230 Meter hohe AnlagenBürger protestieren vor Kreishaus gegen Windräder

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Protest Windräder Euskirchen1

Bevor sie am Erörterungstermin teilnahmen, demonstrierten die Windkraftgegner vor dem Kreishaus gegen den „Raub des Dorffriedens“.

  • In Euskirchen haben Bürger gegen Windräder protestiert.
  • Worum genau dreht sich der Streit? Was sagen die Kritiker, was sagt die Verwaltung und das Windrad-Unternehmen?

Kreis Euskirchen – Eigentlich, so stellte Frank Fritze, Leiter der Abteilung Umwelt und Planung beim Kreis, klar, sollte nicht über Politik geredet werden, als am Dienstag im Kreishaus der Erörterungstermin über die vier von der Ene-Tochterfirma Kever im Raum Rohr/Reetz geplanten Windkraftanlagen stattfand (siehe „Der Windpark“). Dabei, so Fritze, könne es nur um sachliche Einwendungen gegen das Projekt gehen. Doch daran hielten sich weder Projektierer noch Gegner.

Einer der zahlreich erschienenen Gegner des Projekts sagte, ihn erinnere die derzeitige Situation an den Beginn des Ausbaus der mittlerweile verhassten Atomenergie: Es werde gebaut, ohne sich um die Konsequenzen zu kümmern.

Der Windpark

„Wir planen vier Windräder mit einer Gesamthöhe von jeweils 230 Metern“, erläuterte Matthias Mark von der Firma Kever. Die Anlagen werden demnach mehr als 1000 Meter von der Wohnbebauung entfernt aufgebaut – mit Ausnahme eines Aussiedlerhofs, der sich 918 Meter vom nächsten Windrad befinde. Mülheim sei 1100 Meter, Rohr 1300 Meter und Reetz 1600 Meter vom nächsten Windrad entfernt. Zum Feriendorf Freilingen betrage der Abstand mehr als 1000 Meter.

Beim Schall sei die Lage, so Mark, entspannt. Lediglich ein nördliches Haus des Feriendorfes sei lärmmäßig tangiert. Dort müsste dafür nachts die Leistung gedrosselt werde. Damit es mit dem Schattenwurf kein Problem gebe, werde eine automatische Schattenabschaltung eingebaut. (pe)

Denn was mit der durch Windkraft erzeugten Energie weiter geschehe, sei noch nicht geklärt. Bevor die Gegner zur Erörterung ins Kreishaus gegangen waren, hatten sie draußen mit Transparenten gegen die Anlagen demonstriert. Drinnen wurden verschiedene Aspekte beleuchtet.

533 Einwendungen

Immerhin 533 Einsender zählte die Kreisverwaltung, die Einwände gegen den geplanten Windpark geltend machten. Matthias Mark von der Firma Kever hatte diese genauestens analysiert. Demnach habe es 510 Standard-Einwendungen gegeben, sechs Personen gaben zweimal Einwände ab. 29 Prozent der Einwendungen seien nicht aus dem Bereich der Gemeinde Blankenheim, sondern aus dem übrigen Bundesgebiet gekommen. Aus der Gemeinde kamen unter anderem 176 Einwände aus Mülheim (445 Einwohner) und 87 aus Reetz (433 Einwohner).

Insgesamt haben 348 Bürger aus der Gemeinde Einwände eingereicht – das entspreche lediglich rund vier Prozent der Bürgerschaft.

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Die Energiewende

„Der Strom kommt zwar aus der Steckdose, muss aber auch irgendwo produziert werden“, äußerte sich Mark. Der Klimawandel sei nicht mehr zu leugnen, der Mensch müsse handeln. 40 Prozent des Energiebedarfs, davon 14 Prozent durch Windenergie, würden schon durch regenerativ gewonnene Energien abgedeckt. „Wir haben viel geschafft“, sagte Mark.

Von den Gegnern des Projekts wurde argumentiert, dass es sinnlos sei, soviel Windenergie zu gewinnen, weil es keine Stromspeicher gebe.

