AbschiedNach 22 Jahren verlässt die evangelische Pfarrerin nun die Gemeinde Weilerswist

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Die Pfarrerin Renate Kalteis und Superintendentin Claudia Müller-Bück stehen in ihrem schwarzen Talar auf einer Wiese.

Die Pfarrerin Renate Kalteis (v.l.) wurde durch Superintendentin Claudia Müller-Bück in den verdienten Ruhestand entpflichtet. Die beliebte Seelsorgerin war 22 Jahre lang in der evangelischen Kirchengemeinde Weilerswist tätig.

Pfarrerin Renate Kalteis kümmerte sich mehr als zwei Jahrzehnte um die evangelische Kirchengemeinde Weilerswist. Nun nahm sie Abschied.

25 bunte Blumensträuße, unzählige seidige Papierumschläge und noch in Geschenkpapier eingeschlagene Aufmerksamkeiten liegen auf den Stühlen des Pfarrhauses und auf den Tischen des Pfarrbüros der evangelischen Kirchengemeinde Weilerswist. Zwischen Geschenken und Umzugskartons läuft Renate Kalteis geschäftig herum. In ihren Armen hält sie einen Stapel Bücher.

Gestern hat sie offiziell Abschied genommen von der Kirchengemeinde, die sie seit 22 Jahren betreut. Schon am Donnerstag wird sie sich zusammen mit ihrem Mann und ihren noch übrig gebliebenen Habseligkeiten ins Auto setzen, um an den zwei Autostunden entfernten Möhnesee zu fahren – den Urlaubsort ihrer Kindheit. Dort will die ehemalige Pfarrerin dann ihren Ruhestand genießen. „Ich war eigentlich nie lange an einem Ort“, erinnert sie sich.

Pfarrerin verlässt die Gemeinde Weilerswist und zieht an den Möhnesee

Nach dem Abitur wollte sie weg aus dem Saarland. Zum Studium ging sie nach Bethel, Heidelberg und Marburg. In Düsseldorf absolvierte sie ihr Vikariat und trat bald darauf eine halbe Stelle in Schermbeck an. Und alle dieser Gemeinden hätten etwas für sich gehabt, sagt sie: „Aber Weilerswist ist der Ort, an dem ich die längste Zeit meines Lebens verbracht habe.“ Für Kalteis ist das etwas Besonderes.

Pfarrerin Renate Kalteis sitzt zwischen zwei Blumensträußen.

Unzählige Blumen bekam die Pfarrerin Renate Kalteis überreicht.

An die ersten Tage in Weilerswist erinnert sich Weilerswists langjährige Pfarrerin gut. Ihre Stelle hat sie am 1. Januar 2002 angetreten. Damals wurde das Pfarrhaus renoviert und war noch nicht bezugsbereit, erzählt sie. Deswegen kam sie zunächst für eine Weile bei einer Bekannten unter. Heute zählt die Bekannte zu ihren Freundinnen. So sei es oft gewesen, in ihrer Zeit als Pfarrerin. Viele Menschen seien in ihre Kirchengemeinde gekommen, und geblieben. Unzählige Gespräche habe sie geführt, die für die Weilerswisterin sehr berührend waren.

Deswegen sei die Liste der Menschen, die jetzt schon einen Besuch am Möhnesee angekündigt hätten, lang. Einer der Menschen, die sie in ihrer Zeit als Pfarrerin kennengelernt hat, ist ihr Ehemann. „Unsere Hochzeit in der Gemeinde war für mich persönlich das größte Highlight in meiner Zeit hier.“

In den zwei Jahrzehnten in Weilerswist auch Tiefpunkte erlebt

Doch in mehr als zwei Jahrzehnten in der Kirchengemeinde erlebte Kalteis auch einige Tiefpunkte: „Besonders traurig hat es mich gemacht, wenn Leute die Kirchengemeinde verlassen haben, weil sie enttäuscht waren.“ Einige davon seien sicherlich von ihr persönlich enttäuscht gewesen, überlegt sie. Andere vielleicht von der Landeskirche, oder der Institution Kirche. Oder „noch eine Etage höher“: von Gott selbst.

Dass Leute aus der Kirche austreten, tut mir als Pfarrerin weh.
Renate Kalteis, ehemalige Pfarrerin der evangelischen Kirchengemeinde Weilerswist

„Dass Leute aus der Kirche austreten, tut mir als Pfarrerin weh.“ Schließlich identifiziere sie sich mit dem Evangelium und inzwischen auch mehr mit der Institution Kirche selbst, als das noch in ihren Anfängen der Fall war. Gründe für die Austritte sieht sie in einer allgemeinen Kirchenferne, der Krise aller Institutionen und darin, dass der christliche Glaube auf ein Leben hochgerechnet auch eine Menge Geld kostet.

„Einmal kam eine Familie zu mir, und bat mich ihr Kind zu taufen. Die Eltern waren aber beide aus der Kirche ausgetreten“, erzählt sie. Als die Eltern ihr aber ihre finanzielle Notsituation schilderten, konnte Kalteis den Austritt verstehen. „Das Kind habe ich natürlich trotzdem getauft“, sagt sie.

