Ukrainische SchülerLehrer unterrichten Jungen und Mädchen in Weilerswist per Zoom

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Lernen auch weiterhin den ukrainischen Schulstoff: die Geschwister Arseny (9) und Sonja (12). 

Kreis Euskirchen – Drei Betten, zwei Schränke, auf dem Boden ein halb zusammengesetztes Puzzle, auf dem kleinen Tisch Hefte, Mäppchen, ein Tablet und jede Menge Schulbücher – deutsche und ukrainische. Arseny (9) und seine große Schwester Sonja (12) sind nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine mit ihrer Mutter aus dem Land geflüchtet. Ihr neues Zuhause befindet sich seit Ende April in der Weilerswister Unterkunft für Geflüchtete, in der überwiegend Landsleute leben.

Der Neunjährige hat soeben die dritte Klasse an einer Grundschule der Gemeinde abgeschlossen. Die Zwölfjährige besucht die nebenan liegende Gesamtschule, in der zurzeit Ferienruhe eingekehrt ist. „Ich lerne trotzdem“, sagt sie.

Gesangsunterricht per Zoom-Konferenz

Sonja besucht einen Deutschkurs und lernt außerdem Englisch und Französisch. Beide Kinder wünschen sich, bald besser Deutsch sprechen zu können. „Aber was mir wirklich sehr fehlt, ist mein Klavierunterricht“, verrät Sonja.

Dafür aber sei es trotz der großen Entfernung von Odessa möglich, weiterhin am Gesangsunterricht ihres Chores teilzunehmen. Wie das funktioniert? „Online. Wir sind 40 Sängerinnen und Sänger. Unsere Chorleiterin gibt uns Aufgaben, die wir alleine üben, manchmal singen wir auch per Zoom-Konferenz miteinander – aber dann müssen alle das Mikrofon abschalten.“

Rahmenkonzept vom NRW-Schulministerium 

Das Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen hat ein Rahmenkonzept zur Beschulung von neu zugewanderten Kindern und Jugendlichen unter besonderer Berücksichtigung des Krieges in der Ukraine und seinen Folgen für die Schulen in NRW entwickelt. Darin wird beschrieben, welche Rahmenbedingungen gelten und wie Hilfe beim Ankommen geleistet werden kann, „um Schulen als sicheren Ort erlebbar zu machen und Schritte zur schulischen Integration von Beginn an machen zu können“.

Nur vorübergehender Aufenthalt

Den Bildungsprozess aufrechterhalten

Die ukrainische Generalkonsulin Iryna Tybinka hat in einer Rede vor der deutschen Kultusministerkonferenz betont, dass es wichtig sei, die Kontinuität des Bildungsprozesses aufrechtzuerhalten.

Ukrainische Abschlüsse ermöglichen

Da es um einen vorübergehenden Aufenthalt in Deutschland gehe, müsse man den jungen Geflüchteten ermöglichen, ihr Schuljahr abzuschließen oder ihre jeweiligen ukrainischen Abschlüsse zu machen. Außerdem sei es wichtig, die nationale Identität aufrechtzuerhalten. 

Zu den Rahmenbedingungen gehört die Schulpflicht, die in dem Moment greift, wenn ein Minderjähriger seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. Der von den Heimatschulen in der Ukraine angebotene Online-Unterricht ersetzt demnach nicht die Teilnahme am Unterricht einer hiesigen Schule.

„Im Kreis Euskirchen besuchen derzeit 327 aus der Ukraine geflüchtete Kinder und Jugendliche die weiterführenden Schulen, 40 davon die Sekundarstufe II. Die Zahl der Grundschülerinnen und -schüler liegt allein im Stadtgebiet Euskirchen bei 85“, sagt Ilhan Güngör vom Kommunalen Integrationszentrum (KI) im Kreis Euskirchen. Die Gesamtzahl der Primarschüler liegt nicht vor, da die anderen Kommunen selber für die Verteilung auf wohnortnahe Grundschulen verantwortlich sind.

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Stammen beide aus Odessa: Studentin Viktoria und Schüler Fidor, die mit ihren Müttern in der Flüchtlingsunterkunft Weilerswist leben. 

Güngör, der im KI auch Eltern berät, erzählt von großer Bereitschaft, die Kinder an den deutschen Schulen anzumelden. „Zum einen, weil es den Kindern Tagesstruktur gibt, zum anderen, weil sie dort Deutsch lernen.“ Einige schulpflichtige Jugendliche stehen aber kurz vor ihrem ukrainischen Schulabschluss – und den wollen sie auch machen, da sie davon ausgehen, bald in ihre Heimat zurückkehren zu können.

Fidor gehört zu jenen, die im kommenden Jahr ihr Abitur ablegen – in der Ukraine nach Klasse 11. Für den 16-Jährigen bedeutet das, nach dem regulären Schultag an der Gesamtschule noch drei Stunden Online-Unterricht an der Heimatschule zu absolvieren. Schwerfallen würde ihm der Doppel-Unterricht nicht, zumal er in einigen Fächern einen Wissensvorsprung habe. „Die Mathe- und die Englischklausur habe ich hier an der Gesamtschule deshalb auch mitschreiben können“, sagt der 16-Jährige, der gerne Fußball spielt.

Unterbrechungen durch die Luftschutzsirenen

Etwas schwerer mit Sozialkontakten hat es da Studentin Viktoria. Die 19-Jährige stammt ebenso wie Fidor aus Odessa, dort studiert sie an der juristischen Fakultät und möchte gerne Journalistin werden. „Die Lehrveranstaltungen finden täglich per Zoom statt. Manchmal werden wir aber auch unterbrochen, weil vor Ort die Luftschutzsirenen heulen.“ Viele ihrer Kommilitonen und Professoren seien in der Ukraine geblieben, manche seien auch innerhalb des Landes geflüchtet.

Viele der ukrainischen Kinder und Jugendlichen, die jetzt im Kreis Euskirchen leben, sind in speziellen Vorbereitungsklassen (Sek. I), Fördergruppen oder in sogenannten Internationalen Förderklassen (Berufskolleg). „Die Folgen des Krieges in der Ukraine in Form der Flucht und Zuwanderung stellen die Schulen, das gesamte Schulsystem, das Land und auch die Kommunen in NRW vor große Herausforderungen“, so Ex-Schulministerin Yvonne Gebauer im Vorwort des Rahmenkonzepts.

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Herausforderungen, die angesichts der Unsicherheit darüber, wie lange dieser Krieg dauern werde und wie sich die Perspektiven der in NRW aktuell Schutzsuchenden entwickeln werden, die „tatkräftige Gestaltung in einer zugleich noch unklaren Lage erfordern“. 

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