15 Häuser für 300 MenschenGroßes Interesse an der neuen Unterkunft in Vogelsang

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Endspurt: Nach monatelangen Bauarbeiten stehen in der Schelde nur noch Restarbeiten an. 

Endspurt: Nach monatelangen Bauarbeiten stehen in der Schelde nur noch Restarbeiten an. 

Vogelsang – Das Interesse ist groß: Rund 200 Menschen sind bei klirrender Kälte nach Vogelsang gekommen, um vor dem Einzug der Flüchtlinge die Unterkunft in der vom belgischen Militär gebauten und einst als Truppenunterkunft genutzten „Schelde“in Augenschein zu nehmen.

Architektur

40 eingeschossige, barackenartige Gebäude sind symmetrisch angeordnet. 15 dieser Häuser sind aktuell hergerichtet: Unterkünfte, Sanitärhäuser, Verwaltungsgebäude und Sozialeinrichtungen sind darin entstanden.

Das Gelände ist umzäunt und wird von einem Sicherheitsdienst bewacht. In „Miltär-Grün“ sind die hauptsächlich aus Holz errichteten Häuser angestrichen. Das unterstreicht den Lager-Charakter.

Gerne hätte das DRK, das die Einrichtung zumindest bis Ende April betreibt, alles ein wenig freundlicher gestaltet. Doch die Denkmalschützer schieben dem einen Riegel vor. Gleiches gilt für den Innenbereich, wo der Grundcharakter erhalten bleiben muss. „Wir werden noch Kunstwerke im Gelände aufstellen, um die Optik etwas aufzuweichen“, sagt Ralf Hergarten, der Leiter des Betreuungsdienstes des DRK. Er weiß aber auch: „Brechen können wir sie nicht.“

Gäste

Für 300 Menschen ist die Schelde aktuell hergerichtet. Nach und nach findet ein weiterer Ausbau statt, so dass bis zu 950 Menschen Platz finden können. „Das wäre aber eine Notbelegung“, sagt Hergarten – die sei nur für den Fall eines erneuten, sehr starken Zustroms von Flüchtlingen vorgesehen.

Die DRK-Crew bezeichnet die Flüchtlinge ganz bewusst als Gäste. „Das ist eine Frage des Respekts“, sagt Hergarten. Zum einen sei es der Respekt, den man den Menschen entgegenbringe. Zum anderen sei es der Respekt, den man selbst als Gastgeber erwarte. Als Gastgeber stelle man die Spielregeln auf, an die sich alle zu halten haben.

Einzug

Erwartet werden in Vogelsang Männer, Frauen und Kinder unterschiedlichster Nationen. Wann sie einziehen, ist noch nicht klar. Vorgesehen sind je 150 Neuankömmlinge am 9. und 16. Januar. Ob diese Termine zu halten sind, ist alles andere als sicher: Da neue Trinkwasserleitungen gebaut wurden, sind vor Inbetriebnahme an etwa 20 Stellen Proben zu nehmen. Aufgrund technischer Schwierigkeiten ist diese Beprobung erst am gestrigen Freitag erfolgt, die Auswertung wird einige Tage in Anspruch nehmen.

Die meisten Menschen kommen laut Hergarten aus Irak, Iran, Syrien, Nordafrika, Eritrea und Guinea. In Vogelsang will man bei der Verteilung auf die einzelnen Gebäude weniger auf die Nationalitäten, sondern vielmehr auf die Ethnien achten. Für alleinreisende Frauen ist ein eigenes Haus gleich am Verwaltungsgebäude vorgesehen. Da die Kaller Unterkunft inzwischen ausschließlich für Frauen genutzt wird, ist Hergarten nicht sicher, ob überhaupt alleinreisende Frauen nach Vogelsang kommen. Wenn, so Hergarten, seien es sicherlich nicht viele.

