FachkräftemangelImmer mehr Kitas im Kreis Euskirchen, doch wer betreut die Kinder?

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Ein Roboter macht den Kindern Bewegungsübungen vor.

Noch ist es nicht so weit, dass robotische KI die Kinder bei Laune hält. Es wird aber schwieriger, Erzieherinnen und Erzieher aus Fleisch und Blut zu finden.

Mit immer mehr Kitas versuchen im Kreis Euskirchen den Rechtsanspruch auf Betreuung zu erfüllen. Kann das klappen?

In der Abteilung Jugend und Familie im Euskirchener Kreishaus ist derzeit noch mehr zu tun als ohnehin. Saisonbedingt, wenn man so will. Denn jedes Jahr im März möchten Landes- und Kreispolitiker die Zahlen hören, die aus den Anmeldungen der Eltern für das kommende Kita-Jahr hervorgehen.

Noch dringt nichts heraus. Doch eine Frage wird immer drängender: Gibt es genug Erzieherinnen und Erzieher? Zwar wurden in den vergangenen Jahren wegen des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Betreuung massenweise neue Kitaplätze geschaffen, aber passen die politisch beschlossenen Anforderungen noch zu den personellen Voraussetzungen?

Es bedarf aber wesentlich größerer Anstrengungen, geeignetes Personal zu finden.
Rolf Klöcker, Deutsches Rotes Kreuz

Für den Kreisgeschäftsführer des DRK, Rolf Klöcker, jedenfalls handelt es sich angesichts dieser Schere, in der Anspruch und Wirklichkeit auseinandergehen, weniger um einen Fachkräftemangel als um einen Fachkräftemehrbedarf.

Noch besteht kein Anlass zur Panik. Die „Kitastrophe“, wie sie andernorts schon ausgerufen wurde, findet im Kreis Euskirchen (noch) nicht statt. „Es bedarf aber wesentlich größerer Anstrengungen, geeignetes Personal zu finden“, sagt Klöcker, dessen Verband mit 90 Gruppen in 34 Kitas in Bad Münstereifel, Blankenheim, Nettersheim, Schleiden und Weilerswist größter Träger im Kreis ist.

In den vergangenen sechs Jahren habe das DRK fünf neue Kitas mit insgesamt zwölf Gruppen im Kreis zusätzlich an den Start gebracht. „Es ist uns glücklicherweise gelungen“, so Klöcker, „nicht nur das vorhandene Personal zu binden, sondern dafür rund 50 Fach- und Ergänzungskräfte zusätzlich einzustellen.“

DRK beschäftigt in seinen Kitas im Kreis Euskirchen rund 450 Menschen

Schließlich gilt es, den gesetzlichen Vorgaben gerecht zu werden: Klöcker zufolge sind das pro Gruppe mindestens zwei Kräfte. In der Unter-3-Jährigen-Betreuung und in gemischten Gruppen (U3 und Ü3) müssen es Fachkräfte sein, in Ü-3-Gruppen eine Fach- und eine Ergänzungskraft.

„Da viele Kolleginnen und Kollegen in Teilzeit arbeiten, sind es bei uns durchschnittlich fünf Mitarbeitende pro Gruppe“, so Klöcker. Das DRK beschäftigt 375 Fachkräfte (darunter 24 männliche) in den Kitas plus 72 Ergänzungskräfte, zumeist Kinderpflegerinnen.

Es braucht also Personal. Die Gemeinde Dahlem hat seit 2019 das Personal auf 49 Erzieherinnen und einen Erzieher verdoppelt, wie Bürgermeister Jan Lembach erklärt. Vier Kitas mit insgesamt neun Gruppen hält die Gemeinde am Laufen. „Wir kommen noch gut klar“, so Lembach. Die Bewerbungen würden aber weniger.

Kitas im Kreis Euskirchen finden schwieriger Erzieherinnen

Das Wörtchen „noch“ begründet der Bürgermeister mit den erforderlichen Qualifikationen, dem Schlüssel Erzieher/Kind, der Verkleinerung der Gruppen, der Ausweitung der Betreuungszeiten und einem konstant höheren Krankenstand seit Corona. „Es werden die Anforderungen an die Kitas stetig erhöht, ohne dass dafür Fachpersonal vorhanden ist“, kritisiert Lembach Bund und Land.

