PflegeHarold Kossa liebt seine Arbeit im evangelischen Altenheim Gemünd

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Trotz FFP2-Maske Freundlichkeit ausstrahlen: Altenpfleger Harold Kossa.

Schleiden-Gemünd – Unruhig schiebt Margot Breuer (Name von der Redaktion geändert) ihren Rollstuhl vom Tisch weg. „Papa?“, fragt sie mit brüchiger Stimme. Harold Kossa geht neben ihr in die Hocke und nimmt ihre Hand. „Der Papa ist arbeiten“, sagt er und streicht ihr mit dem Daumen sanft über den Handrücken. Breuer ist 1945 geboren, ihr Vater ist lange tot. Doch das weiß Breuer nicht mehr: Sie hat Demenz.

„Sie hatte ihren Papa sehr lieb“, erzählt Kossa. Der 29-Jährige ist seit Oktober examinierte Pflegekraft im Evangelischen Alten- und Pflegeheim (Eva) in Gemünd. Breuer lebt hier in der gerontopsychiatrischen Abteilung, wie andere Demenzkranke.

Unterschiedliche Formen von Demenz

Demenz sei nicht gleich Demenz, berichtet Kossa. Das äußere sich bei jedem unterschiedlich. Manchmal sei das Kurzzeitgedächtnis mehr betroffen, manchmal das Langzeitgedächtnis.

Breuer könne sich noch sehr gut an früher erinnern. Da habe sie gerne im Garten gearbeitet. „Wenn ich mit ihr über irgendwelche Pflanzen spreche, weiß ich, dass ich eine Antwort bekomme“, sagt Kossa.

Kenntnis über die Biografie der Bewohner

Die Biografien der Menschen zu kennen, ist in seinen Augen sehr wichtig für die Pflege von Demenzkranken. Wie sind sie aufgewachsen, was war ihre Arbeit, welche Hobbys hatten sie? Diese Informationen brauche er, „um ihnen in ihrer Demenz auch eine Antwort geben zu können“. Denn oft ergebe das, was die Bewohner erzählten, aus seiner Perspektive keinen Sinn. Wenn er aber ihre Lebensgeschichte kenne, könne er eher begreifen, worum es der Person gehe.

Margot Breuer schaut auf ihre Hände, sie murmelt etwas, die Worte „Nein“ und „Nicht“ sind zu verstehen. „Ja, ich verstehe Sie“, sagt Harold Kossa beruhigend. Und: „Gleich gibt es Mittagessen, haben Sie schon Hunger?“

Professioneller Umgang mit Demenzkranken wichtig

Validation sei sehr wichtig im Umgang mit Demenzkranken, erklärt er. Auch wenn die Person wirr rede, müsse er ihr das Gefühl geben, sie zu verstehen. Tue er das nicht, werde die Person unruhig oder sogar wütend und aggressiv. Und das wiederum würde dann die anderen Bewohner beunruhigen.

Für Kossa ist das der markanteste Unterschied zur Pflege von nicht dementen Bewohnern: die Kommunikation. „In der Pflege ist kommunizieren so wichtig“, meint er. Doch in diesem Wohnbereich können sich viele nicht mehr verständlich äußern. Hier gehe es dann um andere Formen der Kommunikation: Berührungen, Körpersprache. Nicht immer einfach: „Jetzt mit Corona müssen wir Masken tragen. Ich könnte lächeln, aber der Bewohner sieht es nicht“, beschreibt Kossa eine der Herausforderungen.

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Hände halten, das  ist eine von Harold Kossas Methoden, demenzkranke Bewohner zu beruhigen und mit ihnen zu kommunizieren.

Die Kommunikation und die Arbeit mit Menschen sind zwei Gründe, warum Kossa sich für die Altenpflege entschieden hat. Ein anderer ist die Aufenthaltserlaubnis. Geboren und aufgewachsen ist Kossa in Brazzaville, der Hauptstadt der Republik Kongo. Dort hat er in Hotels gearbeitet und Nahrungsmittel verkauft.

Nach der Ausbildung die Aufenthaltserlaubnis

2018 kam er als Flüchtling nach Deutschland. Um bleiben zu können, erhielt er Kirchenasyl und schließlich über seine Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis. Er hätte hier in Deutschland auch im Hotel arbeiten können, aber es hätte länger gedauert, dort anzufangen. Und sein Deutsch sei damals noch nicht so gut gewesen, berichtet er. „Englisch, Französisch oder Italienisch waren kein Problem.“ Der 29-Jährige spricht neun Sprachen. Auch Deutsch macht ihm heute keine Probleme mehr.

Große Hilfe bei der Integration

Die Ausbildung zum Altenpfleger habe ihm sehr bei der Integration geholfen, berichtet Harold Kossa. Nur bei manchen Liedern muss er noch passen. Als seine Kollegin „Mein Hut, der hat drei Ecken“ anstimmt, singen alle Bewohner mit – nur Kossa zuckt mit den Schultern und lacht: „Das kenne ich nicht.“

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Die Atmosphäre im Eva sei ein weiterer Grund gewesen, die Ausbildung zu machen. „Das war die richtige Entscheidung“, sagt er. Was ihm besonders an dem Beruf gefällt? „Der Kontakt mit den Menschen und das Gefühl zu haben, dass sie zufriedener sind. Durch meine Hilfe, mein Lachen, meine Gespräche.“

Später würde er sich gerne noch weiterbilden, aber jetzt wolle er erstmal Erfahrungen sammeln. Erfahrungen wie mit Margot Breuer. „Sie bleiben bei mir?“, fragt die alte Frau. „Ja, ich bleibe bei ihnen“, sagt Kossa und hält wieder ihre Hand.  

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