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NettersheimTrinkwasser immer noch verunreinigt: Tondorfer machen ihrem Unmut Luft

6 min
Christian Westfal, Eva Gäbler, Udo Gallmüller, Joachim Jordan, Prof. Martin Exner, und Norbert Crump sitzen an einem Tisch.

Sie waren angetreten, die Bürger von Tondorf zu informieren: Christian Westfal (v.r..), Wasserwerk Nettersheim, Eva Gäbler, Ordnungsamt Nettersheim, Udo Gallmüller und Joachim Jordan, Gesundheitsamt Kreis Euskirchen, Prof. Martin Exner, Norbert Crump, Bürgermeister.

Die Tondorfer machten ihre Sorgen über die Trinkwasserverunreinigung im Ort deutlich. Doch manches ist auch für die Experten noch unklar.

Sie haben Fragen, die Einwohner von Tondorf, jede Menge Fragen sogar. Entsprechend gut besucht war die Bürgersprechstunde, die das Gesundheitsamt des Kreises und die Gemeindeverwaltung Nettersheim am Montagnachmittag anboten.

Immer wieder kamen neue Anwohner, um ihre Fragen zu stellen, über ihre Sorgen und Probleme zu sprechen und vielleicht einen Hinweis dazu zu erhalten, wie lange die derzeitige unangenehme Situation noch andauern solle. Denn das Abkochgebot für das Trinkwasser gilt mittlerweile schon für die dritte Woche. Und ob es am kommenden Freitag beendet werden kann, ist ungewiss.

Trotz Chlorung sind immer noch Keime im Tondorfer Wasser

Die Lage ist komplex, und mittlerweile wachsen im Dorf Verunsicherung und Ungeduld. Es gibt Gerüchte: Wie kann es sein, dass trotz Chlorung noch immer Keime im Tondorfer Wasser nachgewiesen werden? Warum wird die Ursache nicht gefunden?

Um dezidierte Antworten geben zu können, waren mit Bürgermeister Norbert Crump und Udo Gallmüller, Teamleiter im Gesundheitsamt des Kreises, die Leitungsebenen der beiden Behörden vertreten. Verstärkt wurden sie durch Joachim Jordan, im Gesundheitsamt des Kreises für den Bereich Trinkwasser zuständig, Christian Westfal, zuständig für das Gemeindewasserwerk Nettersheim, und die Allgemeine Vertreterin Eva Gäbler sowie Prof. Martin Exner, Facharzt für Hygiene, Geschäftsführender Direktor des Zentrums für Infektiologie und Infektionsschutz der Universität Bonn sowie Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene.

Das Foto gewährt einen Blick in den Tondorfer Hochbehälter und zeigt ein komplexes Gebilde aus Rohren.

Ein Labyrinth aus verschiedenen Rohren verteilt das Wasser im Keller des Tondorfer Hochbehälters

Bei so viel Fachkompetenz liegt die Annahme nahe, dass Antworten gegeben werden konnten. Doch die Spezialisten haben selbst noch Fragen. Denn die Ursache der Verschmutzung steht immer noch nicht fest.

Eine Vermutung liegt nahe: In der Falkenberger Straße wurde am Trinkwassernetz gearbeitet, sodass das normalerweise geschlossene Netz geöffnet wurde und die Gefahr für Verschmutzungen bestand. In dem Umfeld seien die ersten Verschmutzungen festgestellt worden.

Experten rätseln über die Ursache der Verunreinigungen

Doch es gebe auch noch andere Möglichkeiten, stellte Gallmüller dar. „Wenn etwa an einem Hydranten oder einem Rohr ein Schaden entstanden ist, dann kann es sein, dass zum Beispiel Verschmutzungen von einem Acker in die Leitung gelangen“, sagte er.

Es gibt keinen logischen Zusammenhang. Nach jedem Testergebnis gibt es wieder neue Fragezeichen.
Udo Gallmüller, Teamleiter im Gesundheitsamt des Kreises Euskirchen

Da könne es auch genügen, wenn die Feuerwehr ein Standrohr in einen Hydranten setze. Erstaunlich angesichts eines strammen Überdrucks in der Wasserleitung, doch die Möglichkeit bestehe, führte er aus: „Wenn das Wasser in der Leitung plötzlich in eine andere Richtung fließt, kann es sein, dass kurzfristig ein Unterdruck entsteht und Keime in das Wasser gelangen.“

Keine angenehme Vorstellung, dass irgendwo im Tondorfer Netz ein Schaden sein könne. Denn die Leitungen liegen in rund einem Meter Tiefe in der Erde, und eine Leckageortung sei derzeit nicht möglich, erläuterte Gäbler. „Das ginge mit einer akustischen Ortung, sodass man hört, wo Wasser fließt, wenn keins fließen dürfe“, stellte sie dar. Doch derzeit gebe es mehrere Dauerläufer, aus denen ständig Wasser laufe, um die Leitungen zu spülen. Auch bleibt die Frage, ob ein Haarriss genug Wasserfluss erzeugt, sodass er hörbar wird.

Dreimal in der Woche werden Proben an 21 Stellen genommen

Leider sei es derzeit nicht möglich festzustellen, wo die Keime in das Netz gelangt seien, erläuterte Gallmüller. 21 Prüfstellen gebe es in Tondorf, an denen dreimal in der Woche Proben gezogen würden. Die Verschmutzungen träten aber immer wieder an anderen Stellen auf, erklärte er. „Es gibt keinen logischen Zusammenhang. Nach jedem Testergebnis gibt es wieder neue Fragezeichen“, sagte er. Denn es handele sich in Tondorf um eine Ringleitung, in der das Wasser je nach Gebrauch von der einen auf die anderen Seite fließe. Daher könnten Keime unkontrolliert wandern.

