Die letzte Karre KornMit Bildern durch die Geschichte Wollseifens

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Heimatbuch

In den 1930er Jahren entstand das Bild, das eine junge Frau mit Heurechen auf einer Wiese zeigt. Im  Hintergrund  ist das  Dorf Wollseifen zu sehen, dessen Bewohner 1946 vertrieben wurden. 

Schleiden-Vogelsang –  Was der Verlust ihrer Heimat für die Wollseifener am 1. September 1946 bedeutete, brachte Manfred Knauff vom Eifelverein bei der Präsentation des neuen Buches über Wollseifen „Die letzte Karre Korn“ auf den Punkt: „Drei Wochen Zeit, keine Entschädigung und keine Ahnung wohin.“ „Für meine Eltern war das immer die Heimat“, sagte Wilfried Ronig, Vorsitzender des Traditions- und Fördervereins Wollseifen. Wenn er mit seiner Mutter dorthin fahre, fahre sie in ihrer Wahrnehmung nach Hause.

Geschrieben hat das neue Buch über Wollseifen Gabriele Harzheim. Sie hat auch die Ausstellung zusammengestellt, die in der Alten Schule, einem der letzten vier verbliebenen Häuser des Ortes, über die Dorfgeschichte informiert. „Das Buch ist das Ergebnis der vielfältigen Erkenntnisse, die bei der Recherche zu der Ausstellung zusammenkamen“, sagte sie. Eine Ortschronik sei es nicht, aber ein schönes Lesebuch.

Lieblich und romantisch

„Als Kulturanthropologin interessieren mich Menschen und Anekdoten mehr als Daten“, beschrieb sie ihr Vorgehen. Viel habe sie den Aufzeichnungen des Lehrers Peter Heimbach entnehmen können, der von 1901 bis 1935 in der Wollseifener Schule unterrichtete.

„Wollseifen, so wie es heute ist, gäbe es nicht, wenn es Vogelsang und den Nationalsozialismus nicht gegeben hätte“, betonte Albert Moritz, Geschäftsführer von Vogelsang ip. Viel Liebliches und Romantisches sei auf den historischen Fotos im Buch zu entdecken. Doch der Eindruck täusche. „Das Leben war nicht romantisch, und auch wenn da vieles relaxed aussieht – nichts war relaxed“, wies er auf die schwierigen Lebensbedingungen der Eifeler zu Beginn des Jahrhunderts hin.

Wichtiger Ort für den Nationalpark

So ist auch der Ausspruch einer Wollseifener Bewohnerin am Sterbebett ihres Mannes in dem Band zitiert: „Ich ha ken Zick mie, ich moß nom Heu gohn.“ (Ich habe keine Zeit mehr, ich muss ins Heu gehen – im Sinne von Heu machen).

Wollseifen sei für den Nationalpark Eifel ein wichtiger Ort, sagte dessen ehemaliger Leiter Hennig Walter. Er könne den Ort nicht loslassen: „Ich erinnere mich, wie nach der Öffnung sechs Leute mit Pickel und Schaufel die Kirche leergeschippt haben, wo 50 Zentimeter verdichteter Dreck drin lagen.“ Wollseifen sei ein erfolgreicher Ort gewesen, einer der ersten in der Eifel, die elektrischen Strom hatten. Rund 100 Ferienhäuser habe es dort gegeben.

Ort der stillen Erinnerung

Zahlreiche Film- und Fernsehproduktionsfirmen hätten, als das Areal geöffnet wurde, in Wollseifen drehen wollen, berichtete Michael Lammertz vom Nationalpark Eifel: „Die haben wir immer abgewimmelt, da Wollseifen ein Ort der stillen Erinnerung sein soll.“ Noch heute sei die 2006 eingerichtete Rangertour nach Wollseifen eine der beliebtesten im Nationalpark.

Noch gut erinnern an die Zeiten nach der Vertreibung aus Wollseifen kann sich Christel Küpper. So erzählte sie von dem Tag, als sie das Vieh der Familie am Walberhof hütete und mit anderen Kindern spielte. Die Gelegenheit nutzten die Kühe, um sich aus dem Staub zu machen. Ohne das Vieh ins neue Zuhause nach Herhahn zu kommen, sei unmöglich gewesen, so Küpper.

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Erfolg habe die Suche im Sperrgebiet im alten Wollseifener Stall gehabt, wo die Kühe ordentlich an ihren Plätzen standen. Auch habe sie im Alter von elf Jahren Beeren auf ihrem alten Hof in Wollseifen gepflückt und sei von einem englischen Offizier erwischt worden. Der habe sie zwar gehen lassen, aber im Wiederholungsfalle Inhaftierung auf Vogelsang angedroht. „Da wurde man eingesperrt – für eine Stunde“, erzählte sie.

Das Buch „Die letzte Karre Korn – Das ehemalige Dorf Wollseifen im Nationalpark Eifel“ von Gabriele Harzheim hat 120 Seiten, ist im Eifel-Verlag Jünkerath erschienen und für 14,95 Euro unter der ISBN-Nummer 978-3-943123-36-4 in allen Nationalparktoren, in Vogelsang und im Buchhandel erhältlich.

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