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Vielfalt lebenQueeres Fußball-Camp auf dem Rasen des Zülpicher SC Enzen-Dürscheven

Lesezeit 6 Minuten
Sieben Personen der queeren Fußball-Truppe stehen Arm in Arm zusammen und halten verschiedene LGBTQIA-Fahnen fest.

Im queeren Fußballcamp in Enzen ging es um Taktik, Technik und Training, aber auch um eine gemeinsame gute Zeit.

Beim dritten queeren Fußball-Camp wurde gekickt, Technik und Strategie trainiert und der Teamgeist gestärkt.

„Wir sind Rheinländer aus der Nordeifel: gesellig, ehrlich, tolerant, redselig und unbeugsam“, heißt es im Leitbild des SC Enzen-Dürscheven. Und: „Sport ist für uns mehr als körperliche Betätigung. Er ist auch ein Mittel der sozialen Integration.“ Keine leeren Worte, wie der Verein mitteilt: „Wir waren bis vor kurzem der einzige Verein in ganz Deutschland mit einer Jugendmannschaft im regulären Ligabetrieb, die größtenteils aus Kindern mit Behinderungen besteht. Bei uns ist jeder willkommen. Diese Einstellung leben wir. Jeden Tag.“

Für die Tigers (siehe „Die Leistung steht nicht im Fokus“), einer queeren Fußballmannschaft aus Köln, las sich das wie eine Einladung, als sie vor etwa vier Jahren die Idee hatten, außerhalb der Domstadt ein mehrtägiges Fußballcamp zu initiieren. „Wir sind rumgefahren und haben uns Plätze angeschaut, die in der Nähe von Lövenich sind. Und der in Enzen hat uns besonders gut gefallen“, sagt Levi von den Tigers. Lövenich deshalb, weil dort im ehemaligen Frauenbildungshaus das Kollektiv Lila Bunt queer-feministische Fortbildungen, Bildungsurlaube, Seminare und Veranstaltungen anbietet und deshalb ausreichend Übernachtungsplätze bietet.

Mehrere Teilnehmer dribbeln mit den Bällen.

Im queeren Fußballcamp in Enzen ging es um Taktik, Technik und Training, aber auch um eine gemeinsame gute Zeit.

Die damals entstandene Kooperation des SC Enzen-Dürscheven, dem Lila-Bunt-Kollektiv und den Tigers hat Bestand. Erst kürzlich fand das queere Fußballcamp zum dritten Mal statt, diesmal mit 23 Personen, die teilweise weite Anreisen in Kauf genommen hatten. Von Freitag bis Sonntag wurde auf dem Rasenplatz in Enzen gekickt, Technik und Taktik trainiert und der Teamgeist gestärkt. Angeleitet wurde die Truppe von einer erfahrenen Person mit Trainerlizenz.

„Wir sind hier eine total gemischte Truppe, altersmäßig von unter 18 bis über 45 Jahren“, sagt Arden. „Es sind auch nicht alle auf dem gleichen Leistungslevel“, so Levi. Manche im Camp hätten das erste Mal bei den Tigers gegen einen Ball getreten, andere würden über langjährige Vereinserfahrung verfügen.

Wie beispielsweise Maria: „Fußball hat in meiner Familie immer eine ganz große Rolle gespielt.“ Die Transition habe Maria gezwungen, mit dem Vereinsspiel aufzuhören. „Das sind dann Jahre, in denen man nirgends reinpasst und überall rausfällt“, weiß auch Zero und ergänzt: „Für mich hätte es nicht zwingend Fußball sein müssen. Erstmal ging es mir nur darum, positive Körpererfahrungen in einem transsensiblen Umfeld zu machen. Hier und bei den Tigers erfahre ich in sicherer Umgebung Selbstwirksamkeit.“

Zwei Personen in lilafarbenen Tigers-Trikots stehen mit dem Rücken zur Kamera. Im Hintergrund sieht man andere aus der Gruppe auf dem Fußballplatz kicken.

Im queeren Fußballcamp in Enzen ging es um Taktik, Technik und Training, aber auch um eine gemeinsame gute Zeit.

Auch Fenix erinnert sich, früher beim Fußball immer das Gefühl gehabt zu haben, „nicht richtig reinzupassen“. Erst bei den Tigers habe Fenix entspannt und frei kicken können: „Hier sind fast alle trans. Und wir alle haben Pronomen, die wir erst lernen müssen.“

Kerrin erzählt während der Camptage, selber mit „absolut null Erfahrung“ zu den Tigers geraten zu sein. „Aber es macht einfach riesig Spaß, selbst wenn man keine Sportskanone ist. Ich kann in so einem Kontext wie hier Fußball richtig mögen.“ Außerdem, fügt Kerrin lachend hinzu, spucke hier niemand auf den Boden.

