Der Kreis hält die Verkehrssituation für rechtswidrig. Die Gemeinde möchte die verkehrsberuhigten Bereiche behalten.
Änderung in WohngebietVerkehrsberuhigte Bereiche in Weilerswist-Süd sollen 30er-Zone werden

Aus den verkehrsberuhigten Bereichen im Wohngebiet Weilerswist-Süd sollen Tempo-30-Zonen werden.
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Die Anordnung liegt vor: Bis zum Jahresende sollen alle verkehrsberuhigten Bereiche im Wohngebiet Weilerswist-Süd umgewandelt werden zu Tempo-30-Zonen. Diese Umstellung hatten der Bezirksdienst der Polizei, die Straßenverkehrsbehörde des Kreises und das Weilerswister Ordnungsamt nach einer Verkehrsschau Ende September vereinbart.
Der neue Weilerswister Bürgermeister Dino Steuer teilte der Redaktion nun mit, dass die Gemeinde gegen diese Änderung sei. Steuer sagte, sich damit an Landrat Markus Ramers gewandt zu haben. Geplant sei, frühestmöglich eine weitere Verkehrsschau abzuhalten, um die Lage neu bewerten zu können. Es handelt sich bei den Straßen in Weilerswist-Süd um Gemeindestraßen, die Gemeinde ist Straßenbaulastträger.
Uneinheitliche Vorfahrtsregeln können zu Verwirrungen führen
Die Frage, wie der Verkehr im Wohngebiet zu bremsen ist, polarisiert die Anwohner. Einige fürchten um die Sicherheit ihrer Kinder – ein hochgradig emotionales Thema. Andere Anwohner haben die Verkehrsschau mit einer Petition im Jahr 2018 erst in Gang gebracht. Der Grund: Da die Vorfahrtsregelungen bei Kreuzungen von 30er-Zonen und verkehrsberuhigten Bereichen uneinheitlich sind, könnten hieraus Verwirrungen folgen (siehe „So funktioniert ein verkehrsberuhigter Bereich“).
Im Juni dieses Jahres gab es einen Unfall mit Blechschaden an der Kreuzung Birnbaumweg/Eschenweg. Die voneinander abweichenden Vorfahrtsregeln könnten zum Unfall geführt haben, zitierte die Gemeinde Weilerswist die Kreispolizei.
Auffassungen der Rechtslage sind unterschiedlich
Die Thematik ist komplex. Ausgehend von den Paragrafen 8 und 10 der Straßenverkehrsordnung (StVO) bewertet das Straßenverkehrsamt des Kreises die aktuelle Situation in Weilerswist-Süd als rechtswidrig. In den beiden Paragrafen sind die abweichenden Vorfahrtsregeln zwischen verkehrsberuhigten Zonen und regulären Straßen geregelt. Ein Aufeinanderprallen dieser Regelungen, wie es an Kreuzungen des Wohngebiets der Fall sei, sei auch mit der praktischen Rechtsprechung nicht vereinbar, erläutert Susanne Aleksander, die Abteilungsleiterin des Straßenverkehrsamtes.

Wer vorfahren darf, ist an einigen Kreuzungen zwischen verkehrsberuhigten Bereichen und 30er-Zonen der Grund für Irritationen.
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Steuer auf der anderen Seite beruft sich auf den Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmer. Nach seiner Ansicht widerspräche eine umfassende 30er-Zone dem Schutzgedanken der StVO. Stattdessen hält er die parallele Existenz von 30er-Zonen und verkehrsberuhigten Bereichen für rechtlich zulässig, wenn Beschilderung und Gestaltung korrekt seien. Aleksander entgegnet, dass man die verkehrsberuhigten Bereiche zwar farblich absetzen könne, aber die Beschilderung rechtswidrig bleibe.
Aleksander weist darauf hin, dass vergleichbare Änderungen der Verkehrsbereiche in anderen Kommunen bereits etabliert worden seien. Sie führt Gemünd als ein Beispiel an. Nach ihrer Einschätzung sind die dortigen Anwohner mit den Änderungen zufrieden. Die Verkehrsführung sei sicherer geworden, so Aleksander.
Weilerswister Bürgermeister Steuer sieht keine konkrete Gefährdung
Nach Einschätzung des Bürgermeisters geht durch die derzeitige Verkehrsführung in Weilerswist-Süd keine konkrete Gefährdung aus. Der Gemeindeverwaltung seien lediglich zwei Unfälle in sieben Jahren bekannt, die auf die Irritation bezüglich der Vorfahrt zurückgingen. Die Kreispolizei hat zu den Zahlen bis zum Redaktionsschluss keine Angaben gemacht.