Ähnliches hört man aus dem Euskirchener Rathaus. Die Stadt beschäftigt 280 Erzieherinnen und 10 Erzieher in 22 Einrichtungen mit 59 Gruppen. „Es wird durchaus als problematisch angesehen, dass übergeordnete staatliche Stellen politische Versprechungen machen und bei Bürgerinnen und Bürgern Erwartungen wecken, die faktisch vor Ort an Grenzen stoßen“, sagt Pressesprecher Tim Nolden.

Das Bild zeigt Jan Lembach.

Wo ausreichend Personal sei, kämen neue Kräfte auch gerne hin, beschreibt der Dahlemer Bürgermeister Jan Lembach einen positiven Kreislauf.

Angebote und Personalsituation passen nicht zusammen. „Das müssen die Arbeitsmarktexperten doch lange voraussehen können, welches Fachkräfte-Angebot dem tatsächlichen Bedarf entgegensteht“, schüttelt Lembach den Kopf. Er fordert, die Zuschüsse an die Träger dem Personalbedarf anzupassen.

Ausreichende Personalbesetzung ist unser wesentlicher Anreiz für die vorhandenen und neuen Kolleginnen und Kollegen.
Jan Lembach, Bürgermeister der Gemeinde Dahlem

Klöcker fällt auch einiges ein, was Bund und Land leisten müssten: Mehr Plätze in den Fachschulen für Sozialpädagogik etwa oder eine Aufwertung des Berufsbildes, die sich natürlich auch im Gehalt widerspiegelt. „Um attraktivere Gehälter zahlen zu können, ist es aber dringend erforderlich, dass das Land die Kindpauschalen nach dem Kinderbildungsgesetz im Rahmen der Refinanzierung deutlich erhöht“, sagt Klöcker.

Awo sieht in der gestiegenen Fluktuation eine Herausforderung

Die knappe Finanzierung ist auch nach Ansicht von Anna Schlößer ein großes Problem. „Die Pauschalen müssten eigentlich höher sein“, sagt die Verantwortliche für den Kita-Bereich bei der Arbeiterwohlfahrt Rhein-Erft & Euskirchen, die 26 Einrichtungen im Kreis Euskirchen, nämlich in Euskirchen, Mechernich und Hellenthal, betreibt.

Die gestiegene Fluktuation sei zudem eine große Herausforderung für die Träger. „Die Menschen binden sich nicht mehr so an einen Arbeitgeber wie früher.“ Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter könnten sich den Arbeitgeber aussuchen. Derzeit könne sie aber nicht über Personalmangel klagen, sagt Anna Schlößer. 2023 sei es hingegen schon mal eng geworden. „Wir haben 140 Erzieherinnen in Ausbildung“, berichtet Schlößer von den langsam fruchtenden Gegenmaßnahmen.

Gesundheitskurse und Fahrräder – so werben Kita-Träger um Personal

Auch bei den anderen Trägern steht Ausbildung hoch im Kurs. „Man braucht sich nicht zu wundern, keine Fachkräfte zu bekommen, wenn man nicht selbst ausbildet“, fasst es Klöcker zusammen. Die Stadt Euskirchen wirbt über Dauerausschreibungen und beschriftete Dienstfahrzeuge („Wir suchen Dich“) und lockt laut Pressesprecher Nolden mit einem „guten Angebot von internen und externen Fortbildungen, eigener Fachberatung und attraktivem Tarifvertrag öffentlicher Dienst“.

Familienfreundliche Arbeitsbedingungen und ein gutes Klima sind laut allen Trägern ein Muss. Und eines bedingt das andere: „Ausreichende Personalbesetzung ist unser wesentlicher Anreiz für die vorhandenen und neuen Kolleginnen und Kollegen“, sagt Lembach. Aktives Personalmanagement sorge dafür, dass jede Beschäftigte an ihrer „Wohlfühlstelle“ arbeite.

Das DRK offeriert unter anderem interne und externe Gesundheitsangebote, teils während der Arbeitszeit. Umfangreiche Fort- und Weiterbildungsangebote, Fahrradleasing, Beratungsangebote und therapeutische Hilfe sowie Unterstützung in privaten und beruflichen Belastungssituationen runden das Angebot des DRK laut Klöcker ab.

Noch ist ausreichend Personal vorhanden, das DRK verzeichnet sogar einen Überhang. Das belastet zwar den Personaletat, ist aber eine Investition. „In den nächsten zwei Jahren steht die Fertigstellung von drei neuen DRK-Kindertageseinrichtungen in Blankenheim, Olef und Gemünd mit insgesamt 14 Kindergartengruppen an“, erklärt Klöcker. Spätestens dann dürfte sich das mit dem Personalüberhang rasch erledigt haben.

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