Pfarrerin Renate Kalteis und Gemeindesekretärin Elke Bell verlassen im Talar die Kirche. Die Menschen haben sich während des Gottesdienstes von ihren Plätzen erhoben.

140 Gäste waren gekommen, um Kalteis und Bell bei einer Zeremonie in der evangelischen Kirche Weilerswist in den Ruhestand zu verabschieden

Auf ihre Zeit als Pfarrerin schaut Kalteis versöhnt zurück. Auch wenn hier und da ein Streit oder ein Austritt an ihr genagt habe, auch wenn sie nicht mit allen Entscheidungen der Landeskirche hundertprozentig einverstanden war, habe sie als Pfarrerin alles gegeben, was in ihrer Macht stand und ist sich sicher, dass die Menschen auch auf Landesebene aus dem gleichen christlichen Antrieb heraus handelten, wie sie selbst.

So ganz kehrt Pfarrerin Renate Kalteis der Kirchengemeinde am Donnerstag aber noch nicht den Rücken, verrät sie. Einiges sei noch zu erledigen und auch ihre aktuelle Konfirmandengruppe wolle sie noch bis zu ihrer Konfirmation am 8. Mai begleiten. Erst dann folge der richtige Abschied. Sozusagen „der Abschied nach dem Abschied“ – wie bei Thomas Gottschalk. Sie lacht.

Ob bald die Traurigkeit und das Vermissen ihrer Gemeinde einsetze, sagt sie, bleibe abzuwarten. Zu voll sei ihr Kopf gerade noch, zu groß das Chaos um sie herum. Aber eines weiß sie jetzt schon: „Ich fühle mich von meiner Kirchengemeinde reich beschenkt. Und damit meine ich nicht nur die Geschenke, die sichtbar sind“, sagt sie – und lächelt zwischen zwei Blumensträußen.


Feierliche Verabschiedung, Amtsübergabe und Fusion

n der Evangelischen Kirchengemeinde Weilerswist gibt es eine Stabübergabe in wichtigen Ämtern – und zwar von Frau zu Frau: Die Pfarrerin Renate Kalteis geht nach 22 Jahren Tätigkeit in Weilerswist in den Ruhestand. Ihre Gemeindesekretärin Elke Bell hat es in hier sogar auf 25 Jahre gebracht.

Für Kalteis wird Pfarrerin Anke Kreutz im so genannten „Pastoralen Dienst im Übergang“ eingesetzt. Sie hat diese Dienstform unter anderem schon in Bad Münstereifel übernommen. Ihre Aufgabe ist vor allem die anstehende Kirchenfusion zu begleiten. Die Weilerswister Gemeinde wird im Prozess der Fusion mit der Ev. Kirchengemeinde Euskirchen ab März für ein bis anderthalb Jahre durch Kreutz unterstützt. Die Stelle von Bell übernimmt Sabine Hauernherm. Auch im Presbyteriumsvorsitz gibt es einen Wechsel. Andrea Hedwig, die schon 25 Jahre dort mitarbeitet, übernimmt ab März.

Elke Bell wurde nach 25 Jahren als Gemeindesekretärin der Evangelischen Kirchengemeinde Weilerswist in den Ruhestand entlassen. Viele Geschenke und liebe Worte nahm sie dankbar und fröhlich entgegen.

Auch die Gemeindesekretärin Elke Bell geht in den Ruhestand.

Am Sonntag wurden zunächst die Verabschiedungen mit einem Festgottesdienst inklusive Entpflichtung begangen. Die Predigt hielt Renate Kalteis noch einmal selbst. Die Superintendentin Claudia Müller-Bück aus dem Kirchenkreis Bad Godesberg – Voreifel entpflichtete Pfarrerin Kalteis. Da die Pfarrerin eine besondere Gabe der Seelsorge hatte, wurde ihr ein passendes Bibelwort aus Sprüche 20,12 mitgegeben: „Ein hörendes Ohr und ein sehendes Auge macht beides der Herr“. Die Kollegin Weichsel bestätigt das: „Genau hinsehen und hinhören, das war die große Gabe, die sie hat.“

Weichsel meint im Hinblick auf die nun anstehende Fusion mit Weilerswist: „Die Gespräche sind auf einem guten Weg.“ Vor ihrer Entpflichtung nahm Kalteis selbst noch die Verabschiedung ihrer Gemeindesekretärin Bell vor.

Mit der professionellen musikalischen Begleitung von Prof. Klaus Heiwolt an der Orgel und Patrick Dreier an der Trompete, bekam der Gottesdienst einen angemessen feierlichen Rahmen.

Die rund 140 Gäste bei der anschließenden Feier in Räumen der Gesamtschule zeigten, wie beliebt Kalteis und Bell in der Gemeinde gewesen sind. Blumen und Geschenke füllten die Tische. Als Zuschauer hatte man den Eindruck eines sehr harmonischen Personalwechsels in der Gemeinde. (fkn)

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