Schutz für JungtiereSo sollen Drohnen Rehkitzen in Blankenheim das Leben retten

Lesezeit 4 Minuten
Rehkitze werden von ihren Müttern in der Wiese abgelegt.

Drohnen sollen Bambis Leben retten: Seit drei Jahren gibt es im Kreis Euskirchen einen Verein, der die Gefahr für Jungtiere reduzieren will.

Im Kreis Euskirchen konnten im vergangenen Jahr 25 Rehkitze vom Rehkitzrettungsverein vor dem Tod in der Mahdsaison bewahrt werden.

Rund 100.000 Rehkitze werden pro Jahr während der Grasmahd im Frühjahr getötet oder verstümmelt. Jäger, Landwirte und der 2020 gegründete gemeinnützige Verein „Rehkitzrettung Kreis Euskirchen“ wollen durch eine noch bessere Zusammenarbeit die Gefahr für die Jungtiere möglichst reduzieren. „Wir unterstützen das sehr!“ Helmut Dahmen, Vorsitzender der Kreisbauernschaft, fand deutliche und anerkennende Worte, und Bodo Weranek, Vorsitzender der Kreisjägerschaft, nickte entschieden zustimmend.

Auf dem Heidehof der Landwirtsfamilie Hermeling bei Freilingen – ein Bauernhof mit einer selbst für die Nordeifel traumhaften Aussicht in Täler und auf die nächsten Höhenzüge – hatten die beiden Funktionäre nicht ohne Grund die Presse eingeladen. Denn sie machten gestern klar, dass ihnen die Arbeit des 2020 gegründeten Vereins Rehkitzrettung Kreis Euskirchen wichtig ist. Er unterstützt die Bemühungen der Landwirte in der Sache. Kurz vor Beginn der ersten Grasmahd des Jahres steht auch die Setzzeit des Rehwildes bevor: Lebensgefahr für die jungen Kitze.

Jungtiere im „Duckmodus“

Warum, ist leider bekannt. Nach neuneinhalbmonatiger Tragzeit setzt die Ricke ein bis zwei bei der Geburt rund ein Kilogramm schwere Jungtiere gerne in – vor der Mahd – bis zu 65 Zentimeter hohem Gras ab. Die Jungtiere nehmen sofort instinktiv für die ersten Tage den „Duckmodus“ ein, so Bernd Osterthun vom Rehkitzverein. Das Kitz bewegt sich nicht, es ist durch die Fleckfärbung des Fells getarnt, und es hat zunächst kaum Eigengeruch. Alles zusammen soll das Überleben des Jungtieres sichern, das die Ricke zunächst nur zum Säugen besucht, aber aus der Entfernung beobachtet.

Das Szenario wirkt für den Laien idyllisch, doch tatsächlich ist es alles andere als das. Denn ab Mai beginnt auf einem Großteil der rund 30.000 Hektar Grünlandfläche im Kreisgebiet die Frühjahrsmahd. Bernd Osterthun vom Rehkitzrettungsverein hat zwei Teams mit Drohnen, Monitor, Funkgeräten und belüfteten Kisten zur Hand, um möglichst viele Rehkitze zu retten. Damit unterstützen die Teams die Bemühungen von Landwirten, die mit eigenen Drohnen dem Tierschutz zuliebe vor dem Befahren ihrer Felder und Wiesen mit dem Mähdrescher das Areal überfliegen.

Denn es geht ja nicht nur um den Wildtierschutz, sondern auch um den des Viehs. Frisst es Heu, das mit dem Kadaver eines vom Mäher zerhäckselten Rehkitzes durchsetzt ist, können sich gefährliche Botulismus-Bakterien entwickelt haben. Wie kann man nun die gute Absicht der Kitzrettung mit dem Lebensalltag eines landwirtschaftlichen Betriebes zusammenbringen? Man wisse oft ja selbst am Nachmittag vor dem für die Mahd vorgesehen Tag noch nicht, wie sich das Wetter dann tatsächlich entwickele, erläuterte Helmut Dahmen die Ausgangslage.

Doch die Rehkitzretter müssen spätestens am Vorabend bis 18 Uhr die Information über die bevorstehende Mahd bekommen, um noch ein Team aus Drohnenpilot und Beobachter, der zugleich auch der Einweiser für mindestens zwei Helfer und Helferinnen ist, zusammenstellen zu können. Und dann wird es ohnehin knapp: Schon um 5.30 Uhr und spätestens bis 10 Uhr am Vormittag können die Rehkitzretter vor Ort ihre Überflüge in 60 bis 80 Metern Höhe beginnen. Je früher, desto besser. Dann sind durch die Temperaturunterschiede die Aufnahmen der Wärmebildkamera am genauesten.

Rehkitz zieht für die Mahd um

Ist ein Rehkitz gefunden, werden die Helfer zum Fundort gelotst. Dort wird das Kitz behutsam in einen mit Gras ausgelegten, belüfteten und mit einem Deckel verschlossen Korb gelegt. Natürlich tragen die Helfer Handschuhe, um jede Fremdgeruchübertragung zu vermeiden. Der würde die Ricke dazu bringen, ihr Jungtier nicht mehr anzunehmen. Ist die Wiese gemäht, wird das Kitz wieder am Fundort ausgesetzt. Ricke und Kitz finden durch Fiep-Laute wieder zusammen.

Der Rettungseinsatz selbst ist vergleichsweise unspektakulär, und mittlerweile als erfolgversprechendster Weg der Rehkitzrettung anerkannt. Die Anbringung diverser „Scheuchen“ aus Papier oder das Aufstellen von „Vergrämern“, die die Tiere mit Blinken und Pfeiftönen verscheuchen, muss ebenfalls möglichst kurz vor der Mahd erfolgen, um einen „Gewöhnungseffekt des Wildes“ (Osterthun) zu vermeiden. Wärmebildkameras, direkt am Mähgerät angebracht, sind aufwändig zu kontrollieren und weniger sicher in der Nutzung als die überfliegende Drohne. Wie relevant aber der Rehkitzschutz wirklich ist, blieb beim Termin am Heidehof offen.

Im Gegensatz zu den Rotwildbeständen, die schon aufgrund der jährlich aufzustellenden Abschusspläne möglichst genau erfasst werden sollen, gibt es für die kleinste Art – Rehe erreichen nur eine Schulterhöhe zwischen 54 und 84 Zentimetern – keine solche Zählpflicht. Dafür aber eine andere Statistik: 117.496 Stück Rehwild wurden in der Jagdsaison 2021/22 laut Deutschem Jagdverband in NRW erlegt, bundesweit waren es 1,276 Millionen. Ebenfalls deutschlandweit sterben um die 100.000 Kitze jährlich während der Mahd. Im Kreis Euskirchen konnten im vergangenen Jahr 25 vom Rehkitzrettungsverein vor dem Tod in der Mahdsaison bewahrt werden.


Helfer und Drohnen

„Wir würden unser Team gerne vergrößern und auch weitere Drohnen kaufen“, so Bernd Osterthun vom Verein Rehkitzrettung Euskirchen. Der ehrenamtliche Verein finanziert sich ausschließlich über Spenden und bietet seine Dienste für die Landwirte bisher kostenlos an. Wer als Landwirt selbst eine Drohne zwecks Überflug seiner Wiesen zur Wildtierrettung kaufen will, kann beim Bundeslandwirtschaftsministerium nach Angaben der Kreisbauernschaft eine Förderung von rund 60 Prozent der Kosten (maximal 4000 Euro) beantragen. (sli)

KStA abonnieren