Unterbringung

Zehn Gebäude sind als Unterkünfte vorgesehen. Die meisten Zimmer sind mit zwei Doppelstockbetten eingerichtet und für vier Menschen ausgelegt. Es gibt einige Räume mit zwei und fünf Betten. Letztere sind vor allem für Familien vorgesehen. Sehr groß sind die Räume nicht. Einen Koffer können die Bewohner dort unterbringen. Zudem stehen mit Vorhängeschlössern abschließbare Spinde in separaten Räumen zur Verfügung. Da bereits 540 Betten aufgestellt sind, ist eine laut Hergarten „entzerrte“ Belegung möglich: So lange Plätze frei sind, werden sich weniger Menschen ein Zimmer teilen müssen.

Aufenthaltsräume

In jedem Gebäude gibt es einen Aufenthaltsraum für die Bewohner. Im Zentralgebäude findet die Essensausgabe statt. Dort wird auch das Taschengeld ausgezahlt. In einem Kiosk sind Hygieneartikel, Süßigkeiten und Tabakwaren erhältlich. Gut bestückt ist die Kleiderkammer. Im großen Aufenthaltsraum hängt ein stattlicher Flachbildfernseher. Jedoch hat laut Hergarten die Erfahrung gezeigt, dass die Gäste nicht viel fernsehen. Für Infos und Filme in der Muttersprache sei das Handy bedeutsamer. Internetzugang gibt’s im zentralen Aufenthaltsraum via kostenlosem Wlan.

Sanitär

In den Unterkunftsgebäuden gibt es keine sanitären Einrichtungen. Wasch-, Dusch- und Toilettenanlagen sind in drei bestehenden Schelde-Häusern und acht Sanitär-Containern installiert.

Auf wie viele Kleinigkeiten bei der Einrichtung zu achten ist, welcher Spagat zwischen Gewohnheit der Menschen und Integration zu vollführen ist, macht Hergarten am Beispiel der Toiletten deutlich. Man habe sich die Frage gestellt, ob die im arabischen und afrikanischen Raum weit verbreiteten Hocktoiletten oder die europäische Sitzvariante eingebaut werden soll. Entschieden hat man sich für die Sitztoiletten.

Betreuung

Enorm wichtig ist es, die Menschen nicht sich selbst zu überlassen. Daher bietet das 40-köpfige Team des DRK, das in zwei Zwölf-Stunden-Schichten plus einer „Kurzschicht“ tagsüber in der Schelde arbeitet, ein umfangreiches Programm an. Es gibt Deutschunterricht, die europäische Kultur wird vermittelt, Kreativprojekte werden durchgeführt. Ganz wichtig sind Sport und Arbeit. Durch Bewegung und Auspowern – in Vogelsang können Schwimmbad, Sporthalle und Fußballplatz genutzt werden – kann Aggressionen vorgebeugt werden. Durch die Möglichkeit, Arbeiten in und an der Einrichtung zu verrichten oder Übersetzungsdienste zu übernehmen, können die Menschen ein Taschengeld (80 Cent pro Stunde) dazuverdienen. So haben sie das Gefühl gebraucht zu werden.

In einem großen Kinderzimmer können die Kleinen spielen. Betreut werden sie laut Hergarten von Pädagogen, die auch erfahren sind in der Traumaerkennung. Jedoch: Eine Behandlung kann nicht durchgeführt werden.

Aufenthalt

Als angestrebte Aufenthaltsdauer in Vogelsang gibt die Bezirksregierung Köln vier bis sechs Wochen an. Jedoch: In der Vergangenheit haben Flüchtlinge bis zu einem Jahr in den Zentrale Unterbringungseinrichtungen ausharren müssen, bis sie anerkannt und vor allem den Kommunen zugewiesen sind.

Auch wenn die sechs Wochen noch nicht erreicht werden: Die enorm langen Wartezeiten gehören laut Hergarten der Vergangenheit an. Hauptgrund sei eine Umstellung des Verfahrens. Wurde zunächst über die Anerkennung eines Menschen entschieden und erst danach über die Kommune, der er zugewiesen wird, geschehe dies inzwischen parallel. 

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