Steuer argumentiert zudem, dass die verkehrsberuhigten Bereiche zum Zeitpunkt der Erschließung des Wohngebietes in 2009 direkt vorgesehen waren. Ihm zufolge wurde die Straßensituation 2018 nochmals bestätigt. Aleksander wendet ein, dass die Verkehrssituation im Anwohnergebiet von vorneherein unglücklich gestaltet worden sei. Hieran lasse sich nichts mehr ändern – an der Verkehrsregelung hingegen schon.
Geänderte Haltung der Gemeinde überrascht das Straßenverkehrsamt
Die Weilerswister Gemeindeverwaltung arbeitet laut eigener Angabe seit 2009 eng mit dem Straßenverkehrsamt des Kreises Euskirchen zusammen. Der Weilerswister Dezernent Marcus Derichs lobt den Austausch der Behörden.
Das Straßenverkehrsamt zeigt sich verwundert darüber, dass die Gemeinde im Fall Weilerswist-Süd ihre Haltung nach der jüngsten Verkehrsschau derart geändert hat, so Aleksander: „Wir sind davon ausgegangen, dass die Planung, wie abgesprochen, umgesetzt wird.“ Beide Behörden sprechen davon, im Oktober nach der Verkehrsschau intensiv über die möglichen Optionen diskutiert zu haben.
Nach Angabe von Aleksander sind die folgenden beiden Optionen im Gespräch gewesen: Entweder die verkehrsberuhigten Bereiche vor den Ein- und Ausfahrten der Tempo- 30-Zonen um je 30 Meter zu verkürzen. Das würde die teilweise bereits kurzen verkehrsberuhigten Bereiche noch weiter verkürzen, so Aleksander. Alternativ könne man das gesamte Gebiet zu einer 30er-Zone machen. Letzerem habe die Gemeinde im Oktober zugestimmt. Zu diesem Zeitpunkt war Steuer allerdings noch nicht im Amt.
Viele Fahrer sind Anwohner
Neben der Rechtswidrigkeit führt das Straßenverkehrsamt auch die Geschwindigkeitsunterschiede, um die es geht, ins Feld. „Mit Tempo 30 bin ich langsam genug, um zu reagieren“, sagt Aleksander. Man müsse sich natürlich an die Tempobegrenzung halten und aufmerksam sein. Das gelte aber für alle Fahrer. Aleksander: „Die Gefahr wird nicht durch ein Schild gebannt.“ Sie verwies auch darauf, dass die Fahrer, um die es geht, größtenteils die Anlieger selbst seien.
Trotz der unterschiedlichen Ansichten über das weitere Vorgehen zeigen sich beide Behörden gesprächsbereit und lösungsorientiert. Das Straßenverkehrsamt stellt in Aussicht, die Gemeinde bei Anpassungen zur Verkehrsberuhigung, wie Blumenkübeln, Parkstreifen oder Bodenschwellen zu unterstützen. Die Gemeinde möchte im Rahmen der neuen Verkehrsschau ihrerseits Anpassungsmöglichkeiten besprechen. Steuer: „Wir sind bereit, zu investieren.“
So funktioniert ein verkehrsberuhigter Bereich
Die mit einem blau-weißen Schild markierten verkehrsberuhigten Bereiche verbinden viele Menschen mit dem Begriff „Spielstraße“. Es zeigt zwei Strichmännchen, die auf einer Straße Ball spielen, während sich im Hintergrund ein Auto nähert.
Dieses Verkehrszeichen weist auf den verkehrsberuhigten Bereich hin. Eine „Spielstraße“ kennt die Straßenverkehrsordnung (StVO) hingegen nicht.
In einer verkehrsberuhigten Zone sind Fahrzeuge zugelassen, dürfen aber nur mit Schrittgeschwindigkeit fahren. Das sind im Regelfall vier bis sieben km/h. Die auf dem Schild abgebildeten Menschen und das Auto sollen auf die Gleichberechtigung der Verkehrsteilnehmer hinweisen. Kinder und Erwachsene dürfen die ganze Straßenbreite nutzen. Fahrzeuge müssen je nachdem warten. Andererseits sollen Fußgänger den Verkehr auch nicht behindern, etwa indem sie die Straße blockieren.
Bei der Vorfahrt in und aus verkehrsberuhigten Bereichen gibt es besondere Regelungen. Innerhalb des Bereichs gilt die Ordnung rechts vor links. Aber: Verlässt man die beruhigte Zone und fährt auf eine reguläre Straße, etwa eine 30er-Zone, besteht Wartepflicht. Diese folgt der gleichen Logik wie der, wenn ein Grundstück verlassen wird. An Kreuzungen regulärer Straßen und verkehrsberuhigter Bereiche können demnach Verkehrsteilnehmer im Hinblick auf die Vorfahrt verwirrt werden.

