan Schmitz durchweg positiv: In einem Fall konnten Maßnahmen bereits nach vier Stunden aufgehoben werden – ein Vorgang, der sonst bis zu 48 Stunden dauern kann. Im Fahrzeuginneren zeigt Gunter sich von seiner modernsten Seite: Ein Biologie-Arbeitsplatz mit Sicherheitswerkbank, Kühlschränken für Nährmedien, ein Chemie-Arbeitsplatz mit Messgeräten für Trübung und Leitfähigkeit sowie Computer für Dokumentation und Datenübermittlung.

Das Fahrzeug kann auch als mobile Arztpraxis eingesetzt werden

Zudem könne das Fahrzeug als mobile Arztpraxis eingesetzt werden. „Hierzu wurde neben einer umfassenden medizinischen Ausstattung wie EKG, Lungenfunktionstest, Seh- und Hörtestgerät und mobilem Ultraschall eine hochmoderne Videoausstattung integriert“, erklärt Schmitz. „Wir haben fast alles dabei, was ein Labor auch hat – nur eben auf Rädern“, sagt Ramolla. Die Energieversorgung erfolgt autark. Über eingebaute Batteriepacks oder bei Bedarf über die Stromversorgung vor Ort bleibt das Labor im Einsatz funktionsfähig. „Unsere Fahrzeuge sind sogenannte Dienststromerzeuger – kompakt, aber leistungsfähig“, so der ehemalige Leiter des Gesundheitsamts.

Je nach Auftrag tragen die Teams unterschiedliche Schutzausrüstung – vom Laborkittel bis hin zum Vollschutzanzug, wenn es um potenziell hochinfektiöse Proben geht. „Wenn wir in einem Umfeld mit Verdacht auf gefährliche Erreger arbeiten, geschieht das immer in enger Abstimmung mit der Feuerwehr“, erläutert Stephan Schmitz.

Langfristig plane das Gesundheitsamt eigene Einheiten für Hochinfektionslagen. „Aber dafür müssen Personal und Ausbildung vorhanden sein. Deshalb setzen wir derzeit auf Synergien mit Partnern“, betont er.

In Vogelsang wurde die Zusammenarbeit der Einheiten geübt

Bei der jüngsten Übung in Vogelsang wurde genau diese Zusammenarbeit praktisch erprobt. Die WASH-Einheit des DRK demonstrierte ihre Leistungsfähigkeit im Bereich der Trinkwasseraufbereitung, während das Gesundheitsamt mit „Gunter“ die Wasseranalysen durchführte. Ziel war es, die Trinkwasser-Analysetechniken beider Seiten aufeinander abzustimmen, denn auch das DRK verfügt über eine Art Light-Version von „Gunter“.

„Im Krisenfall müssen alle Zahnräder ineinandergreifen“, sagt Schmitz, der für die Planung von Sondersituationen im Gesundheitsamt zuständig ist: „Gerade die Zusammenarbeit zwischen Hilfsorganisationen und Behörden ist entscheidend, um die Bevölkerung zuverlässig zu schützen.“

Auch von Seiten der DRK-Landesvorhaltung wurde das betont: „Unsere Aufbereitungskapazitäten entfalten erst dann ihre volle Wirkung, wenn die behördliche Expertise zur Qualitätssicherung eng eingebunden ist“, so Schamp.

Die Einsätze und Übungen zeigen: Sichtbarkeit schafft Vertrauen. So auch beim Einsatz in Tondorf. Dort reagierten laut Schmitz die Bürgerinnen und Bürger positiv auf die Präsenz der Einsatzkräfte. „Die Leute kommen raus, bedanken sich und fragen nach dem Stand der Dinge“, so Schmitz: „Das zeigt uns, dass Wahrnehmbarkeit und Transparenz wichtig sind.“ Auch skeptische Stimmen gebe es immer wieder. Ramolla: „Aber die meisten wissen inzwischen, dass wir nicht vom Schreibtisch aus entscheiden. Wir sind draußen, sehen uns die Lage an und handeln vor Ort – das schafft Vertrauen.“


Mehrere Abkochgebote

Im November 2022 sorgte eine Nacktschnecke für ein Abkochgebot in Dahlem und Schmidtheim. Das Tier war durch eine schadhafte Gummidichtung im Deckels des Vorhaltebeckens in der Zwischenpumpstation gekrochen.

Mitte August 2024 wussten rund 10.000 Menschen in Teilen des Mechernicher Stadtgebietes nicht, wann sie wieder wie gewohnt das Wasser aus der Leitung nutzen konnten. War das Trinkwasser kontaminiert? Ein Loch im Zaun auf dem Gelände des Trinkwasser-Hochbehälters der Mechernicher Bleibergkaserne ließ den Verdacht aufkommen. Letztlich bestand aber keine Gefahr für die Bevölkerung.

Im Juli 2025 mussten Teile der Euskirchener Bevölkerung Wasser abkochen. Bei einer Kontrolle am Wasserwerk in Arloff war eine Trübung festgestellt worden.


Ein EU-Projekt

Das Basisfahrzeug „Gunter“ hat nach Auskunft der Verwaltung der Kreis bezahlt, bestückt wurde es in Zusammenarbeit mit der Firma Detecon. Die medizinische und technische Ausstattung dieses Fahrzeugs es Kreis-Fahrzeugs vom Gesundheitsamt wurde aus Mitteln des Projekts „Next Generation EU“ der Europäischen Union finanziert. Die Gesamtkosten belaufen sich laut Kreisverwaltung auf rund 400.000 Euro.