Mechernicher berichtenWarum der Ortsvorsteher so wichtig für das Dorf ist

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Hat alles im Blick: Ortsvorsteher Robert Ohlerth (rechts) schaut von seinem Balkon aus auf den gesamten Ort. Marco Kaudel, Ortsvorsteher in Lessenich, ist von der fast herrschaftlichen Aussicht begeistert.

Hat alles im Blick: Ortsvorsteher Robert Ohlerth (rechts) schaut von seinem Balkon aus auf den gesamten Ort. Marco Kaudel, Ortsvorsteher in Lessenich, ist von der fast herrschaftlichen Aussicht begeistert.

  • Robert Ohlerth ist seit mehr als 35 Jahren Ortsvorsteher in Mechernich-Kallmuth.
  • Marco Kaudel hingegen ist erst seit vergangenem Mai als Ortsvorsteher in Lessenich unterwegs.
  • Trotz der unterschiedlichen Erfahrung, eint beide das Amt: Sie berichten, warum der Job so wichtig ist und wie sie Bindeglied zwischen Ort und Rat sein können.

Mechernich-Kallmuth – Wenn Robert Ohlerth auf seinem Balkon steht, hat er sein Dorf im Blick. Rechts die Kirche, links Wiesen und Wälder, dazwischen Wohnhäuser und Höfe. Seit mehr als 35 Jahren wacht der 71-Jährige nun schon über den Ort mit knapp 400 Einwohnern. 1984 wurde er zum ersten Mal zum Ortsvorsteher gewählt und ist es seitdem geblieben. Angefangen habe aber alles schon zehn Jahre zuvor, erzählt er. 1974 gründete er mit Gleichgesinnten das Ortskartell und ist bis heute dessen Vorsitzender. Im Dorf kennt ihn jeder. „Ich habe ja ganze Generationen begleitet.“

Auf eine so lange Erfahrung an der Spitze eines Dorfes kann Marco Kaudel noch nicht zurückblicken. Der 35-Jährige ist erst seit dem vergangenen Mai der Lessenicher Ortsvorsteher. 34 gibt es davon im Stadtgebiet Mechernich, für 42 Ortsteile. Ihre Aufgabe ist es, das Bindeglied zwischen ihrem Ort und dem Stadtrat zu sein. Sonst würden die kleinen Außenorte in der Politik schnell übersehen werden, sagen Ohlerth und Kaudel.

Dorffeste, Vereinsaktivität, Nachbarschaftsstreit

Wer den beiden zuhört, lernt allerdings schnell, dass ein Ortsvorsteher noch viel mehr ist als ein politisches Bindeglied. Er organisiert Dorffeste, ist in den Vereinen aktiv, versucht, Nachbarschaftsstreitigkeiten zu klären und ist für alle im Dorf der erste Ansprechpartner. Egal, ob es um nicht brennende Straßenlaternen, neue Stühle für das Dorfgemeinschaftshaus oder zu laute Musik beim Nachbarn geht. Sie seien schon ein wenig der Mülleimer für den Ärger der Leute, formuliert es Kaudel. Müssen Ortsvorsteher deshalb besonders diplomatisch sein? „Man kann es nicht allen Recht machen. Deshalb braucht man eine klare Idee, die man verfolgt“, sagt Ohlerth dazu.

Seine Idee, als er 1974 anfing sich zu engagieren, war es, etwas für die Kinder im Ort zu tun. „Es war im Dorf nichts mehr los“, sagt er: „Hier hatten die Bauern das Sagen.“ Durch den Ort seien hauptsächliche Kühe getrieben worden, doch ein Dorfleben habe kaum stattgefunden. Das habe er mit dem Ortskartell ändern wollen. Sie organisierten Martinszüge, Nikolausfeste und Karnevalssitzungen.

Der Ortsvorsteher von Lessenich ist noch frisch im Amt: Erst im Mai 2019 übernahm Marco Kaudel das Amt.

Der Ortsvorsteher von Lessenich ist noch frisch im Amt: Erst im Mai 2019 übernahm Marco Kaudel das Amt.

In all den Jahren seiner Tätigkeit habe er für seine Ziele auch schon mal zu unkonventionellen Mitteln gegriffen, erzählt Ohlerth. Um den alten Dorfbrunnen wieder in Betrieb nehmen zu können, hätten er und seine Mitstreiter diesen kurzerhand an die Leitung eines nahen Telefonhäuschens angeklemmt. Das sei dann allerdings aufgefallen, als das Telefonhäuschen abgerissen wurde, berichtet er und lacht. „Wenn wir nicht einfach machen würden, würden wir vieles gar nicht bekommen“, sagt Kaudel. Die Verwaltung unterstütze aber die Ortsvorsteher, die sich engagierten und im Ort aktiv seien.

