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„Hetze und Niedermachen“Politiker aus Weilerswist rechnet mit Sozialen Netzwerken ab

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4 min

Übt scharfe Kritik: Hans Peter Nußbaum.

Weilerswist – Da hat sich offenkundig etwas angestaut in ihm. Seine diesjährige Haushaltsrede nutzte der Weilerswister CDU-Fraktionschef Hans Peter Nußbaum in großen Teilen zu einer Abrechnung mit der „teils sehr unsachlich und emotional geprägten Kritik“ in den Sozialen Netzwerken. Von „Hetze, Diskreditierung und verbalem Niedermachen“, sprach Nußbaum.

Er wolle das nicht als Anklage verstanden wissen, sagte der CDU-Ratsherr. Doch dann legte er los. Nach und nach nahm sich Nußbaum Äußerungen aus den Foren vor – etwa diese: „Ihr stopft euch doch alle nur die Taschen voll.“ Stimmt nicht, sagt Nußbaum: 117,90 Euro erhalte ein Ratsmitglied an Aufwandsentschädigung im Monat, dazu ein Sitzungsgeld von 20,30 Euro. Fraktionschefs erhielten eine weitere Aufwandsentschädigung je nach Größe der Fraktion. „Kann man davon reich werden?“, fragte Nußbaum.

Enttäuschung über harte Anschuldigungen im Netz

„Ihr solltet euch was schämen“, zitierte Nußbaum eine weitere Äußerung aus einem Facebook-Kommentar. Wofür aber sollten sich Ratsmitglieder schämen, so Nußbaum: „Dafür, dass sie Woche für Woche in den Sitzungen des Rates und seiner Fachausschüsse wichtige Sachthemen beraten und dazu die notwendigen Beschlüsse im Sinne der Bürgerinnen und Bürger fassen?“

Noch ein Begriff ist dem CDU-Fraktionschef bitter aufgestoßen bei der Lektüre der Kommentare in den Netzwerken: „Kahlschlag-Rat“. Dabei sei es um Fällungen und Beschnitte von Bäumen an der Martin-Luther-Straße gegangen. Reißerisch und unsachlich sei das gewesen, findet Nußbaum. „Ist es der Versuch, Einfluss zu nehmen oder Macht zu gewinnen, um Menschen in ihrer Meinung zu manipulieren?“, fragt Nußbaum: „Niemand weiß es so genau.“

Politiker als „Vollpfosten“ betitelt

Politiker würden im Netz pauschal als „Vollpfosten“ tituliert. „Warum suchen eigentlich alle Parteien Nachwuchskräfte, wenn es so viele Kenner der Materie in unserer Gemeinde gibt?“, konterte Nußbaum. Er wünsche sich einen sachlichen Meinungsaustausch zurück, „wie er früher in Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern stattgefunden hat“. Doch das sei aktuell fast nicht mehr möglich.

Dabei habe der Rat einiges vorzuweisen: 21 neue Kindergartengruppen in fünf Jahren für mehr als sieben Millionen Euro, eine Betreuungsquote von 70 Prozent der Weilerswister Kinder unter drei Jahren, die Sanierungen und Erweiterungen der Grundschulen und der Gesamtschule sowie der Bau von Kleinspielfeldern nannte Nußbaum als Beispiele. Wegen dieser Investitionen würden Sanierungen von Straßen und der Ausbau des Bahnhofsaumfeldes später vorgenommen. Die Sanierung aller 32 Kinderspielplätze werde umgesetzt.

Millionen-Defizit

Gegen einige Stimmen aus der SPD hat der Weilerswister Gemeinderat am Dienstagabend den Doppelhaushalt 2019/2020 beschlossen. Der sieht für 2019 Ausgaben in Höhe von 40,9 Millionen Euro vor. Die Einnahmen werden auf 39,3 Millionen Euro taxiert. Somit ergibt sich ein Defizit von 1,6 Millionen Euro.

Für 2020 werden Ausgaben von rund 38,5 Millionen Euro eingeplant. Bei Erträgen von 36,6 Millionen Euro ergibt sich ein Defizit von 1,9 Millionen Euro. Für das Jahr 2021 rechnet die Gemeindeverwaltung mit einem Überschuss von etwa 3,3 Millionen Euro, für 2022 mit einem Defizit von etwas mehr als einer halben Million, bevor es 2023 mit 230 000 Euro wieder in die Gewinnzone gehen soll. (sch)

Auch zur Dauerfehde mit der parteilosen Bürgermeisterin Anna-Katharina Horst bezog Nußbaum Stellung: Das Verhältnis könne „man durchaus als gestört bezeichnen“, so der CDU-Mann: „Wesentliche Änderungen darf wohl niemand bis zur Kommunalwahl erwarten.“ Hingegen sei die Zusammenarbeit mit den Beigeordneten und den übrigen Verwaltungsmitarbeitern gut.

Grünen-Chefin macht sich Sorgen

Sorgenvoll blickt Grünen-Fraktionschefin Dr. Elisabeth Danninger in die finanzielle Zukunft der Gemeinde. Zwar gelinge es offenkundig, bis 2023 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen, aber dann schiebe die Gemeinde einen Schuldenberg von 51 Millionen Euro vor sich her, dessen Abtragung etwa 50 Jahre dauern werde, wie Danninger drastisch erläuterte: „Es müssen also Kindeskinder unsere heutigen Schulden bezahlen, die noch nicht einmal im Hodensack ihres Vater vorhanden sind, weil auch der heute noch nicht geboren ist.“

Land und Bund warf Danninger vor, die Kommunen finanziell im Regen stehen zu lassen: Das Land sei eine „kalte Mutter“. Und wenn Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sage, die fetten Jahre seien vorbei , fragten sich die Politiker in den Städten und Gemeinden: „Welche fetten Jahre?“

SPD und FDP verzichteten auf Haushaltsreden: die FDP, weil die zwei führenden Mitglieder verhindert waren, die SPD, weil sie die Aufstellung eines Haushalts für zwei Jahre ablehnten, wie Fraktionschef Friedrich Schulte erklärte.