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Nachfrage steigtZülpicher Schulleiterin berichtet über Herausforderungen in der OGS

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Die Leiterin der Chlodwig-Schule, Brigitte Linnartz, steht in einem hellgrünen T-Shirt in einem multifunktionalen Klassenraum.

Würde die OGS gerne noch mehr gestalten: Schulleiterin Brigitte Linnartz in einem multifunktionalen Klassenraum der Chlodwig-Schule.

Die Stadt Zülpich investiert 800.000 Euro, damit die vier Grundschulen ab dem nächsten Schuljahr zur Offenen Ganztagsschule werden können.

Im OGS-Gebäude der Zülpicher Chlodwig-Schule herrscht an diesem Nachmittag rege Betriebsamkeit. Einige Kinder spielen draußen oder im Flur – die meisten sitzen in den Gruppenräumen: Sie unterhalten sich, machen Hausaufgaben oder sprechen mit Lehrkräften und Betreuerinnen. 155 der aktuell 360 Schülerinnen und Schüler besuchen laut der Stadt Zülpich an der Chlodwig-Schule den Offenen Ganztag. Im kommenden Schuljahr sind 197 Kinder angemeldet.

„Wir haben eine stetig wachsende Nachfrage“, berichtet Schulleiterin Brigitte Linnartz. Inzwischen sei die Frage nach der Offenen Ganztagsschule (OGS) oft die erste, die Eltern bei Informationsveranstaltungen stellen. Um den Anmeldezahlen gerecht zu werden, wird es in der Zülpicher Grundschule eine weitere OGS Gruppe geben. Außerdem sollen die Klassenräume multifunktionaler gestaltet werden, so dass sie sowohl für den Unterricht als auch im Offenen Ganztag genutzt werden können.

Finanziert wird das von der Stadt. Rund 800.000 Euro gibt sie nach Angaben von Sprecherin Petra Havenith dafür insgesamt an allen vier Grundschulen aus. Die Räume zeichnen sich laut Linnartz durch flexibles Mobiliar, das man einfach umstellen kann, Fächer und Verstauungsmöglichkeiten für Materialien sowie Spiele- oder Rückzugsecken aus.

Schulleiterin Brigitte Linnartz ist gegen Trennung von Schule und OGS

Die Schulleiterin begrüßt die Investition der Stadt. Denn: Eine strikte Trennung zwischen Schule und OGS soll es eigentlich gar nicht geben. Statt morgens Unterricht und nachmittags Betreuung sei die Intention der OGS, ein Bildungsangebot mit unterschiedlichen Lern- und Unterrichtszeiten zu machen. Im Idealfall sehe das so aus: Lehrkräfte, pädagogische Fachkräfte und Schulsozialarbeiter bieten von morgens bis nachmittags eine Mischung aus Unterricht, AGs und Lernzeiten an. Klassische Hausaufgaben entfallen in diesem Modell, stattdessen erarbeiten die Kinder ihre Lernziele in den dafür vorgesehenen Lernzeiten.

Diesen Idealfall hätte auch Linnartz eines Tages gerne. Wenn alles aus einem Guss sei, habe man viel mehr Möglichkeiten zu gestalten. Doch auf dem Weg dorthin sieht sie   einige Hürden. Für eine Ideal-OGS   brauche es vor allem viel qualifiziertes Personal. Das heutige OGS-Angebot an der Chlodwig-Schule könnte mit Lehrkräften alleine nicht gestemmt werden.

Falsches Bild der OGS muss laut Schulleiterin geändert werden

Dafür hat die Stadt Zülpich einen Träger ins Boot geholt: den DRK-Kreisverband Euskirchen. Linnartz lobt das Engagement der Mitarbeitenden, sieht allerdings auch einen Bedarf an Fachpersonal wie Schulsozialarbeitern. Es sei aber schwierig, solche Leute für den OGS-Bereich zu gewinnen. Die Probleme: die Arbeitszeiten und eine zu geringe Bezahlung. In der Chlodwig-Schule arbeiten auch Lehrkräfte mit in der OGS. Sie kümmern sich laut Linnartz vor allem um Hausaufgabenbetreuung und Lernzeiten.

Eine weitere Herausforderung sieht Linnartz bei den Kindern. Denn für eine OGS nach dem Idealbild müssten alle bis in den Nachmittag bleiben. Im kommenden Schuljahr sind es an der Chlodwig-Schule gerade mal etwas mehr als die Hälfte, die an der OGS teilnehmen. Die anderen Schülerinnen und Schüler gehen nach Unterrichtsschluss nach Hause.

Und einigen Eltern sei das auch lieber so, so die Schulleiterin. Aus eigener Erfahrung könne sie das gut verstehen, auch sie habe ihre Kinder zu Hause selbst betreut. Doch sie sieht auch die Vorteile, wenn alle Kinder bis in den Nachmittag bleiben. Lehrkräfte hätten dann mehr Zeit zu unterstützen, es gebe mehr Möglichkeiten, den Kindern kreative Lernangebote zu machen, alle Kinder hätten dieselben Chancen, auch die Familien könne das entlasten. Schließlich seien oft beide Eltern berufstätig.