„Es ist doch mehr Arbeit als gedacht“

Und das ist zeitaufwendig. „Ich habe keine Kirmes verpasst“, erzählt Ohlerth. Außerdem sei er in vielen Vereinen im Ort tätig. Er habe schon lange aufgehört, die Stunden, die er als Ortsvorsteher tätig sei, zu zählen. Dass das Amt quasi ein zweiter Beruf ist, musste auch Kaudel lernen. „Ich hatte überhaupt keine Vorstellung dazu“, sagt er. Vieles lasse sich heute zwar per Telefon oder E-Mail klären, aber es sei doch mehr Arbeit als gedacht. Familie, Beruf und Ort dabei unter einen Hut zu bekommen, das sei nicht immer ganz einfach. Bei ihm komme noch das Problem hinzu, dass er nicht in Lessenich wohne.

Seit mehr als 35 Jahren hat Kallmuth nun schon denselben Ortsvorsteher: Robert Ohlerth.

Seit mehr als 35 Jahren hat Kallmuth nun schon denselben Ortsvorsteher: Robert Ohlerth.

Er sei zwar in dem Dorf aufgewachsen, heute aber in dem zwei Kilometer entfernten Wachendorf zu Hause. „Ein Ortsvorsteher gehört eigentlich in den Ort rein“, sagt er. Deshalb sei es mittelfristig sicherlich auch besser, jemand aus dem Ort übernehme das Amt. Er sei dennoch bereit, auch nach der Kommunalwahl im September weiterhin Ortsvorsteher von Lessenich zu bleiben. Gesetzt den Fall, es finde sich niemand anderes und der Rat wähle ihn, so Kaudel. Zudem wolle er bei der Wahl für den Stadtrat kandidieren.

Kaudel ist in der CDU, Ohlerth Mitglied in der SPD. Um wirklich etwas als Ortsvorsteher bewegen zu können, sei es nötig, einer Partei anzugehören. Darin sind sich Ohlerth und Kaudel einig. Nur dann habe man ein Sprachrohr im Stadtrat. Im Ort spiele die Parteifarbe aber kaum eine Rolle, bekräftigen beide. Da zähle der Mensch. Nicht immer geht es reibungslos. „Man eckt auch an. Ich habe ein paar Leute, die nicht mehr mit mir reden“, sagt Ohlerth. Aber das Positive überwiege. „Wenn ich morgens am Kindergarten vorbei spaziere, dann rufen die alle: ,Robert’“, erzählt er und lächelt.

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Den Vorsitz im Ortskartell will der Rentner bald abgeben. Als Ortsvorsteher will er sich im September noch einmal zur Verfügung stellen – wenn die Gesundheit es zulässt. Doch selbst für den Fall, dass er das Amt einmal nicht mehr inne hat: Auf seinem Balkon über Kallmuth hat Ohlerth weiterhin alles im Blick.

Kreis Euskirchen schaffte Ortsvorsteher ab

Nicht alle Kommunen im Kreis Euskirchen haben Ortsvorsteher. Bad Münstereifel, Hellenthal, Schleiden und die Kreisstadt selbst verzichten auf das Amt. In Schleiden beispielsweise wurde es 2009 abgeschafft, aus Kostengründen.

Denn Ortsvorsteher erhalten eine Aufwandsentschädigung. In Mechernich seien das 130 Euro pro Monat, sagen Kaudel und Ohlerth. Bei 34 Ortsvorstehern sind das etwas mehr als 53 000 Euro pro Jahr. Aus diesem Grund haben die Grünen 2009 im Mechernicher Rat ebenfalls einen Antrag gestellt, das Amt des Ortsvorstehers abzuschaffen. Doch der wurde abgelehnt.

In Weilerswist und Dahlem gibt es zwar keine Ortsvorsteher, dafür aber Ortsbürgermeister. Allerdings ist nur der Name ein anderer, die Aufgaben der Ortsbürgermeister sind dieselben, wie die eines Ortsvorstehers.

Die Ortsvorsteher werden vom Stadt- oder Gemeinderat gewählt. Dabei benennt in der Regel die Partei den zu wählenden Kandidaten, die in dem Ort bei der Wahl die meisten Stimmen erhalten hat. Die Mehrheit der Ortsvorsteher in Mechernich ist männlich. Lediglich vier Frauen sind darunter. In den anderen Kommunen sieht es ähnlich aus.

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