Tatsache ist: Beim Tigers-Training wie auch im Fußballcamp herrscht eine zugewandte und freundliche Atmosphäre. „Was nicht heißt, dass wir hier ein Softie-Training absolvieren“, betont Zero. „Wir haben auch intensive Zweikämpfe auf dem Spielfeld – hart, aber nie verbissen“, sagt Pax. Wer am Spielfeldrand steht und dem sportlichen Treiben auf dem Platz zuschaut, merkt schnell den Unterschied: Gute Pässe werden lauthals gelobt, manchmal ruft jemand auch: „Das sah echt cool aus!“

Eine Fachwerkhausfassade, davor steht ein Baum. Zwischen Baum und Vordach sind verschiedene Pride-Flaggen aufgehängt worden.

Beflaggung im Bildungshaus des Kollektivs Lila Bunt, wo die Teilnehmenden des Fußball-Camps unterkamen.

Das Credo laute stets: „Nicht rummackern, nur anfeuern!“ Man versuche, immer das Positive herauszustellen, erklärt Arden. Und wenn jemand hinfällt oder sich wehtut, wird sofort geschaut, was man für die Person tun kann. „Deshalb haben wir auch 2019 beim Come-Together-Cup den Fair-Play-Pokal gewonnen“, sagt Zero.

Das große Kölner Freizeitfußball-Turnier-Turnier, das für „echte Weltoffenheit, Gleichberechtigung und Vielfalt“ steht, ist nur eines, an dem die Tigers schon teilgenommen haben. Pax: „Wir waren auch schon in Kassel und Leipzig bei Turnieren, dabei sind gute Kontakte zu anderen Flinta-Teams entstanden.“ Pax gehört zu jenen, die mit Fußball aufgewachsen sind: „Ich habe schon mit fünf Jahren angefangen zu kicken und hatte später durchaus Ambitionen, in den Leistungsbereich zu gehen. Aber ich habe mich in der Frauen-Kategorie nicht richtig wohlgefühlt.“

Nach den Trainingseinheiten ging es mit den Fahrrädern durch die Felder zurück zum Lila-Bunt-Hof, wo Lagerfeuer, Austausch und gute Gespräche die Camp-Abende abrundeten. „Es macht mich richtig glücklich, mit den Leuten hier Tage auf dem Land zu verbringen. Ich bin so gerne in der Natur und mag so kleine Ortschaften“, erzählt Arden. Ob es für queere Menschen einfacher sei, in der Stadt zu leben, wo von vorneherein mehr Vielfalt gelebt wird? Arden nickt. Levi geht es ähnlich: „Ich bin hier in der Gegend aufgewachsen. Und zu sehen, dass im Moment überall Plakate für den Euskirchener CSD hängen, macht mich richtig emotional. Eine queere Community vor Ort, ist für mich in meiner Jugend nicht sichtbar gewesen.“

Wenn man in der Gesellschaft was verändern will, muss man damit in seinem Umfeld anfangen.
Wilfried Kauert vom SC Enzen-Dürscheven

Bleibt die Frage, ob es im nächsten Jahr wieder ein queeres Fußballcamp geben wird? „Das hängt von der Finanzierung ab, wir müssen jedes Mal neue Fördertöpfe finden“, erklärt Fenix. Dieses Jahr habe es einen Zuschuss aus dem Gleichstellungstopf der Stadt Köln gegeben und auch etwas vom Netzwerk Geschlechtliche Vielfalt Trans NRW. Zudem sei ein Soli-Abend in Planung, dessen Einnahmen dann in die Finanzierung des Camps fließen. Der SC Enzen-Dürscheven jedenfalls, der nur eine kleine Aufwandsentschädigung für die Nutzung des Platzes nimmt, ist weiterhin im Boot: „Ich hoffe, dass wir nächstes Jahr mal ein Freundschaftsspiel hinkriegen“, sagt der Sportliche Leiter des Vereins Wilfried Kauert. Das hatte sich die Truppe in den Jahren zuvor nicht zugetraut, jetzt aber zugesagt.

Kauert geht es dabei nicht nur um die sportliche Begegnung: „Wenn man in der Gesellschaft etwas verändern will, muss man damit in seinem Umfeld anfangen. In dem wir unsere Verbindung vertiefen, bauen wir Vorurteile ab.“


Die Leistung steht nicht im Fokus

Die Tigers sind ein Trans-, Inter- und nicht-binäres Fußballteam aus Köln. Trainiert wird im Sommer jeden Montagabend auf unterschiedlichen Plätzen. Gelegentlich nehmen die Tigers auch an Fußballturnieren teil. Leistung steht dabei aber nicht im Fokus, sondern eher gemeinschaftliches sportliches Auspowern, Spaß und gegenseitiges Empowerment in queerer Community.

Da es in fast allen Sportarten eine strikte binäre Trennung in Frauen- und Männerteams gibt, ist es für Transpersonen und nicht-binäre Menschen oftmals problematisch, in regulären Vereinen zu trainieren. Die Tigers gründeten sich 2018, um Menschen, die nicht in die normativen Fußballkontexte passen, den nötigen Raum zu geben.

Wer mehr wissen möchte über die Tigers oder sogar Interesse hat, am Montagstraining teilzunehmen, das immer auf der rechten Rheinseite stattfindet und offen ist für alle Geschlechter, kann sich über die Homepage der Tigers melden.