Elektroautos

„Wir brauchen eine Kopplung zwischen den Sektoren Wärme/Kälte, Strom und Verkehr“, sagte Mark und erläuterte an einem Beispiel, in welche Richtung die Energie-Überlegungen gehen.

Im Kreis seien rund 210000 Fahrzeuge zugelassen. Durchschnittlich legten diese pro Tag 46 Kilometer zurück. Die vier Anlagen im Bereich Rohr/Reetz würden pro Jahr 44000 Megawattstunden Strom produzieren. Lege man für das Elektroauto einen Stromverbrauch von 178 Kilowattstunden pro 100 Kilometer zugrunde, könnten alleine mit dieser Energie zehn Prozent aller Fahrzeuge im Kreis elektrisch betrieben werden. „Damit könnte jedes Fahrzeug 1165 Kilometer fahren“, sagte Mark. Die Pkw könnten dann also auch als Energiespeicher dienen. „Wir möchten verdeutlichen, vor welchen Herausforderungen wir in den nächsten Jahrzehnten stehen“, erläuterte er.

Streit über 75 Meter

Verärgert reagieren viele Kritiker darauf, dass trotz einer Höhenbegrenzung von 75 Metern, die der Flächennutzungsplan vorsieht, nun wesentlich höhere Windräder gebaut werden sollen. „Ich Blödmann habe mich auf die Planungen verlassen und wirtschaftlich bedeutsame Entscheidungen getroffen. Wo bleibt denn in solchen Angelegenheiten Treu und Glaube, wenn ich mich nicht darauf verlassen kann?“, fragte ein Bürger.

In einem Verfahren, das mit einem Vergleich endete, hatte es geheißen, dass die 75 Meter Höhenbegrenzung in einem Flächennutzungsplan nicht mehr zeitgemäß sei. Ralf Wilke vom Nabu-Kreisverband argumentierte, das dies eine Einzelfallentscheidung gewesen sei, die nicht verallgemeinert werden könnte. Die Höhenbeschränkung im Flächennutzungsplan müsse daher erhalten bleiben.

Sowohl der von Kever beauftragte Rechtsanwalt als auch der Rechtsberater des Kreises, Rainer Frontzek, sahen das jedoch anders. Insbesondere Frontzek sagte, drei Berufsrichter hätten in der Sache deutlich gemacht, dass sie der Ansicht seien, diese Höhenbegrenzung sei nicht mehr Stand der Technik und könne nicht mehr geltend gemacht werden. In dem betreffenden Verfahren habe es zwar nur einen Vergleich gegeben. Wenn es aber zu einem Urteil gekommen wäre, dann hätten die Richter entsprechend entschieden.

Schlecht informiert?

Karin Bade aus Reetz kritisierte, dass über das geplante Projekt zu wenig informiert worden sei. Im anderen Fall hätten sich doch auch mehr Bürger aus Reetz an den Einwendungen beteiligt. Es sei nie die Rede von 230 Meter hohen Windrädern gewesen. Maria Nelles von der Gemeinde Blankenheim widersprach: „Wir haben eine große Informationsveranstaltung gemacht, und unsere Sitzungen im Rathaus waren öffentlich. Auch von 230 Meter hohen Windrädern sei gesprochen worden.

Finanzielle Zuwendungen?

Karin Bade kritisierte außerdem, sie habe gehört, dass mit mit finanziellen Zuwendungen an Vereine gelockt worden sei. Maria Nelles sagte aber: „Von finanziellen Vorteilen weiß ich nichts, die Gemeinde bekommt keine Geldleistungen. Lediglich für die Sondernutzung der Wirtschaftswege gibt es einen Ausgleich.“

Energie einsparen?

Ralf Wilke vom Nabu sagte, die Gemeinde Blankenheim könne Energie einsparen und der Umwelt nutzen, indem sie mithelfe, die Wärmeverluste bei Immobilien zu minimieren. Dann bräuchte man auch nicht so viele Windräder. Maria Nelles vom Blankenheimer Planungsamt konnte diesem Einwand nichts abgewinnen. Dieses werde in der Gemeinde Blankenheim ohnehin berücksichtigt, wenn es machbar sei.

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