Die OGS ist für viele Kinder ein Segen

Doch dafür müsse sich in den Köpfen von Eltern und auch Lehrkräften   etwas ändern. Und das ist in ihren Augen vielleicht die größte Hürde auf dem Weg zu einer idealen OGS: Viele hätten ein falsches Bild davon. „Es ist nicht nur ein Verwahren, sondern ein Bildungsangebot“, betont sie: „Für viele Kinder ist das echt ein Segen.“ Denn neben Unterstützung bei Lern- oder Hausaufgaben biete die OGS viele pädagogische und kreative Angebote. Im aktuellen Schuljahr biete man etwa einen Schwimmkurs an.

Außerdem ermögliche die OGS, dass Kinder intensiver begleitet und dadurch besser gefördert werden. Und natürlich bleibe Zeit zum Spielen und „einfach Kind sein“. Ideen, die OGS zu gestalten, gebe es im Kollegium und beim Träger viele, berichtet Linnartz. Alle seien sehr engagiert und an den Kindern orientiert.

Ich habe noch nie ein Kind erlebt, dass ungern in die OGS geht.
Brigitte Linnartz, Schulleiterin Chlodwig-Schule

Das trotzdem viele eine falsche Vorstellung von OGS hätten, liege auch an der Historie, sagt Linnartz. Denn früher sei das Konzept das eines Hortes gewesen, in dem die Kinder betreut wurden, bis die Eltern sie abholen. Die Schulleiterin ist aber optimistisch, dass sich das langsam ändert. „Das Bewusstsein dafür muss einfach wachsen.“

Für sie ist klar: Die Chlodwigschule hat keine OGS, sondern ist eine OGS. So sind Gruppenräume im OGS-Gebäude gleichzeitig Klassenräume der ersten Klassen, die klassischen Hausaufgaben in den ersten und zweiten Klassen wurden in diesem Schuljahr abgeschafft. Stattdessen wurde individualisiertes Lernen im System eingeführt, wie Linnartz es nennt.

Dabei erarbeiten die Kinder ihre Lernziele in dafür vorgesehenen Lernzeiten in der Schule. Zu Hause sollen sie höchstens Lesen oder das kleine Einmaleins üben. Sie habe dazu viele positive Rückmeldungen erhalten, sagt Linnartz. Diesen Weg will sie weitergehen. Noch sei die OGS auch durch das Mittagessen im Forum sehr durchgetaktet. Sie wünsche sich, dass das Ganze noch organischer werde.

Und was sagen die Kinder dazu? „Ich habe noch nie ein Kind erlebt, dass ungern in die OGS geht“, berichtet Linnartz. Den Eindruck gewinnt man auch bei einem Blick in die Gruppenräume. Die Atmosphäre wirkt entspannt. Eine Gruppe ist   beim Mittagessen, die anderen beschäftigen sich. In zweieinhalb Stunden beginnt die Abholzeit. Wie sie die Zeit bis dahin nutzen möchten, entscheiden die Kinder selbst.


OGS-Angebot in Zülpich

Bis 16 Uhr können die Kinder der Chlodwig-Schule in Zülpich in der Offenen Ganztagsschule (OGS) bleiben. Die Abholzeit beginnt ab 15 Uhr. Grundsätzlich sei bei wichtigen Terminen auch ein früheres Abholen nach Absprache möglich, berichtet Schulleiterin Brigitte Linnartz. Um die Bildungsangebote verlässlich planen zu können, brauche es auch eine entsprechende Verbindlichkeit.

Ab dem kommenden Schuljahr gibt es an allen vier Zülpicher Grundschulen ein OGS-Angebot. Neu dabei ist Sinzenich, dort gab es nach Angaben der   Stadt bisher eine 13plus Betreuung, in der die Kinder bis 13 Uhr betreut werden konnten. Schulleitung und Förderverein hatten sich aber einen Wechsel zum OGS-System gewünscht.

Träger der OGS ist in Ülpenich, Sinzenich und Zülpich der DRK-Kreisverband Euskirchen. In Wichterich hatte es zuletzt Sorge um den Fortbestand der OGS gegeben. Nach Angaben der Stadt habe man dort nun aber mit dem Unternehmen „Interaktiv“ einen neuen Träger gefunden.

Die Anmeldezahlen für die OGS steigen zum kommenden Schuljahr an allen vier Schulen. In Ülpenich von bisher 69 Kindern auf 95, bei insgesamt 167 Schülerinnen und Schülern. In Wichterich geht es von 69 auf 74 nach oben bei einer Gesamtschülerzahl von 155. Sinzenich hat mit 40 von insgesamt 189 Schülerinnen und Schülern die wenigsten Anmeldungen für die OGS.