Die Frage, warum es trotz Chlorung nicht gelinge, die Keime loszuwerden, konnte beantwortet werden. Hier kennt sich besonders Prof. Exner aus, der seine Habilitationsschrift über das Thema „Biofilme in Leitungswassernetzen“ verfasst hat.

„Das ist ein Schleim, mit dem sich die Bakterien vor einem Desinfektionsmittel schützen“, erklärte er. So hätten Steine, die man aus einem Bach holt, oft einen derartigen schleimigen Überzug. „Das ist zum Beispiel ein Biofilm“, sagte er. Wenn so etwas in einer Leitung sei, könne es länger dauern, bis die Chlorung wirke. „Wir sind, wie jeder Bürger, angehalten, Geduld zu haben“, sagte Crump.

Bürger bringen Gülle als mögliche Ursache ins Spiel

Auch die Differentialdiagnose der gefundenen Keime helfe nur bedingt weiter. So sei festgestellt worden, dass es sich nicht um Escherichia coli handele, was eine Verschmutzung über Fäkalien nahegelegt hätte. „Es sind Keime, die auch in der Umwelt vorkommen“, sagte Exner. Die Reaktion der Gemeinde und des Gesundheitsamtes sowie die getroffenen Maßnahmen seien völlig richtig, sagte der Facharzt.

Vor allem die Frage nach der Ursache der Verschmutzung beschäftigt die Tondorfer. „Können Sie ausschließen, dass es durch Gülle kommt?“, fragte einer, der wie viele andere seinen Namen nicht nennen wollte. „Wir können nichts ausschließen“, so die Antwort Gallmüllers.

Mehrere Anwohner berichteten, dass in der Woche, bevor die Verschmutzungen festgestellt worden waren, eine große Menge Gülle auf eine Fläche am Hochbehälter ausgebracht worden sei. Immer wieder kam auch die Frage eines möglichen Regresses auf, doch das sei schwierig, stellte Crump dar. „Wir müssten das gerichtsfest beweisen können“, stellte er das Problem dar.

In Tondorf herrschen Sorge, Ungeduld und Unmut

Ungeduldig und aufgebracht kamen viele zu der Bürgersprechstunde, machten keinen Hehl aus ihrer Anspannung in der Situation. „Ich habe Vertrauen in das, was gemacht wird, aber ich habe Angst“, sagte einer, der nach eigener Aussage Probleme mit dem Immunsystem hat. Das könne kein Dauerzustand sein, es müsse eine Lösung gefunden werden. Ihn störe noch nicht einmal der Chlorgeruch im Wasser.

Das sehen andere anders, so Dr. Anne Katharina Zschocke, die sich durch ihre Erfahrungen mit Effektiven Mikroorganismen (EM) auskennt. Die könnten auch die Haut beruhigen, wenn das Chlor nicht vertragen werde, sagte sie. Sie selbst aber fahre zum Duschen in einen Nachbarort. Von dieser Notlösung berichteten auch andere Tondorfer. Zum Kochen werde oft Mineralwasser verwendet, berichteten sie.

Ich habe Vertrauen in das, was gemacht wird, aber ich habe Angst.
Bürger aus Tondorf

Viele zeigten sich mit den Auskünften der Fachleute erst einmal zufrieden, auch wenn das unbehagliche Gefühl nicht weichen wollte. „Was mir fehlt, ist die Suche nach einer Alternative“, sagte einer der Besucher. Sicherlich sei das eine Frage des Aufwands, aber er habe das Gefühl, weitere Maßnahmen würden verschoben. Gerade wegen der Sichtung der Güllefahrzeuge bleibe ein Beigeschmack.

Er glaube nicht, was ihm erzählt worden sei, sagte dagegen ein anderer. „Ich glaube, wir werden hier massiv belogen“, wetterte er, als er die Sprechstunde verlassen hatte. Da werde etwas verschleiert, das werde zum Beispiel dadurch deutlich, dass die Alarme, die er vom Hochbehälter vernommen habe, nicht verzeichnet worden seien.

Zurzeit werden weitere Proben des Trinkwassers analysiert

Den Hinweis von Westfal und Gäbler, dass es zwei Alarmsysteme gebe, eins für Einbrecher und eins für die Wasserqualität im Hochbehälter, und nur der für die Wasserqualität aufgezeichnet werde, akzeptiere er nicht. „Ich glaube, hier wird etwas vertuscht“, monierte er.

Drei Proben, von Montag bis Mittwoch an verschiedenen Wasserhähnen in Tondorf entnommen, werden analysiert. Zwei Tage dauere es, bis die Keimkulturen Ergebnisse zeigten, so Exner. Auch wenn am Freitag Entwarnung gegeben werden könne, könnten die Probleme weiterbestehen.

„Wir müssen dann sehen, ob die Belastung wiederkommt, wenn die Chlorung abgestellt wird“, erläuterte Gallmüller. Dazu würde die Chlormenge sukzessive reduziert und das Wasser weiterhin beprobt. „Wenn wir dann noch Keimbefall haben, müssen wir überlegen, wie es weitergehen kann. Dann müssen vielleicht andere Maßnahmen ergriffen werden“, sagte er.